Morgenstund hat KI im Mund

Rund 100 Gäste versammelten sich am beim KMU-Frühstück von Swisscom und KGV, um sich mit den Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz auseinanderzusetzen. Gastreferent Jörg Eugster plädierte optimistisch für mehr Technologieoffenheit.

Bild Mark Gasser

«Schwere Zeiten für Models, Fotografen und Schauspieler»: Jörg Eugster stellt die neuen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz auch KMU eröffnet, vor.

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«Schwere Zeiten für Models, Fotografen und Schauspieler»: Jörg Eugster stellt die neuen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz auch KMU eröffnet, vor.

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«Schwere Zeiten für Models, Fotografen und Schauspieler»: Jörg Eugster stellt die neuen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz auch KMU eröffnet, vor.

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«Schwere Zeiten für Models, Fotografen und Schauspieler»: Jörg Eugster stellt die neuen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz auch KMU eröffnet, vor.

Der mittlerweile dritte gemeinsame Event von KGV und Swisscom war diesmal an die Frühaufsteher gerichtet. Und davon gibt es doch einige: Rund 100 KGV-Mitglieder und Swisscom-Geschäftskunden fanden sich am 10. Juni im Swisscom-Konferenzsaal an der Förrlibuckstrasse in Zürich ein.

Der frühe Vogel fängt den Wurm. So ist es auch bei der künstlichen Intelligenz (KI) und deren Verwendung. Nach der Einleitung durch Thomas Hess, Geschäftsführer des KMU- und Gewerbeverbands Kanton Zürich, sowie Thomas Möckli, Verkaufsleiter Region Zürich bei Swisscom, kam ein profunder Kenner der Materie zu Wort: «Mit Gastreferent Jörg Eugster möchten wir Sie inspirieren, aber auch fit machen für die Zukunft», so Möckli.

Schnell wurde klar, dass Jörg Eugster als leidenschaftlicher Digitalisierungsoptimist keine Furcht vor Robotern und KI kennt – im Gegenteil. Obwohl mit der eingangs gestellten Frage, «Gibt es Euer Unternehmen, Euer Geschäftsmodell in 10, 20 Jahren noch?», Skepsis mitschwingt, versprüht Eugsters Claim Optimismus: «Lust auf die Zukunft». Und das spürte man. Einige Eckdaten zum Referenten: Als Online-Pionier der ersten Stunde hat Eugster vier Internet-Plattformen gegründet, aufgebaut und dann verkauft, unter anderem jobwinner.ch. Zudem hat er als erster in der Schweiz ein Buch über Onlinemarketing in der Schweiz geschrieben: «Wie fischt man Kunden aus dem Internet?» Vom gefragten Onlinemarketing-Experten wurde er immer mehr zum inspirierenden Botschafter der digitalen Zukunft.

Zur Illustrierung der Möglichkeiten von KI führte er eine Konversation mit zwei KI-generierten «Klonen» von US-Präsident Donald Trump und Unternehmer Elon Musk. «Für diese kleinen Dialoge hätte man vor einigen Jahren ein Vermögen bezahlt», so Eugster. Die zwei Personen wurden mit dem Programm ParrotAI generiert und deren Dialog seit dem Disput zwischen Trump und Musk innert Kürze angepasst.

Wie erschwinglich Tools zur Vereinfachung des Alltags – etwa zur Überwindung von Sprachbarrieren – sind, zeigten Produkte wie die Headsets eines chinesischen Herstellers, die 170 Sprachen sprechen. Kostenpunkt: 79.90 Franken.

Der KI-Tsunami

Vor fast genau 100 Jahren wurde das Autoverbot im Bündnerland aufgehoben. Heute wäre ein solches Verbot nicht vorstellbar. Die Folgen einer solchen Haltung gegenüber der KI könnten ähnlich verheerend sein: Wer glaube, dass ihn die KI nicht betreffen werde, der werde «noch staunen». Eugster prophezeite, dass wir dereinst gar mehrere Roboter zu Hause haben werden. Rasenmäher-Roboter, Saugroboter und Logistikroboter sind heute schon im «Dienst». Nun hat Amazon bereits erste humanoide Roboter im Einsatz, die helfen, Päckchen zu verpacken. Dass die Angst vor dem Neuen oft unbegründet sei, zeige sich bei selbstfahrenden Autos: Google-Autos verursachten mittlerweile viel weniger Unfälle als menschengesteuerte Fahrzeuge.

«Man muss sich irgendwann für ein Ökosystem entscheiden, nicht immer die Plattformen wechseln.»

