«Ich bin überzeugt, dass es Taktik ist.»

Mit einem gewaltigen Zollpaket will Präsident Trump die US-Wirtschaft ankurbeln. Mit Folgen für die Handelspartner: Für die Interessen von Schweizer KMU setzt sich auch Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer Swiss AmCham in Zürich ein.

Bild zvg

Rahul Sahgal, seit 2024 CEO der Schweiz-Amerikanischen Handelskammer AmCham, ist nicht beunruhigt durch den Zoll-Schock aus den USA.

Rahul Sahgal, wenn Sie heute auf Trumps sogenannten «Liberation Day» zurückblicken: War vieles heisse Luft, was er angekündigt hat? Die Schweiz wird ja jetzt bei 10 Prozent hingehalten. Oder ist es eine geniale Taktik, um Zugeständnisse auszuhandeln und Druck auszuüben?

Rahul Sahgal: Ich bin überzeugt, dass es Taktik ist. Denn nun kommen die einzelnen Länder proaktiv auf die USA zu und wollen verhandeln. Unsere grösste Angst ist ja, dass auf Schweizer Importware 31 Prozent Zölle erhoben werden. Es stand in Trumps Skript, dass in den 90 Tagen mit der US-Administration neue Bedingungen ausgehandelt werden. In einer regulären Freihandelsverhandlung ist ein Prozess iterativ, das heisst man geht Produkt für Produkt, Branche für Branche durch. Dieser Prozess dauerte ja bei Indien 16 Jahre. So gesehen, ist das Vorgehen aus Trumps Sicht viel effizienter und beschleunigt einiges.

Die Schweizer Pharmaindustrie wird isoliert betrachtet von der US-Administration. Sie kündigte an, in den USA mehr produzieren zu wollen. Hat das also Einfluss aufs Verhandlungsresultat?

Sahgal: Ich denke schon. Investitionen kann und will die Schweiz ja tätigen, wie der Bundesrat ankündigte. Wenn also Firmen konkrete Ankündigungen machen, dann zementiert dies, dass solche Absichtserklärungen Hand und Fuss haben. Das unterstreicht die Glaubwürdigkeit dessen, was wir als Land anbieten können.

Es gab eine Untersuchung zur «Section 232» des Trade Expansion Act, bei welchem unter anderem der Einfluss der Pharmaindustrie auf die nationale Sicherheit analysiert wird. Wir wissen noch nicht, ob diese positiv endet für die Branche. Es ist komplex: Die Produktion gewisser Medikamente lässt sich nicht einfach in die USA transferieren. Hier hohe Zölle einzufordern, würde die Preiserhöhungen dieser Produkte 1:1 auf die amerikanischen Konsumenten überwälzen – statt die Medikamentenpreise zu senken.

Hat die Schweiz einen besseren diplomatischen Draht zu den USA als andere Länder? Bereits mehrere Gespräche mit der Administration Trump konnten Karin Keller-Suter und Guy Parmelin kurz nach Ankündigung der Zölle erreichen.

Sahgal: Es ist ein komplexes Zusammenarbeiten zwischen dem Bund, sprich: der Regierung in Bern, der Verwaltung, uns und weiteren Instanzen und Organisationen. Wir arbeiten sehr agil. So haben wir etwa seitens der Wirtschaft Eingaben zu den Pharmazöllen gemeinsam mit dem Seco und anderen (Branchen-)Verbänden angepackt. Wir stehen in engem Austausch.

Ich glaube, dass es von Vorteil war, dass Bundesrat Parmelin mit dem US-Handeslbeauftragten2 Jameson Grier sprechen und so die Situation der Schweiz erörtern konnte, beispielsweise, dass die Schweiz keine Industriezölle erhebt und so 99% der US-Produkte zollfrei in die Schweiz kommen. So befanden die Amerikaner: Mit denen kann man reden. So kam es dann wohl zum Telefonat zwischen Donald Trump und Karin Keller-Sutter. Das unmittelbare Ziel ist einfach, einen Deal zu finden, um nicht die 31 Prozent schlucken zu müssen. Diese Gefahr könnte mit einer Absichtserklärung, dem «Letter of Intent» gebannt werden.

Sie haben viel Erfahrung in Diplomatie und sagten, dass Sie in Ihren Netzwerken aktiv lobbyieren für die Interessen der Schweiz. Wo und mit welchen Verhandlungspartnern stehen Sie in Kontakt?

