Zürich auf dem Weg zur Cybersecurity-Hochburg?

Viele IT-Unternehmen wählen die Greater Zurich Area als Standort für ihre Sicherheitsforschung aus. Das ist kein Zufall, sondern eine Kombination aus Spitzenforschung, politischer Stabilität und Vertrauen.

Bild: zvg

Shira Kaplan ist Gründerin und CEO der Cyverse AG. Sie ist eine der prominentesten Stimmen für ein starkes Schweizer Cybersecurity-Ökosystem.

Cyberangriffe gehören heute zur Realität – quer durch alle Branchen. Ob Industrie, Gesundheitswesen oder öffentliche Verwaltung: Digitale Attacken gefährden sensible Daten, stören Abläufe und können Unternehmen massiv schaden. Der Schutz digitaler Infrastrukturen ist deshalb längst nicht mehr nur Sache der IT-Abteilung, sondern strategische Priorität. In diesem Umfeld rückt die Greater Zurich Area – der wirtschaftsstarke Ballungsraum rund um Zürich – zunehmend ins Zentrum. Mit verlässlichen Rahmenbedingungen, hoher Lebensqualität und international anerkannter Forschung hat sich die Region als attraktiver Standort für Cybersicherheitsunternehmen etabliert. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die ETH Zürich, die mit dem Zurich Information Security and Privacy Center (ZISC) zu den weltweit führenden Einrichtungen in der IT-Sicherheitsforschung gehört.

Forschung trifft auf Anwendung

Das ZISC wurde bereits 2003 gegründet – als eines der ersten Zentren weltweit. Heute forschen hier Expertinnen und Experten an zukunftsweisenden Lösungen, oft in enger Zusammenarbeit mit der Industrie. Ein Beispiel ist die Entwicklung der Internetarchitektur SCION, die Angriffe auf Netzwerke durch Manipulation von Routing-Pfaden verhindern soll.

«Die Schweiz hat das Potenzial, ein globales Zentrum für digitales Vertrauen zu werden. Doch dafür braucht es Investitionsmut und eine Kultur, die Tempo zulässt.»

Shira Kaplan, Gründerin und CEO der Cyverse AG

Die Schweizerische Nationalbank setzt SCION bereits produktiv ein. Wie fruchtbar das Zusammenspiel von Forschung und Unternehmertum in Zürich ist, zeigt sich auch am Beispiel von Exeon Analytics. Das ETH-Spin-off entwickelt KI-basierte Systeme zur frühzeitigen Erkennung von Cyberangriffen. Gregor Erismann, Co-CEO von Exeon Analytics, betont die Bedeutung des Standorts: «Die Nähe zur ETH ist für uns zentral. Nicht nur, weil wir ursprünglich an der ETH gründeten, sondern auch weil die ETH hervorragende Talente ausbildet, die zu uns stossen. Gleichzeitig ist Zürich ein idealer Ausgangspunkt für unsere europäische Expansion.»

Standortvorteile

Was Zürich als CybersecurityStandort besonders macht, ist die Kombination aus Spitzenforschung, politischer Stabilität und technologischem Vertrauen. Die Schweiz gilt international als neutral, sicher und rechtsstaatlich verlässlich – Eigenschaften, die für den Umgang mit sensiblen Daten zentral sind. Davon ist auch Shira Kaplan, Gründerin und CEO der Cyverse AG, überzeugt. Die ehemalige Cyberanalystin der israelischen Eliteeinheit 8200 bringt mit Cyverse spezialisierte Sicherheitslösungen aus Israel nach Europa – aus Zürich heraus. Sie sagt: «Die Schweiz bietet seit Jahrzehnten physische Sicherheit und Schutz. Das ist ein Vorteil, den man in der digitalen Welt gezielt nutzen kann.» Dass sie ausgerechnet in Zürich ihr Unternehmen aufbaute, war ursprünglich dem Jobwechsel ihres Mannes geschuldet. Die Rahmenbedingungen vor Ort überzeugten sie jedoch. Heute ist Kaplan eine der prominentesten Stimmen für ein starkes Schweizer Cybersecurity-Ökosystem.

Dynamisches Ökosystem

Das wachsende CybersecurityNetzwerk im Raum Zürich umfasst nicht nur innovative Startups, sondern auch internationale Akteure wie Acronis in Schaffhausen, Kaspersky mit seiner Transparenzinitiative sowie Google, das in Zürich seinen grössten Forschungsstandort ausserhalb der USA betreibt. Die Region hat sich damit zu einem bedeutenden europäischen Knotenpunkt für digitale Sicherheit entwickelt. Aber es gibt Luft nach oben Doch auf diesen Erfolgen dürfe man sich nicht ausruhen, warnt Shira Kaplan. Ein wirklich erfolgreiches Schweizer Cyber-Ökosystem benötige Cyber-SicherheitsUnternehmer und Investoren aus der Schweiz, die miteinander vernetzt sind, sich regelmässig treffen und Informationen austauschen.

«Innerhalb Europas funktioniert die Rekrutierung gut, aber darüber hinaus sind die Prozesse unnötig kompliziert – hier wäre in unserem Umfeld eine Vereinfachung wünschenswert.»

Gregor Erismann, Co-CEO von Exeon Analytics

Aus diesem Grund hat Kaplan ein globales Netzwerk namens «Cyber-Security Investors» gegründet, in dem aktiv Informationen zum Markt geteilt werden. Zudem brauche es internationale Risikokapitalfonds, die lokal im Schweizer Cyber-Ökosystem investieren und den Start-ups Wachstumskapital bereitstellen. Nicht zuletzt sind auch Schweizer Unternehmen gefragt, die als Designpartner für lokale Schweizer Cyber-Sicherheitsprodukte fungieren. Kaplan betont: «Die Schweiz hat das Potenzial, ein globales Zentrum für digitales Vertrauen zu werden. Doch dafür braucht es Investitionsmut und eine Kultur, die Tempo zulässt.»

Spitzenforschung

Dem stimmt auch Gregor Erismann zu. Aus seiner Sicht ist eine gezielte Förderung von Innovationen, etwa an der ETH Zürich, von zentraler Bedeutung. Ebenso wichtig ist der verbesserte Zugang zu Kapital für Cybersecurity-Unternehmen – sowohl in der frühen Start-up-Phase als auch in späteren Wachstumsphasen. Zudem sollten die Rahmenbedingungen für Start-ups so gestaltet sein, dass unternehmerisches Risiko nicht bestraft, sondern anerkannt wird. Dabei weist er darauf hin, dass andere Kantone bereits steuerlich attraktivere Bedingungen bieten. Ein weiteres wichtiges Element sei das klare Bekenntnis öffentlicher und halböffentlicher Institutionen, bevorzugt Schweizer Cybersecurity-Lösungen zu nutzen – insbesondere solche aus dem Kanton Zürich – sofern möglich. Bei der Talentgewinnung sieht Erismann insbesondere Herausforderungen bei der Rekrutierung ausserhalb des Schengen-Raums: «Innerhalb Europas funktioniert die Rekrutierung gut, aber darüber hinaus sind die Prozesse unnötig kompliziert – hier wäre in unserem Umfeld eine Vereinfachung wünschenswert.»

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