Die Vor- und Nachteile der Viertagewoche

In Zukunft sind neue Arbeitsmodelle für mehr Flexibilität gefragt. Dabei wird auch die 4-Tage-Woche immer mehr zum Thema.

Bild phwin

Küchenchef Angelo Zarbo vom Park Hotel schätzt die 4-Tage-Woche.

Der moderne Arbeitsplatz ist nach Feng-Shui ausgerichtet und ein hauseigener Fitnessraum, inhouse durchgeführte Yoga- und Pilatesstunden und jährliche Team-Ausflüge sind selbstverständlich. Musikalische Mitarbeitende rocken gemeinsam in der Firmenband und für das leibliche Wohl sorgt ein Spezialitäten-Restaurant – kostenlos natürlich. Ist das die Arbeitswelt der Zukunft? Sind das die Standards, die von der Generation Z, die nun ihre Ausbildung abgeschlossen hat und in den Arbeitsmarkt stösst, erwartet werden?

4-Tage-Woche im Fokus
Tatsächlich sind diese und ähnliche Arbeitsumgebungen in einigen Unternehmen bereits umgesetzt. Immer mehr in den Fokus der neuen, modernen Arbeitsmodelle kommt auch die 4-Tage-Woche. International wird diese immer beliebter; in der Schweiz konnte sie sich noch nicht so richtig etablieren.
Einzelne Firmen setzen allerdings heute bereits auf verkürzte Arbeitszeiten. Die Befürworter sind überzeugt, dass die längeren Erholungsphasen für mehr Ausgeglichenheit, gesteigerte Motivation und eine bessere Gesundheit der Arbeitnehmenden sorgen. Zudem seien sie glücklicher und weniger gestresst.

Mitarbeitende motivierter
Der Cheminéebauer Glutform Rüegg in Dietlikon hat Anfang Jahr versuchsweise die 4-Tage-Woche mit 36 Stunden eingeführt. Vom Lehrling bis zum Geschäftsführer – alle haben das Recht auf fünf Stunden kürzere Arbeitszeiten und das bei vollem Lohn. Geschäftsführer Martin Ritler ist überzeugt, dass sich die Motivation und die Produktivität nicht über lange Arbeitszeiten, sondern nur über Vertrauen und gute Konditionen steigern lasse. Auch heute, gut ein halbes Jahr später, ist Martin Ritler immer noch davon überzeugt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Die Mitarbeitenden schätzten das neue Modell, seien motivierter und es käme zu weniger Ausfällen. Und als Nebeneffekt sei es ein gutes Mittel gegen den Fachkräftemangel. «Es haben sich gelernte Ofenbauer, die die Branche gewechselt haben, wieder beworben, weil sie von der 4-Tage-Woche gehört haben», freut sich Martin Ritler.
Ein positives Fazit zieht auch Philipp Albrecht, Direktor des Park Hotels in Winterthur. «In der Küche haben wir die 4-Tage-Woche erfolgreich eingeführt, indem wir die nicht sehr beliebte Zimmerstunde abgeschafft haben.» Am Anfang müsse man da und dort zwar noch die Abläufe anpassen und optimieren. Das Hauptziel aber, die verbesserte Work-Life-Balance für die Mitarbeitenden, sei zur Zufriedenheit aller erreicht worden. Das isländische Modell allerdings von vier Arbeitstagen zum gleichen Lohn sei in der Gastronomie nicht finanzierbar. Hier sei es nur möglich, die Anzahl Stunden neu zu verteilen.

In der Küche haben wir die Viertagewoche eingeführt, indem wir die Zimmerstunde abgeschafft haben.

Philipp Albrecht, Direktor Park Hotel Winterthur

Skepsis auf dem Bau
Skepsis gegenüber neuen Arbeitsmodellen herrscht im Handwerk und insbesondere auf dem Bau. Hier sieht man die Angestellten lieber jeden Tag vor Ort und möglichst pünktlich an der Stempeluhr. Dabei wäre es gerade hier höchste Zeit, mit New-Work-Modellen für mehr Attraktivität zu sorgen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das ist nicht ganz einfach – die Mitarbeitenden können ja nicht zwischen Baustelle und Homeoffice wählen. Die Arbeitsabläufe müssten so angepasst werden, dass der Output trotz Reduktion der Arbeitszeit der gleiche ist.

Nicht nur Vorteile
Am Freitag freimachen, um ein langes Wochenende zu geniessen und das bei vollem Lohn, das ist wohl nicht die Idee der 4-Tage-Woche. Sie muss den betrieblichen Anforderungen, der Branche und vor allem auch den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden angepasst werden. «Wegen der 4-Tage-Woche sind wir heute nicht erreichbar», diese Abwesenheitsmeldung würden wohl nicht alle goutieren – vor allem in Branchen, in denen ein Rundum-Service erwartet wird. Und auch nicht alle Arbeitnehmenden sehen die Arbeitswelt rosarot, in der alle motivierter, freier und viel besser zusammenarbeiten. Viele sind von den neuen Arbeitsmodellen auch überfordert, werden zu Einzelkämpfern und sehen ihren Job bedroht.

Vom Steuerzahler bezahlt?
Weniger arbeiten für den gleichen Lohn und damit auch die von den Gewerkschaften geforderte 35-Stunden Woche funktioniert laut den Arbeitgeberverbänden nicht. Das gehe finanziell nicht auf – die zusätzlichen Kosten müssten dann letztlich entweder die Kunden und Kundinnen oder die Steuerzahler tragen. Zudem könne eine verkürzte Arbeitswoche nicht in jeder Branche eingeführt werden Bei Berufen mit vorgegebener Präsenzzeit müssten bis zu 20 Prozent mehr Personal eingestellt werden – das sei eine Utopie, gerade bei derzeitigen Fachkräftemangel und auch nicht finanzierbar.
Die 4-Tage-Woche ist wohl nicht allein das alleinseligmachende Modell, um Arbeitnehmende und Unternehmer glücklich zu machen. Die Veränderung der Arbeitswelt ist allerdings nicht aufzuhalten und damit auch die geforderte Flexibilisierung. Die Unternehmen sind also gefordert, über die verkürzte Arbeitszeit hinaus neue Modelle zu kreieren und anzubieten, die dem Zeitgeist genügen. Sicher ist: Personalmarketing wird für Firmen immer mehr zur grossen Herausforderung. Für den Gewerbetreibenden, für KMU und für Konzerne.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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