Der Röstmeister und die Pitch-Fallen
Sechs Startups präsentierten bei «Roast my Pitch» im Innovationspark in Dübendorf ihre Geschäftsideen. Der Pitch-Doctor Christoph Sollich kommentierte ihre Kürzestpräsentationen – unzimperlich und direkt.
21. März 2025 Mark Gasser
Christoph Sollich (links) mit Organisatorin und Moderatorin Anouk Braune.
Pitch-Doctor Christoph Sollich (links) hört der Präsentation des ETH-Studentenprojekts «Cellsius» zu.
Pitch-Doctor Christoph Sollich vor dem Publikum im Innovationspark Dübendorf.
Pitch-Doctor Christoph Sollich vor dem Publikum im Innovationspark Dübendorf.
Fünfminütige Präsentationen einer Geschäftsidee, sogenannte Pitches, müssen nicht nur Eingeweihte und Spezialisten ansprechen. Sie können, ja sollten, auch maximal unterhaltsam sein. Der Konjunktiv verrät aber: Das ist bei weitem nicht bei jedem Pitch der Fall. Doch beim Community-Event «Roast my Pitch» im Innovationspark in Dübendorf war man mehrheitlich unter Freunden – und die Analyse stets mit einer Prise Humor gewürzt. «Roasten» bedeutet, derb und spöttisch jemanden zu kritisieren – oder zu loben. Nach je 5 Minuten für einen Pitch sollten jeweils 5 Minuten «Roasting» folgen – was in der Praxis dann aber eher Wunschdenken blieb. Obwohl Organisatorin, Moderatorin und Innovation Community Builder Anouk Braune als «Bad Cop» regelmässig auf die Zeit hinwies.
Beginnen wir von hinten. Der «Röstmeister» selber, Christoph Sollich, als «Pitch-Doctor» bekannt, präsentierte seine «Hausmischung»: Die Dos und Don’ts des Pitchens anhand eines fiktiven Beispiels eines Startups. Sollich gab einige Beispiele von «Pitching im Alltag» – stets auf Englisch, versteht sich. Strassenmusiker oder Marktschreier müssten durch Pitches ihr Publikum überzeugen. Der «essenziellste Pitch ever»: der Heiratsantrag. Kurzum: «Life’s a Pitch» – Ideen verkaufen gehört zum Leben, so Sollich sinngemäss.
Startup-Parodie als Beispiel
Sollich hat in 13 Jahren als Pitch Coach Hunderte Konzerne und Startups beraten. «Das Problem ist: Die Pitches sind oft ähnlich», berichtete er. Anhand der fiktiven Mobility-Firma Pöny («wie E-Scooter, nur mit Ponys») kam er zu den wichtigsten Regeln, welche die sechs Vorredner (s. Box) mehr oder weniger gut umgesetzt hatten.
Zunächst müsse man sich stets fragen: Wen will ich mit meinem Pitch ansprechen, und was sind meine Ziele? Ferner muss ein Pitch Leidenschaft ausstrahlen, entsprechend Emotionen triggern und nicht möglichst viele Informationen vermitteln – weniger ist mehr. «Das wichtigste Organ beim Pitch ist das Herz.»
Grundlegendes muss sofort geklärt werden: Welches Problem soll mit der Geschäftsidee gelöst werden, warum ist sie die Lösung dafür? Alternativen sollen dabei als Teil des Problems ebenfalls erwähnt werden – sonst blieben Fragen offen. In diesem Kontext gelte auch: Zeigt eure Erfolge. Statt bei erster Gelegenheit um Geld zu betteln, sind ferner nur Hinweise gefragt, wo und wie man mehr zum Startup erfahren kann. Analog sei es ein No-Go, über die eigene Person (statt die Idee) zu prahlen. Auch inflationär genutzte Begriffe wie «disruptiv» sind in der Startupszene mittlerweile verpönt, weil klischiert und repetitiv.
«Keine Bullshit-Slides»: In vielen Fällen kämpften die Referenten oft um Aufmerksamkeit mit überladenen, komplexen Grafiken oder utopische Umsatzprognosen. So riet er: ein Gedanke pro Slide.
Im Bereich Innovation ist das Pitchen eine zentrale Aufgabe. Die Qualität eines Pitches entscheidet oft darüber, ob ein Projekt oder Startup erfolgreich wird und Investoren überzeugt. Das muss aber keine trockene Lernübung sein, findet Anouk Braune. «Meine Mission bei meinen Eventformaten ist es immer, durch Humor zu lernen», meint sie.
Die 6 «geroasteten» Startups und ihre Pitches
- Jeremia Geiger, Co-Lead des ETH Feasibility Lab: Er versuchte überzeugend aufzuzeigen, wie durch die Etablierung eines disruptiven «Exploration Center» die Schweiz ihre Innovationsrate innert eines Jahrzehnts verdoppeln kann.
- Mit einem starken Aufhänger, aber etwas (zu) viel Fachwissen wartete Dirk-Jan van Manen auf. Der Senior Research Scientist am Centre for Immersive Waves Experimentation der ETH kündigte an, dass «die nächste Schallgrenze im Metaverse», die sein Startup nun durchbrechen werde, der Klang sei. Im Laboratorium in Dübendorf gelingt es auf kleinstem Raum, Klangwellen zu simulieren, um sie dann digital in die Augmented/Virtual-Reality-Anwendungen zu integrieren.
- Stephanie Feeney, Co-Founder des Startups DNAir, stellte einen Prototyp eines DNA-Sensors vor, der es möglich macht, die Biodiversität vor Ort zu testen – inklusive der vorhandenen Spezies. Die Idee: Satellitendaten werden über eine Software mit individuell vor Ort erhobenen Daten bereichert.
- Michael Tester, Head of Sensor Design bei Angst + Pfister, stellte einen kompakten, robusten Sensor mit eingebautem Anti-Vibrations-Element für die Messung schwerer Ladungen vor. Für Pitching-Coach Sollich blieb dessen Funktionsweise und Zweck etwas unklar.
- Daniel Dietrich, Co-Gründer der Softwarelösung Vamoz.io, gab das Ziel in einem Satz preis: «Wir sind ein One-Stop-Shop für Remote Work.» Die Firma bietet bereits Abo-Modelle je nach Unternehmen und Angestelltenzahl.
- Andres Neff vom Studentenprojekt «Cellsius» der ETH zeigte auf, wie ein Kleinflugzeug mit Wasserstoff zum Fliegen gebracht werden soll. «Wir bauen ein Flugzeug, das Null Gramm CO₂ verbraucht.» Das modifizierte Flugzeug steht in einem Hangar im Innovationspark. Man spürte, dass Neff fürs Projekt brannte. Sollich vermisste aber unter anderem einen Vergleich mit E-Flugzeugen.
Überhaupt kommentierte Sollich so einiges – manches positiv, vieles aber auch kritisch: So solle sich niemand kleiner machen, als er ist, und sich beim Publikum bedanken fürs Zuhören. «Wer sagt nach dem Sex danke?» Dann riet er, Spannung aufzubauen, statt alles auf einmal aufzulösen. In mehreren Fällen vermisste er einschlägige Visualisierungen, kritisierte überladene Slides, zu trockene und emotionslose Präsentationen, zu wenig prägnante Zuspitzungen auf einprägsame Kernsätze und Innovationen.
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
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