Und der Mörder ist … der Unternehmer, klar!

Kann mir jemand erklären, warum im deutschsprachigen Fernsehen täglich flächendeckend gemordet wird? Krimi, Krimi, Krimi. Über alle Kanäle, sicher 30 Stück pro Abend, besonders dicht auf gebührenernährten Sendern. Ein Journalist hat zusammengezählt: Allein auf ZDF werden jährlich viereinhalbtausend Menschen umgebracht, krasse zehn Mal mehr als in der trägen deutschen Realität. Was ist da los? Ist das einfach krank? Fantasielos? Verfolgen die «Qualitätssender» eine publizistisch plausible Strategie?

Und kann mir dann jemand erklären, warum in den allermeisten Krimis der Mörder sich als Unternehmer entpuppt? Dem deutschen Verband mittelständischer Wirtschaft fiel das auf – und er bestellte eine Täteranalyse zum «Tatort», dem meistgesehenen deutschsprachigen Krimi. Also, wer tötete im «Tatort» zwischen 2018 und 2024? Einsame Spitze: Unternehmer/Manager (39 Mal), noch vor Berufskriminellen (28) und – Achtung! – Polizisten (23). Pfarrer, Laboranten, Politiker, Autorinnen, Journalisten schaffen es bloss je ein Mal.

Was will man uns damit sagen? Unternehmer seien speziell blutrünstig? Die Wirtschaftswelt, in der sie tätig sind, sei durchseucht von Geldgier, Egoismus, Korruption, Menschenverachtung? Wer es an die Spitze gebracht hat, sei getrieben von der Suche nach dem eigenen Vorteil? Wer auch nur eine Handvoll mittelständischer Unternehmer kennt, weiss: Damit zeichnen die Sender ein Zerrbild der KMU-Welt. Die meisten Unternehmer schaffen auf eigenes Risiko Arbeitsplätze, sie engagieren sich sozial in Sportvereinen, bilden Lehrlinge aus, integrieren Migranten … Woher dann dieses Zerrbild? Denken die Sender, es komme beim Publikum gut an? Denken sie gar nichts?

Es wird stets behauptet, in Krimis lasse sich das volle buntscheckige Leben packen. Ist halt nicht so. Krimiformate leben von der immer selben Spannungsdramaturgie: Sie sehen die Welt im Blick des Ermittlers. Der sieht überall verborgene Abgründe, düstere Geheimnisse, nicht nur beim mutmasslichen Täter, das gesamte Umfeld steht unter Verdacht, das gehört zum Krimiplot, je mehr suspekte Figuren, desto besser für die Spannung. Jedes Milieu erscheint als potenziell hinterhältig, verkommen, bedrohlich.

Dass die Handschellen am Ende so häufig bei Unternehmern zuschnappen, ist nicht komplett zufällig. Unternehmergeist ist das Gegenteil von Verwaltungsmentalität. Verwaltertypen richten sich in der Gegenwart ein, Unternehmer arbeiten mit der Zukunft zusammen. Ein riskanter Job, da bekanntlich nur Götter die Zukunft kennen. Nichts für Satte, Zimperliche, Mutlose. Die Chance zu scheitern ist hoch.
Darum auch die Bereitschaft zu Gewalt und Mord? Eher umgekehrt. Wer ein Leben lang schluckt, sich duckt, muss mal totschlagen, wenn der Aussendruck steigt. Während Unternehmer geübt sind, ja ein Vergnügen daran haben können, sich gegen Widerstand durchzusetzen.

Was – rein logisch – ergibt: Leute, die bei den TV-Sendern über Krimis entscheiden, gehören wohl zu den Verwaltertypen.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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