Stockende Verkehrspolitik aus Winterthurer KMU-Sicht
Eine Umfrage des Winterthurer KMU-Verbands bei Mitgliedern zeigt: Nur ein Drittel der Unternehmen würde Winterthur erneut als Standort wählen. Grund ist die wachsende Unzufriedenheit mit der Verkehrs-situation, die nun mit dem neuen Richtplan noch verschlimmert werden könnte. Der Verband fordert Massnahmen, um den Gewerbeverkehr zu stärken.
18. Februar 2025
Einer der Flaschenhälse in Winterthur ist die Kreuzung Frauenfelder-/Seenerstrasse. In der Nähe liegt das ehemalige Sulzerareal Oberwinterthur (heute Neuhegi), wo heute viel Gewerbe tätig ist. «Durch die Verstopfungen erreicht man das Areal nur noch schwer», sagt Bert Hofmänner.
Einer der Flaschenhälse in Winterthur ist die Kreuzung Frauenfelder-/Seenerstrasse. In der Nähe liegt das ehemalige Sulzerareal Oberwinterthur (heute Neuhegi), wo heute viel Gewerbe tätig ist. «Durch die Verstopfungen erreicht man das Areal nur noch schwer», sagt Bert Hofmänner.
Einer der Flaschenhälse in Winterthur ist die Kreuzung Frauenfelder-/Seenerstrasse. In der Nähe liegt das ehemalige Sulzerareal Oberwinterthur (heute Neuhegi), wo heute viel Gewerbe tätig ist. «Durch die Verstopfungen erreicht man das Areal nur noch schwer», sagt Bert Hofmänner.
Es war eng und etwas stickig in der kunstvoll ausgeschmückten Labüsch Bar im ehemaligen Winterthurer Sulzer-Areal. Das hatte nicht nur damit zu tun, dass die Lüftung zeitweise aus akustischen Gründen ausgeschaltet wurde. Vielmehr sorgte das grosse Interesse am jüngsten KMU-Apéro des Verbands vom 28. Januar für die engen Platzverhältnisse – und für die Hitze.
Dichtestress: für viele der 146 Unternehmen, welche die vom KMU-Verband Winterthur und Umgebung durchgeführte Verkehrsumfrage beantworteten, ein passendes Stichwort. Denn auch auf Winterthurs Strassen beziehungsweise Parkplätzen bewegt sich die Blechlawine schon heute zu wenig, wenn es nach den Unternehmen geht. Und die Stadtpolitik scheint nur in eine Richtung zu streben: noch weniger Verkehr. Und damit: noch weniger Verkehrsfluss.
Die Winterthurer Unternehmen beurteilen die Verkehrssituation als unbefriedigend. Und es ist keine Besserung in Sicht.
Bert Hofmänner, Vizepräsident KMU Verband Winterthur und Umgebung
Und so versprach Bert Hofmänner vom Vorstand des KMU-Verbands nicht zu viel, als er der erwartungsfrohen Schar «Fleisch am Knochen» der Verkehrsstudie ankündigte. Der Verbandsvorstand bestehe zwar nicht aus Verkehrsexperten, «aber wir wissen, was ihr braucht». Und das Wissen oder Sensorium um die Bedürfnisse des Gewerbes lässt der Stadtrat, wie die Antworten dann ebenso untermauerten, ganz offensichtlich vermissen.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie: Wenngleich die meisten ansässigen KMU noch genügend Parkplätze aufweisen, so grassiert die Angst, dass neue Betriebe mit zu wenigen Parkplätzen ausgestattet werden. Die Umfrage zeigt eine alarmierende Unzufriedenheit unter den Unternehmen: Rund 50 % meinten sogar, sie würden nicht (oder eher nicht) wieder nach Winterthur ziehen, hätten sie die Wahl. Nur 34 % der Firmen würden Winterthur erneut als Standort wählen, bevorzugt würden Nachbargemeinden mit besserem Autobahnanschluss.
Verkehrsfluss und Parkplätze
Das hat Gründe, allen voran der Verkehrsfluss: Während dieser für 83,6 % der befragten Unternehmen wichtig wäre, finden nur 18,5 % den Ist-Zustand befriedigend – was eine Diskrepanz von 65,1 % ausmacht. 83 % empfinden den Verkehrsfluss in Winterthur als stockend und über 90 % erwarten eine weitere Verschlechterung.