Sahgal: Der Swiss AmCham sind ja 1500 Mitgliedsfirmen angeschlossen. Investments, die der Bund nun in den USA verspricht zu «tätigen», werden auch über diese Firmen geleistet. Und diese vertreten wir. Das zweite grosse Thema im Austausch mit den USA ist die Berufsausbildung, welche auch über diese Firmen geleistet wird. Der Bund kann also keine Versprechen machen, ohne Rücksprache mit den Exportfirmen zu nehmen.

Kann Bildung bei diesen Verhandlungen also tatsächlich eine Rolle spielen? Kann das Schweizer Berufsbildungssystem – neben den angeblich 400 000 in den USA geschaffenen Arbeitsplätzen – in die Waagschale geworfen werden?

Sahgal: Nebst den Investitionen ist das wahrscheinlich der wichtigste Teil unseres Austausches. Die USA wollen ihr Land ja reindustrialisieren, haben dafür aber keine ausgebildeten Arbeitskräfte. Ohne diese werden sie die industrielle Revolution nicht schaffen. Die Bildungsministerin Linda McMahon meinte bei ihrem Amtsantritt sinngemäss auf X, dass die Berufsausbildung nach dem Modell der Schweiz Grundstein für erfolgreiche Karrieren ist. An der Frühlingstagung traf sie auch Guy Parmelin. Und diese Gespräche sind für die Verhandlungen sehr wichtig. Die Schweiz kann da etwas bieten und unterstützend wirken, wie fast kein anderes Land.*

*Die Schweiz und die USA intensivierten in den letzten Jahren ihre Zusammenarbeit in der Berufsbildung. Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat dazu Ende 2024 in Washington eine neue Absichtserklärung unterzeichnet, die Red.

Der Bund kann keine Versprechen machen, ohne Rücksprache mit den Exportfirmen zu nehmen.

Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer AmCham

Sie arbeiteten ja jahrelang als Diplomat mit der Administration Trump zusammen. Überrascht sie die Geschwindigkeit einschneidender Entscheide gegenüber der letzten Amtszeit?

Sahgal: Für mich war schon im Vornherein klar, dass gewisse Massnahmen sehr schnell eingeführt werden– was er mit seinen Executive Orders ja zeigt. Wenn er jetzt die unangenehme Zolldiskussion anregt, hat er noch etwas Zeit bis zu den Midterm-Wahlen im November 2026. Im September, Oktober 2025 könnte er erste Resultate präsentieren. Kommen noch Steuersenkungen hinzu, könnte er aus amerikanischer Sicht relativ erfolgreich sein bis Ende Jahr. So gesehen, ist das Tempo konsequent und logisch.

Trotzdem: Wird er diese Krise an den Börsen und eine allfällige Rezession als Folge der Zollpolitik, als Anwalt der einfachen Leute überleben? Die Zustimmungsraten zu Trump sind ja doch überraschend tief.

Sahgal: Die Frage der Rezession scheint vorerst gebannt. Und politisch steht Trump nicht vor einer Wiederwahl. Er muss aber zusehen, dass die Republikaner die Midterms (Wahlen Repräsentantenhaus) gewinnen. Oft verlieren die Präsidenten, wenn sie beide Kammern die Mehrheit haben, das Repräsentantenhaus in den Midterms. Zweitens wird er auch dann weiterhin per Executive Orders weiter regieren können.

Ich glaube, er gewichtet im Moment seine politischen Ziele höher als Popularität. Gewisse Ziele bringt man nicht durch, indem man immer nur populär ist.

Rund 13% der Zürcher Güterexporte (2 Milliarden Franken jährlich) sind von den US-Zöllen betroffen. Nach Deutschland werden aber doppelt so viele Waren (25%) exportiert wie in die USA (12%). Was hören Sie von Zürcher Unternehmen?

Sahgal: Es gibt viele grosse Unternehmen im Raum Zürich. Die Fragen sind ungefähr dieselben wie in anderen Regionen.

Wird das Resultat für den Schweizer Export besser als die angedrohten 31 Prozent?

Sahgal: Ich bin optimistisch, ja. Aber es ist noch nichts in trockenen Tüchern. Es war eine sehr einfache Rechnung der US-Regierung, um erste Zahlen in Umlauf zu bringen. So brachte man wie erhofft einiges in Bewegung. Nun werden während der 90-Tage-Periode neue Aspekte in Betracht gezogen.

Ich glaube, für die meisten Unternehmen ist einfach die Ungewissheit der Zolldiskussion derzeit am schwierigsten. Ob es die erste «man-made recession» sein wird? Das muss sich weisen. Fakt ist: seit Jahren sind die USA die einzige globale Wachstumslokomotive, von der die Schweiz profitierte. Deshalb ist das bilaterale Verhältnis für die Schweiz auch immer wichtiger geworden.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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