Der Migros neue Kleider

Was würde wohl Dutti zu seiner Migros sagen? Man weiss es nicht, kann es sich aber ausmalen, wenn Probleme vor sich her geschoben werden statt gelöst. Seit Jahrzehnten weiss das Management, dass die Struktur der Migros mit 10 regionalen Genossenschaften und deren 10 Regionalfürsten ihr Problem No. 1 darstellt.

Seit Jahren geben sich Beratungsunternehmen die Klinke in die Hand. Sie sollen die leicht adipöse Migros fit trimmen, aber ohne die grossen Strukturen anzurühren. Also abnehmen, trotz weiterfuttern! Übersetzt heisst das: In jeder Genossenschaft gibt es einen Generaldirektor, eine Finanzabteilung, ein HR, eine Bauabteilung, etc. Das ist so gewollt, weil die Regionalfürsten auch im 24köpfigen Verwaltungsrat der Migros sitzen, welche eigentlich die 10 Genossenschaften auflösen müsste. Aber wer schafft sich schon selbst ab? Deshalb wird an diesen Sitzungen seit Jahren das Märchen «Des Kaisers neue Kleider» gespielt… denn alle wissen, dass sie eigentlich keine Kleider anhaben. So geschehen zuletzt, als der Verwaltungsrat auf 11 Personen reduziert wurde, davon 5 Regionalfürsten und ein Mitarbeitervertreter. Das Gremium ist nun zwar kleiner, aber von Governance nach wie vor keine Spur. Die neue gemeinsame Supermarkt AG mit Konzentration aufs Kerngeschäft soll nun das Heil bringen. Tönt gut, doch Geschlossenheit geht anders. MElectronic sollte als Ganzes mit dem gesamten Filialnetz verkauft werden. Noch bevor ein erster Käufer seine Fühler ausstreckt, schliessen zwei Genossenschaften eigenmächtig erste Filialen… Die Strategie dahinter lautet offenbar «jeder macht, was er will!»

Man kann die jüngste Geschichte der Migros auch anekdotisch erzählen: Der Leiter des Rechtsdienstes mochte vor einer Dekade im Leben kreativer sein und sein Flair für schöne Dinge im Leben verwirklichen. Dies gelang trotz mangelndem Detailhandelleistungssausweis elegant, weil sein in Deutschland vorbestrafter Joggingkollege aus der Migros-Generaldirektion ihm den Job als CEO von Interio zuschanzte. Zur gleichen Zeit bewarb sich ein Mc Kinsey Berater mit zweijährigem Migros-Leistungsausweis als CEO von Micasa. Er bekam den Job nach einem vertieften Assessment. Und das Ende der Geschichte: der Jurist fährt Interio an die Wand. Das einst tolle Möbelhaus gibt es nicht mehr. Der ehemalige Mc Kinsey-Mann bringt Micasa wieder auf die Erfolgsspur…

Die traditionsreiche, einst innovative Migros mit seinen tollen Mitarbeitern in den Verkaufsfilialen hat Besseres verdient. Unter dem Stichwort «Konzentration aufs Kerngeschäft» wurde mit dem Glattzentrum jüngst für eine Milliarde weiteres Tafelsilber verscherbelt. Das verheisst nichts Gutes: Denn solange noch Geld in der Kasse liegt, wird im obersten Management die nächsten Jahre das Märchen «der Migros neue Kleider» weitergespielt.

Wadenbeisser

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