Jörg Eugster, Onlinemarketing-Pionier und Buchautor

Eugster bezeichnete aber die Lancierung von ChatGPT im November 2022 als Sputnik- oder iPhone-Moment. Die KI-Welt verändere sich seither rasant in allen Bereichen: Beim Erkennen von Text und Sprache, bei Übersetzungen, beim Generieren von Bildern oder Musik. Um im KI-Dschungel Orientierungshilfe zu bieten, stellte Eugster auch einige Anwendungen vor. So etwa Perplexity: Für Recherche und aktuelle Fakten ist Perplexity oft die bessere Wahl und ersetzt die Google-Recherche. Für kreative Aufgaben, persönliche Gespräche und vielseitige Inhaltserstellung sei ChatGPT wiederum überlegen. Gleichzeitig mahnte er vor der Fehleranfälligkeit – und riet, den Output zu kontrollieren.

Besonders eindrücklich waren Beispiele aus der Praxis: Modelabels setzen auf KI-generierte Menschen, Amazon auf humanoide Roboter, und erste Radiostationen auf virtuelle Moderatoren. «Schlechte Zeiten für Fotografen», meinte Eugster. «Und für Models», meinte ein Zuhörer. Und Videoerstellungstools wie Googles Veo 3 – Stichwort: Deepfake-Videos – zeigten ferner: «Schlechte Zeiten für Schauspieler.» Auch Progammierer, die coden, würden einen schweren Stand haben, prophezeite Eugster auf eine Publikumsfrage.

KI im Büro

KI ist auch im Begriff, den Bürobereich umzukrempeln. Büroarbeiten, etwa Protokollieren oder Mailformulierung, könnten durch KI automatisiert werden – mit positiven Effekten etwa gegen den Fachkräftemangel.

Gibt es deinen Job, deine Firma in 5 Jahren noch? Auf die provokative Frage ans Publikum hatte Eugster keine eindeutigen Antworten – aber eine Tendenz: Jobs mit hohem Routineanteil hätten auch hohes KI-Anwendungspotenzial. Ganz weit oben: Büro- und Sekretariatsberufe. Eine intern antrainierte KI-Anwendung würde gerade neue Mitarbeiter effizient begleiten, statt dass sie jedes Mal den Chef fragen müssten. «Dann sind wir viel schneller eingearbeitet als heute.»

Rund um die neuen KI-Anwendungsbereiche würden dafür immer wieder neue Jobs oder Berufsbilder kreiert, Paradebeispiel: Prompt-Specialist. Ein Multimediaelektroniker meinte nach dem Event gegenüber der «Zürcher Wirtschaft», dass das Planen, Installieren und Programmieren elektronischer Geräte und Systeme wohl auch irgendwann von KI übernommen werden könnte.

Nimmt KI uns die Arbeit weg?

In der Fragerunde zeigte sich, dass angesichts aller möglichen Anwendungen eine frühe Eingrenzung sinnvoll ist. So riet Eugster, auf langfristige, bewährte Unternehmen zu setzen – etwa auf Microsoft oder auf Google. «Man muss sich irgendwann für ein Ökosystem entscheiden, nicht immer die Plattformen wechseln.»

Wer die digitale Zukunft mitgestalten wolle, brauche Offenheit, Lernbereitschaft und Weiterbildung im Umgang mit KI – und vielleicht bald einen CDO (Chief Digital Officer) im Team. Denn am Ende werde nicht die KI selbst den Job kosten, «sondern Menschen, die sie besser nutzen». KI und Roboter nähmen uns die Arbeit nicht weg – sondern ab.

Auch ethische Fragen und Datenschutz wurden angetippt: KI-Anwendungen sollten in Unternehmen geschützt und verantwortungsvoll eingesetzt werden, so Eugsters Rat. Gemäss Verkaufsleiter Thomas Möckli ist es wichtig für ein Unternehmen wie Swisscom, Daten zu klassifizieren – was ist öffentlich, was soll privat, geheim bleiben? Swisscom nutze auch KI-Tools. Aber die KI für Unternehmen müsse in einem geschützten Bereich verwendet werden und dürfe nicht von aussen zugänglich sein.

Bei allem Optimismus sieht Eugster ein weiteres Risiko: Viele Inhalte sind schnelllebig und von Oberflächlichkeit geprägt. Beispiel: TikTok. Das konditioniere junge Menschen der Generation Alpha. «Sie sind gar nicht in der Lage, etwas länger zu beobachten.» Da laufe man Gefahr, etwas generieren zu lassen, «und es dann gar nicht mehr anzuschauen». Daher sehe er ein Risiko darin, dass die jüngeren Generationen Codes, Texte und Output generell nicht zur Genüge prüften. «Nicht, dass sie ein Eigenleben annehmen.»

Beim Frühstücksbuffet wurden die Themen von den Teilnehmenden dann vertieft. Daneben hatte Swisscom auch eine Experteninsel eingerichtet. «Überraschenderweise steht da ein realer Mensch, Alessio», meinte Thomas Möckli mit einem Augenzwinkern.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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