Die Geschichte der Mehrwertsteuer

Die Mehrwertsteuer hat seit ihrer Einführung ihrer Vorgängerin, der Warenumsatzsteuer, den gleichen Zweck: Sie muss Finanzlöcher stopfen.

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Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes schlägt auf die Konsumentenstimmung.

Um das Budget des Bundes ins Lot zu bringen wurde die Warenumsatzsteuer, die Vorgängerin der Mehrwertsteuer, 1941 auch eingeführt. «Die Schweiz ist einem Budgetgleichgewicht im ordentlichen Finanzhaushalt ferner denn je», schrieb der Bundesrat seinerzeit in seiner Botschaft ans Parlament. Dieser Appell könnte auch von der heutigen Finanzministerin stammen. Das Geld wurde während dem 2. Weltkrieg dringend für die steigenden Militärausgaben und die Bundeshilfe für notleidende Wirtschaftszweige benötigt.

Die Ägypter haben es erfunden

Steuern sind keine Erfindung der Neuzeit. Es waren die ägyptischen Pharaonen, die im 3. Jahrhundert vor Christus als erste auf die Idee kamen, Geld aus dem Volk einzutreiben, um damit öffentliche Einrichtungen und Kriege zu finanzieren. Sie verlangten von ihren Untertanen Abgaben auf die Ernten und erhoben Zölle. Später führten auch die Römer, die chinesischen Herrscher, die Griechen und die Assyrer Abgabesysteme ein, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Doch erst als die Geldwirtschaft eingeführt wurde, entstand ein Besteuerungssystem, das dem heutigen ähnelt.

Auf Schweizer Gebiet ist um 1800 der sogenannte Zehnt mit der heutigen Einkommensteuer vergleichbar. Der zehnte Teil der wirtschaftlichen Erträge musste an die Pfarrkirchen abgegeben werden. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurde dieser in den verschiedenen Kantonen zu unterschiedlichen Zeiten endgültig abgeschafft.

Als weiterer Meilenstein sagten am 28. November 1993 Volk und Stände Ja zu einer neuen Finanzordnung und befürworteten gleichzeitig die Einführung einer Mehrwertsteuer (MwSt) als Ersatz für die in die Jahre gekommene Warenumsatzsteuer. Sie trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Um die Wirtschaft zu entlasten, wurden Investitionen nicht mehr besteuert; als Kompensation dafür aber neu Dienstleistungen. Der Systemwechsel von der Wust zur MwSt war vor allem auf die Etablierung der Mehrwertsteuer in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU zurückzuführen.

Kein Mehrwert für Konsument

Konsumentinnen und Konsumenten werden sich vielleicht über die Bezeichnung «Mehrwert» etwas wundern, weil ihr Einkommen dadurch nicht mehr, sondern weniger wert ist. Die «Wertsteigerung», also die Steuer auf dem Nettopreis eines Produktes oder einer Dienstleistung, wird bei ihnen über den Verkaufspreis direkt eingezogen. Die Haushalte verlieren also an Kaufkraft und damit die Wirtschaft und das Gewerbe an Umsatz. Die letzte Erhöhung des Steuersatzes um 0,4 Prozent auf dieses Jahr hin belastet die Haushalte durchschnittlich mit 200 Franken pro Jahr.

Umgehen können die Konsumentinnen und Konsumenten die Mehrwertsteuer, indem sie über der Grenze einkaufen. Gerade in der Ostschweiz macht der Einkaufstourismus den Läden das Leben schwer. Die Einkaufstouristen umgehen mit ihrem Einkauf im grenznahen Ausland nicht nur die Schweizer Mehrwertsteuer. Absurderweise können sie auch die deutsche Mehrwertsteuer zurückverlangen. Schweizerinnen und Schweizer kaufen jedes Jahr für rund 8 Milliarden Franken im Ausland ein. Geld, das den hiesigen Detailhändlern in der Kasse fehlt.

Steuersatz in der EU höher

Der Staat greift den Unternehmen und Privatpersonen in der Schweiz tief in die Taschen – allerdings zeigt ein Blick über die Grenzen, dass es noch schlimmer sein könnte. In der europäischen Union gilt für alle Länder für die Warenumsatzsteuer ein sogenannter Normalsatz, der für die meisten Umsätze gilt und 15 Prozent nicht unterschreiten darf. Für besonders gesellschaftsrelevante Dienstleistungen gilt ein ermässigter Satz von 5 Prozent – dafür ist allerdings eine EU-Genehmigung nötig. In der Praxis bedeutet das: Jedes Land hat unterschiedliche Regelungen. Die EU-Bürokratie sorgt damit für ein Chaos, das die Mitgliedstaaten bereits als Mehrwertsteuer-Wahnsinn anprangern. Eine Regelung von vielen: Wer ein Buch auf Papier lesen will, bezahlt den ermässigten Satz von 7 Prozent, wer es elektronisch liest, wird mit 19 Prozent Warenumsatzsteuer bestraft.

Die Geschichte der Mehrwertsteuer in der Schweiz zeigt, wie politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen zu einem komplexen Steuersystem geführt haben. Den Politikerinnen und Politikern muss klar sein, dass jede Erhöhung des Steuersatzes eine Kettenreaktion auslöst, deren Folgen vorab schwer einzuschätzen sind. Wird sie von den Unternehmen auf die Konsumenten abgewälzt, verfügen diese über weniger Kaufkraft. Wo eine volle Überwälzung an die Endverbraucher nicht möglich ist, entstehen höhere Kosten. Diese führen zu Kostensenkungsprogrammen der Unternehmen, im Extremfall zu Entlassungen, weniger Umsatz und damit auch zu Ausfällen bei den direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie bei der Mehrwertsteuer selbst.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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