Wo stehen wir im Branchenvergleich?
KMU und Gewerbe gehen mit ihren Geschäftszahlen in der Regel nicht hausieren. Das macht es für sie aber auch schwierig abzuschätzen, wie sie im Vergleich mit den Mitbewerbern unterwegs sind. Treuhandprofis können mittels der Gewerbestatistik aussagekräftige Branchendaten beschaffen. Zwei Fallbeispiele.
25. Oktober 2024 Nicole von Reding-Voigt
Wo gibt es im Gastrobetrieb Spielraum, um die Kosten zu senken? Ein Blick in die Gewerbestatistik kann hier helfen.
Wenn Gastrounternehmerin Monica Bachmann ihren provisorischen Jahresabschluss durchsieht, wird sie das Gefühl nicht los, dass die Personalkosten in ihren drei Restaurants zu hoch sind. Auch ihre Beschaffungskosten sind erneut gestiegen. Gleichzeitig nimmt ihr Liquiditätspolster schleichend ab, während ihre Fremdkapitalschulden unverändert zu verzinsen und zu amortisieren sind. Ist das alles noch gesund? Wo gibt es Spielraum, um die Kosten zu senken? Und ist es angesichts der aktuellen Zahlen eine gute Idee, einen vierten Betrieb zu übernehmen, der ihr kürzlich an-geboten wurde? Für die Beantwortung ihrer Fragen und die Optimierung ihrer betriebswirtschaftlichen Situation wäre es für Unternehmerin Bachmann eine Hilfe, wenn sie wüsste, wie sie mit ihren Zahlen und ihren Fragen im Branchen-vergleich dasteht.
Reichhaltiger Datenpool
Aussagekräftige Antworten auf viele ihrer Fragen lassen sich aus der Gewerbestatistik herausfiltern. Dieser vom Schweizerischen Gewerbeverband betreute Datenpool umfasst Unternehmens- und Finanzkennzahlen von 7000 Unternehmen aus 90 Branchen. Die Aktualität der Zahlen und die Erfassung über einen langjährigen Zeitraum sind gewährleistet, weil hier das Prinzip «Geben und Nehmen» gilt. Das heisst, die Nutzer – allen voran Treuhand-unternehmen – aktualisieren den Datenbestand fortlaufend, indem sie Jahresabschlussdaten ihrer Mandanten anonymisiert einspeisen. Im vorliegenden Fall ermöglicht es der Datenpool der Gewerbestatistik der Treuhänderin von Gastrounternehmerin Bachmann, die Kennzahlen aus dem provisorischen Jahresabschluss den Branchenwerten gegenüberzustellen.
Analyse und Vergleich der Zahlen
Analyse und Vergleich der Zahlen machen sichtbar, wie die Erfolgsrechnung von Unternehmerin Bachmann im Branchenvergleich steht. Eine Erkenntnis: Die durchschnittlichen Lohnkosten ihrer 2 Mitarbeitenden sind sogar leicht tiefer als der Branchendurchschnitt. Problematisch scheint hingegen der erzielte Umsatz pro Mitarbeiter. Er liegt rund 12 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Ausgehend von dieser Erkenntnis kann sie nun prüfen, ob ihr Personal-bestand zu hoch ist oder ob sie mit ihren Preisen zu tief liegt. Wie sich zeigt, liegen auch die Verhältniszahlen zwischen Eigenkapital, Fremdkapital und Umsatz bei Bachmann leicht über dem Branchendurchschnitt. Hingegen ist der Schuldzins, den sie an ihre langjährige Haus-bank bezahlt, dank gut ausgehandelten Konditionen deutlich tiefer als bei den meisten Mitbewerbern. Das ist eine gute Ausgangslage für die Finanzierung des vierten Betriebs.
Trumpf für die Finanzierung
Wie ein Unternehmen im Branchenvergleich dasteht, ist schon bei der Gründung relevant. Wer neu anfangen will, ist in der Regel auf Geldgeber an-gewiesen. Da braucht es einen aussagekräftigen Businessplan. Dieser gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn die Plausibilität der aufgeführten Zahlen im Branchenkontext dargelegt werden kann. Nehmen wir als Beispiel die Brüder Alex und Luca Schneider. Sie wollen sich nach einigen Berufsjahren als Anbieter für Elektroinstallationen selbständig machen. Ihren Schwerpunkt sehen sie bei Photovoltaikanlagen. Die Nachfrage auf diesem Gebiet ist gross und sie zielen mit ihrem Businessplan auf zügiges Wachstum ab. Sie streben an, über zehn Jahre verteilt ein Team von rund 20 Mitarbeitenden aufzubauen.
Personalkosten
Die Personalkosten, die sie für die ersten drei Jahre einsetzen, stimmen mit dem gegenwärtigen Branchen-durchschnitt für qualifiziert Kräfte überein, wie sich mittels Gewerbestatistik herausstellt. Für die nächsten sieben Jahre erhöhen sie diesen Wert schrittweise. Ihre Annahme ist, dass die Personalkosten angesichts des Fachkräfte-mangels markant ansteigen werden. Wie stark sich dies bewahrheitet, werden sie in den Folgejahren (auch) anhand der Gewerbestatistik kontinuierlich beobachten können. Die Kosten, welche die Gebrüder Schneider im Businessplan für Investitionen in Sachanlagen veranschlagen, erweisen sich beim Vergleich mit den gegenwärtigen Branchendaten als überdurchschnittlich. Gleichzeitig werden ihre Annahmen, dass der Branchenumsatz und die Bruttomargen in den nächsten Jahren weiter zunehmen durch die Branchenzahlen der Gewerbestatistik für die vergangenen vier Jahre plausibilisiert. Das ist eine Bestätigung ihrer Annahmen und ein weiteres gutes Argument, um ihre Geldgeber zu überzeugen.
www.gewerbestatistik.ch
Nicole von Reding-Voigt
Vorstandsmitglied des Schweizerischen Treuhänderverbands
TREUHAND|SUISSE, Sektion Zürich.
Ihre Meinung ist uns wichtig
Das Thema ist wichtig.
Der Artikel ist informativ.
Der Artikel ist ausgewogen.
Anzeige