Noch extremer, aber wohl weniger beeinflussbar durch die Stadtpolitik, fielen die Antworten zu den «Parkplätzen bei Kunden vor Ort» aus: 80 % der Firmen, die auf Kundenbesuche angewiesen sind, bewerten die Parkplatzsituation vor Ort als ungenügend. 94 Prozent bezeichneten diese als sehr oder recht wichtig, nur 20 % finden sie aber heute befriedigend – Diskrepanz: 74 %. Da überrascht es nicht, dass fast 92 % die Entwicklung des Verkehrsflusses als «deutlich» oder «eher» schlecht beurteilten.
Fast entspannt gestaltet sich da die Situation bei den Parkplätzen der KMU für Mitarbeitende und Kunden (Diskrepanz Ist-Zustand und Wunsch nur 16 bzw. 20 %). Trotzdem: Es überrascht nicht, dass nur etwa ein Drittel der befragten Unternehmen Winterthur erneut als Standort wählen würde.
Für 74 % der Befragten sind ausserdem die Handwerkerbewilligungen eher zu teuer und 86 % sind gegen Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen.
Keine guten Noten für die Stadt
Das Fazit aus Sicht des KMU-Verbands: «Die Winterthurer Unternehmen beurteilen die Verkehrssituation als unbefriedigend. Und es ist keine Besserung in Sicht», so Hofmänner. Einige Wortmeldungen von Verbandsmitgliedern untermauerten das. So meldete sich eine Vertreterin einer Aufzugsfirma: «Ich schlage mich tagtäglich mit Parkbewilligungen unserer Servicetechniker herum.» Gerade wenn es schnell gehen müsse, etwa wenn Menschen im Lift steckenbleiben, sei Bürokratie wegen Bewilligungen das falsche Instrument, um den Verkehr loszuwerden.
Viel Andrang in der Labüsch Bar: Bert Hofmänner vom KMU Verband Winterthur und Umgebung kommentiert die Resultate der Verkehrsumfrage.
Viel Andrang in der Labüsch Bar: Bert Hofmänner vom KMU Verband Winterthur und Umgebung kommentiert die Resultate der Verkehrsumfrage.
Eine Hotelbetreiberin schilderte, dass ihre Gäste fürs Parkhaus rund 45 Franken pro Tag zahlen müssten – weil in Winterthur Blaue-Zone-Karten nur Stadtbewohnern zustehen. Damit fällt das Zeugnis für die Stadt vernichtend aus. Kaum verwunderlich, dass angesichts solcher Verkehrsziele rund 83 % der befragten Unternehmen dem Stadtrat und Stadtparlament kein oder wenig Vertrauen schenken, verlässliche Lösungen für die Verkehrsproblematik zu schaffen.
Der Zeitpunkt der Umfrage zu den Verkehrsbedürfnissen der lokalen Unternehmen war nicht zufällig gewählt: Sie wurde im Herbst 2024 im Hinblick auf den neuen Richtplan, der dem Stadtparlament zur Beratung vorliegt, durchgeführt. Die Resultate geben dem Verband nun wichtige Erkenntnisse, auch wenn die Resultate teilweise sehr einseitig waren – allerdings gerade in der zweitgrössten Stadt Winterthur dürfte das wohl wenig überraschen.
Verkehr um 50 % reduzieren?
Die wohl markanteste Zielsetzung des Stadtrates, zu welcher der Richtplan verhelfen soll: Der motorisierte Individualverkehr soll um die Hälfte reduziert werden. Und dazu wird auch der Gewerbeverkehr gezählt, auch wenn die zuständige Stadträtin diesen in «guten» und «schlechten» Verkehr unterteilt. Die Studie eines verbreiterten Trottoirs auf der Technikumstrasse, auf der im Gegenzug die Fahrspuren verengt werden würden, untermalte grafisch die Philosophie des Stadtrates: Weniger Anreize für den Verkehr gleich weniger Verkehr. Dass sich dann weniger «schlechter Verkehr» hierhin verirrt, um dem «guten Verkehr» Platz zu schaffen, glaubt Hofmänner nicht: «Der Autoposer auf der Technikumstrasse hat doch Freude, wenn er im Stau steht und gesehen wird.» Mit einigen weiteren Mustern geplanter Massnahmen wie der Einführung des Kammernprinzips (das 81 % ablehnten) oder Tempo 30 unterstrich Hofmänner die Befürchtung: Vermehrt würden Firmen mit dieser gewerbefeindlichen Verkehrspolitik ihren Standort in Gemeinden ausserhalb der Stadt verlegen.
