Behörden verschleppen Sanierungen

40 Prozent der Energie in der Schweiz frisst der Gebäudepark. Die Sanierungsquote ist aber tief. Einer der Hauptgründe dafür ist der Spiessrutenlauf bis zur Baubewilligung.

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Der Weg zur Photovoltaikanlage ist – auch auf Altbauten – hürdenreich

Das Durchschnittsalter der Schweizer Häuser liegt bei 45 Jahren, ein Teil stammt sogar aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. 1,5 Millionen Häuser müssten dringend saniert werden. Isolierung, Dämmung, CO2-Ausstoss oder irgendwelche Klimaziele waren beim Hausbau in den 60er- und 70er-Jahren noch kein Thema. Und weil sich die Heizölpreise auf einem rekordtiefen Niveau befanden, störte es auch nicht besonders, wenn die Wärme aus den Fensterritzen oder den dünnen Wänden entwich – man konnte ja die Heizung noch etwas aufdrehen. Das Einsparpotenzial ist gross: 40 Prozent der Energie in der Schweiz schluckt der gesamte Gebäudepark. Eine schnelle Lösung könnte also sein, die Häuser möglichst schnell zu sanieren. Doch die Bereitschaft dazu hält sich in Grenzen: Die Sanierungsquote liegt heute bei gerade mal einem Prozent – bei diesem Tempo ginge es fast 100 Jahre, bis alle den heute möglichen hohen nachhaltigen Standard erreicht hätten.

Bevormundung durch Behörden

Und warum geht es in der Schweiz nicht schneller vorwärts? Klipp und klar formuliert es Maximilian Müller, Leiter Baumanagement des Zürcher Hauseigentümerverbandes Zürich: «Der Grund dafür ist die Bevormundung durch die Behörden.» Entschliesse sich ein Eigentümer, beispielsweise in eine Fotovoltaik-anlage zu investieren, beginne ein regelrechter Spiessrutenlauf. Wage er es trotzdem, könne die Erteilung der Baubewilligung bis zu dreiviertel Jahre dauern. Und die Bewilligungsverfahren beim Bau von Energieanlagen für grössere Projekte ziehen sich oft über Jahre dahin und werden auch regelmässig blockiert. «Das Problem ist, dass die Vorgaben der Gemeinden eingehalten werden müssen, das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden darf und bei älteren Objekten sich auch noch der Denkmalschutz einmischt», ergänzt Müller. Und das nicht nur bei Bewilligungsverfahren für Sonnenenergieanlagen, sondern auch bei Sanierungen und Umbauten generell – bis hin zur gewählten Farbe des Gebäudes. Dabei müsse man sich vor Augen halten, dass es immer auch um die Einmischung ins persönliche Eigentum gehe. Das schrecke viele Immobilienbesitzer ab. Patrick Blum, Geschäftsführer der Blumbau AG in Wallisellen, bestätigt diesen Eindruck. «Für Planer und Architekten ist es tatsächlich oft schwierig, die Anforderungen der Behörden umzusetzen.» Ausserdem müsse ein Hausbesitzer bereits in der Planung in die Vorleistung gehen und viel Geld investieren – das könnte auch ein Grund sein, dass es nicht schneller vorwärtsgehe.

Kunden nicht optimal beraten

Als Unternehmer, der die Sanierung auf der Baustelle umsetzen müsse, kämpfe er aber noch mit anderen Problemen. Bei der Planung werde der Kunde oft nicht optimal beraten, wenn es um die beste Lösung für sein Objekt gehe. «Das hat auch mit dem Fachkräftemangel zu tun; vielen Planern fehlt die fachliche Kompetenz für eine souveräne Arbeitsvorbereitung. Mit der Folge für uns, dass wir auf der Baustelle etwas ganz anderes antreffen als erwartet», sagt Patrick Blum. Seine Kernbotschaft sei, dass untereinander besser kommuniziert und realitätsnäher geplant werden müsse. Also keine Fantasievorgaben der Behörden und Planer, sondern eine fachmännische Projektleitung vor Ort, die sich auf der Baustelle für die Unternehmer ohne grossen Zeitverlust einsetzt. Das günstigste Angebot sei nicht immer das rationellste.

Sanierung lohnt sich

Dabei ist es nicht so, dass sich Hausbesitzer grundsätzlich sträuben, ihre Liegenschaften zu sanieren und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Eine Sanierung, die durch die Fördergelder vom Staat mitfinanziert wird, kann sich schliesslich langfristig lohnen. Durch energetische Sanierungsmassnahmen können die Nebenkosten deutlich reduziert werden – über Jahre hinweg rechnet sich das. Zudem sind modernisierte und energieeffiziente Gebäude auf dem Immobilienmarkt oft gefragter und erzielen in der Regel höhere Verkaufspreise. Auch die langfristigen Instandhaltungskosten können durch eine Sanierung gesenkt werden, da gut erhaltene Gebäude weniger Reparaturen und Renovierungen benötigen. Ein Ersatzneubau ist lange nicht so ökologisch wie eine Sanierung.

9,5 Milliarden Investitionen

Die Zahl, die vom Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) ermittelt wurde, ist eindrücklich: Allein seine Mitglieder investieren schweizweit jährlich rund
9,5 Milliarden Franken in den Unterhalt und die Erneuerung, insbesondere in die energetische Sanierung ihres Wohneigentums. Eine Zahl, die sich noch steigern könnte, würden sanierungswillige Eigentümer durch den Weg durch die Instanzen nicht abgeschreckt. Denn es ist auch Eile angesagt: Wie man weiss, hat sich die Schweiz im Rahmen des Pariser Klimaübereinkommens verpflichtet, bis 2030 ihren Treibhausgasausstoss gegenüber dem Stand von 1990 zu halbieren. Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse des Weltklimarates hat der Bundesrat an seiner Sitzung im August 2019 entschieden, dieses Ziel zu verschärfen: Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz netto keine Treibhausgasemissionen mehr produzieren. Die schnelle Sanierung des Gebäudeparks könnte dafür einen grossen Beitrag leisten.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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