Neue Kernkompetenzen auf dem Arbeitsmarkt gefragt

Nur wer Veränderungen als Chance für sich selber erkennt und sich darauf einlassen kann, ist in der Lage, in der digitalen Transformation eine aktive Rolle zu übernehmen.

Veränderungen in der Arbeitswelt sind schon länger erkennbar und durch die Corona-Pandemie haben sie die Auswirkungen noch verstärkt. Die Arbeitsweit wird zunehmend brüchig, funktioniert je länger je weniger so, wie wir uns das gewohnt sind. Dinge sind häufig nicht mehr einfach kompliziert, sie werden komplex. Das ist nicht immer einfach zu erfassen, es fehlen auch geeignete Werkzeuge oder Fähigkeiten, um die entstehenden Fragestellungen erfolgreich zu bewältigen. Kein Wunder, wenn das zu Verunsicherung führt und Ängste weckt.
Die Digitalisierung ist dabei der Treiber und Ermöglicher einer raschen Veränderung in der Gesellschaft und Arbeitswelt. Sie sorgt dafür, dass sich Abläufe verändern und dank Automatisierung beschleunigen. Routinetätigkeiten werden durch Algorithmen übernommen. Im Gegenzug entstehen neue Anforderungen an Mitarbeitende. Sie sollen vermehrt vernetzt denken und handeln, die Bedürfnisse von internen und externen Kunden besser verstehen oder zur Problemlösung in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten. Führungskräfte sehen sich dadurch ebenfalls mit veränderten Anforderungen an ihre eigene Rolle konfrontiert. Es ist nicht mehr so einfach, konkrete Aufträge zu formulieren, die Zielerreichung zu überprüfen und Verbesserungen anzuordnen. Vielmehr müssen Mitarbeitende befähigt werden, selber zu erkennen, wo welches Problem mit welchem Vorgehen gelöst werden muss. Damit das gelingt, braucht es Stärkung und Freiraum darin, Dinge anders zu denken und neue Ansätze zu verfolgen. Es ist offensichtlich, dass sich auch Hierarchien verändern, bzw. auflösen, wenn Denken und Handeln nicht mehr voneinander getrennt sind, sondern an der Stelle vereint werden sollen, wo das Problem gelöst wird. Häufig sind weder Mitarbeitende, noch Führungskräfte oder Unternehmungen auf diesen Wandel vorbereitet, weder in ihren Kompetenzen noch in der Unternehmenskultur.
Damit dieser Wandel gelingen kann, lohnt es sich, auf folgende Kernkompetenzen zu setzen:

• Systemisches Denken:
Mit ganzheitlicher Betrachtung können etwa dank der Digitalisierung clevere Automatisierungsschritte vorgenommen werden, damit die Effizienz und Effektivität im System gesteigert werden können. Es benötigt dazu unternehmerisches Denken und Handeln im Zusammenspiel mit den KundInnen.

• Arbeitsverhalten:
Mitarbeitende bewegen sich selbstgesteuert und arbeiten am und im System. Es wird verlangt, dass mit Imperfektion umgegangen werden kann. Pragmatismus und Augenmass sind in einer dynamischen Welt gefragt.

• Prozessdenken:
Mit Verständnis für den Gesamtprozess können die besten Lösungen für die eigenen Arbeiten in diesem Prozess verstanden und im Team beste Lösungen umgesetzt werden. Für solche Lösungen wird auch ein Verständnis von Daten und Datenflüssen benötigt.
• Methodenkompetenzen:
Mit den für die heutige Arbeitswelt erprobten Methoden und Modellen werden umsetzbare Lösungen gefunden.

• Leadership:
Die Arbeit in neuen Arbeits- und Organisationsformen erfordert einen Kulturwandel. Eigene Denk- und Handlungsmuster müssen hinterfragt werden. Es benötigt eine vertrauensvolle, laterale, wertebasierte Führungskultur.

Aus diesen Anforderungen ergeben sich zwingend Anpassungen in den kaufmännisch/betriebswirtschaftlichen Ausbildungen. Die Lehre der Kaufleute mit eidg. Fähigkeitszeugnis wird auf Sommer 2023 entsprechend diesen Prämissen reformiert. Der Trend geht weg von Fächerunterricht hin zu Kompetenzbereichen wie «Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen», «Interagieren in einem vernetzen Arbeitsumfeld» oder «Gestalten von Kunden- und Lieferantenbeziehungen». Damit verbunden ist eine Verlagerung von der Wissensvermittlung und der Lösungskompetenz innerhalb eines Faches hin zur Fähigkeit des stetigen Lernens und des Transfers zu aktuellen Problemstellungen, für die passende Lösungen gefunden werden müssen.
Der Paradigmenwechsel beeinflusst auch die Höhere Berufsbildung im Bereich Wirtschaft. Reformvorhaben, wie der neue Rahmenlehrplan für die Höhere Fachschule Wirtschaft (HFW) nehmen die Handlungsorientierung auf und lassen Platz für vernetztere Problemstellungen aus der Praxis sowie die Kompetenzentwicklung von Fach- und Führungskräften in einer veränderten und digitalisierten Arbeitswelt. Mit dem neuen Fachausweis «Digital Collaboration Specialist» werden erstmals direkt Arbeitsweisen und Tools für die Arbeitswelt 4.0 ins Zentrum eines Abschlusses der Höheren Berufsbildung gestellt. Mit Gefässen wie den Smart Camps schafft die KV Business School ebenfalls einen Rahmen, in dem Lernen anders erfolgen kann, die erfolgreiche Umsetzung eines eigenen Praxiscases im Zentrum steht und weniger die Vermittlung von Theorie, welche dann in der Zukunft vielleicht einmal angewendet werden kann oder im Hinblick auf eine Prüfung gelernt werden muss.
In diesen neuen Settings müssen Dozierenden mit Studierenden auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Erfassung von Problemstellungen verlangen von ihnen ein umfassendes Verständnis der Materie und die Begleitung des Lösungsprozesses erfolgt viel stärker in einer Rolle als Coach, denn als Fachexperte. Es erfordert, wie im Praxisalltag ebenfalls, ein interdisziplinäres Arbeiten und das Zugeständnis, nicht auf jede Situation vorbereitet sein zu können und auch bei sich selber Unsicherheiten und Imperfektion zulassen zu können.

Daniel Rigotti

Seit über 20 Jahren Bildungspartner u. Mitglied der Geschäftsleitung KV Business School Zürich

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