Nachruf: R.I.P. Lastschriftverfahren
In stillem Bedauern nehmen wir bereits heute Abschied vom Lastschriftverfahren, das nach einem langen, erfolglosen Kampf gegen die Digitalisierung friedlich entschlafen wird. Es ist ein Tod auf Raten: Einzahlungen können noch bis Ende 2025 getätigt werden – doch in drei Jahren wird ihm dann definitiv auch das Atemgerät abgeschaltet. Nach rund 50 Jahren voller pflichtbewusster Abbuchungen, Ermächtigungen und gelegentlicher Rücklastschriften.
Geboren in einer Zeit, als Schulterpolster breit, Zinsen hoch, Computer raumfüllend, Papierformulare noch en vogue und Banken respekteinflössend waren, als Bankberater ihre Kunden mit Füllfederhalter und nicht per Chatbot trösteten, wollte uns das LSV das Leben erleichtern. Es zog unermüdlich Mieten, Versicherungsprämien und Telefonrechnungen ein, manchmal auch unerwartet und zum Entsetzen seiner Kontoinhaber. Kurz: Das LSV führte ein Leben voller Kontroversen.
Sein bewegter Lebensweg war mit viel Misstrauen gepflastert. Während es in Deutschland und anderen EU-Ländern als etabliertes Mittel der finanziellen Selbstaufgabe als zuvorkommender Freund nach dem Motto «einmal einrichten, nie wieder nachdenken» begrüsst wurde, fand es in der Schweiz stets nur lauwarme Akzeptanz. Hierzulande gibt man die Kontrolle über das eigene Geld nur ungern aus der Hand. Für viele Schweizer war das LSV nicht mehr als ein ungewollter WG-Mitbewohner, der heimlich in den Kühlschrank greift. So wurde das LSV oft als trojanisches Pferd der Bankenwelt betrachtet – eine dunkle Macht, die sich unbemerkt auf Konten schlich und eigenmächtig abbuchte. Mancher entdeckte seine alte Fitnessstudio-Mitgliedschaft erst, wenn das Studio längst pleite war. Hier stand das «Last» für «lästig», und das Misstrauen ging so weit, dass man hinter dem sonderbaren Namen einen Anklagepunkt verdächtigte.
Dennoch hatte es seine stillen Anhänger. Sogar die Skeptiker werden an seiner Beerdigung nur gute Worte finden. Denn es war wie ein zuverlässiger Butler: Nie im Rampenlicht, aber stets zur Stelle, wenn Rechnungen pünktlich bezahlt werden mussten. In der Schweiz hat es jahrzehntelang tapfer versucht, sich gegen den sturen Kontrollwillen seiner Nutzer zu behaupten – doch wurde es am Ende letztlich von einer anderen Bedrohung zu Grabe getragen: Der Digitalisierung und der Zahlungsdienste, die keine seitenlangen Einwilligungsformulare mehr erfordern. Dafür wird nun vermutlich einiges komplizierter für alle, die sich schon damals nicht vom roten, 2022 beerdigten Einzahlungsschein trennen wollten.
Du gehst nun also von uns, fristgerecht, leise und ohne Aufsehen, genau wie die Abbuchungen, die du so diskret erledigt hast. Du hinterlässt trotz allem nebst Millionen von Abbuchungsformularen eine grosse Trauergemeinde – und vermutlich beerben Dich noch mehr Zwei-Faktor-Authentifizierungen, Bestätigungscodes und Cyberattacken auf unsere Konten, als Dein Testament vorsieht. Wir versprechen, Dich nicht zu vergessen. Oder nur bis zur nächsten gefälschten (und arglos bezahlten) Telefonrechnung. So verabschieden wir uns von Dir mit einer letzten «Ermächtigung» durch Deine Eltern, die Banken. «Mach’s guet, aber nimm nume mit, was dir ghört!»
Wadenbeisser
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