Die Ergebnisse der Umfrage sowie die Vorschläge des Verbands sollen nun den politischen Entscheidungsträgern präsentiert werden.
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
Info
Lösungsvorschläge des KMU Verbands
Der KMU Verband Winterthur und Umgebung kritisiert nicht nur die städtische Verkehrspolitik. Er schlägt Lösungen vor, die den Gewerbeverkehr stärken und ihn nicht zusätzlich belasten sollen. Die Kernforderungen:
• Der Gewerbeverkehr darf nicht halbiert werden. Eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs um 50 %, wie im neuen Richtplan vorgesehen, darf den Gewerbeverkehr nicht beeinträchtigen.
• Motorisierter Gewerbeverkehr: Wo sinnvoll, sollen Alternativen gefördert werden. Wo nötig, muss der motorisierte Gewerbeverkehr ungehindert möglich bleiben.
• Verkehrsintensive Gewerbezonen neben Autobahnanschlüssen: In Bereichen wie Winterthur Süd (Autobahnanschluss Töss) sollen Zonen geschaffen werden, in denen Unternehmen ohne verkehrstechnische Einschränkungen agieren können. So soll der Wegzug von Unternehmen in umliegende Gemeinden an verkehrsgünstigeren Lagen verhindert werden.
• Park-and-Ride-Lösungen für Pendler: Effiziente Parkmöglichkeiten am Stadtrand mit direkter ÖV-Anbindung, z. B. in Töss und Oberwinterthur, sollen den Individualverkehr im Stadtzentrum reduzieren.
• Logistik an jede Haustür: Der Strassenraum muss so gestaltet sein, dass Gewerbefahrzeuge ihre Aufgaben ungehindert erfüllen können, ohne die Verkehrsflüsse zu blockieren.
• Wochentags-GA für den ÖV: Um Homeoffice-geprägte Arbeitsmodelle zu berücksichtigen, sollten flexible Abos angeboten werden, die nur an bestimmten Tagen gültig sind.
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Lösungsvorschläge des KMU Verbands
Der KMU Verband Winterthur und Umgebung kritisiert nicht nur die städtische Verkehrspolitik. Er schlägt Lösungen vor, die den Gewerbeverkehr stärken und ihn nicht zusätzlich belasten sollen. Die Kernforderungen:
• Der Gewerbeverkehr darf nicht halbiert werden. Eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs um 50 %, wie im neuen Richtplan vorgesehen, darf den Gewerbeverkehr nicht beeinträchtigen.
• Motorisierter Gewerbeverkehr: Wo sinnvoll, sollen Alternativen gefördert werden. Wo nötig, muss der motorisierte Gewerbeverkehr ungehindert möglich bleiben.
• Verkehrsintensive Gewerbezonen neben Autobahnanschlüssen: In Bereichen wie Winterthur Süd (Autobahnanschluss Töss) sollen Zonen geschaffen werden, in denen Unternehmen ohne verkehrstechnische Einschränkungen agieren können. So soll der Wegzug von Unternehmen in umliegende Gemeinden an verkehrsgünstigeren Lagen verhindert werden.
• Park-and-Ride-Lösungen für Pendler: Effiziente Parkmöglichkeiten am Stadtrand mit direkter ÖV-Anbindung, z. B. in Töss und Oberwinterthur, sollen den Individualverkehr im Stadtzentrum reduzieren.
• Logistik an jede Haustür: Der Strassenraum muss so gestaltet sein, dass Gewerbefahrzeuge ihre Aufgaben ungehindert erfüllen können, ohne die Verkehrsflüsse zu blockieren.
• Wochentags-GA für den ÖV: Um Homeoffice-geprägte Arbeitsmodelle zu berücksichtigen, sollten flexible Abos angeboten werden, die nur an bestimmten Tagen gültig sind.