Verbot bringt Gärtner auf die Palme

Die Tessinerpalme wird ab September verboten sein. Die invasive Pflanze soll nicht weiter die heimischen Arten konkurrenzieren, befand der Bundesrat. Was Gartenbauer aber stört: In der Deutschschweiz ist die Palme kaum verbreitet. KGV-Ausschussmitglied Urs Remund spricht gar von botanischem Rassismus.

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Die Tessinerpalme ist aus der Postkartenidylle des Tessins (hier: Ascona) kaum wegzudenken.

Sie sind die botanische Verkörperung der Italianità, aus dem Tessin fast so wenig wegzudenken wie der Tannenbaum an Weihnachten: Die chinesische Hanfpalme, hierzulande bekannt als Tessinerpalme. Bald fristet sie aber ein illegales Dasein und dürfte so zwangsmässig auch schleichend aus der Postkartenidylle in der Südschweiz verschwinden: Ab September dürfen nämlich Tessinerpalmen, so will es der Bundesrat, weder verkauft noch verschenkt, gepflanzt oder gezüchtet werden.

Die Pflanze ist vom Bundesrat auf den Index der invasiven Neophyten gesetzt worden. Zwar dürfen bestehende Pflanzen erhalten bleiben, neue allerdings sind verboten. Der Grund für das Verbot: Die ursprünglich aus Fernost eingeführte Tessinerpalme gedeiht im milden Klima wunderbar – im Gegensatz zu anderen Baumarten wie der Kastanie. So breitet sich die Tessinerpalme mittlerweile nicht nur in Vorgärten oder Parks aus, sondern wächst auch in Wäldern. Kurzum: Die Palmen, die in den letzten 50 Jahren in Gärten gepflanzt wurden, haben sich im Süden stark vermehrt und verdrängen mancherorts einheimische Pflanzenarten. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL untersuchte die Folgen dieser Invasion und schlug Massnahmen zur Eindämmung vor. Worauf der Bundesrat die Palme dann kurzerhand auf die «Abschussliste» nahm. Invasive Pflanzen dürfen ab dem 1. September nämlich nicht mehr verkauft, verschenkt, gepflanzt und gezüchtet werden.

Extremes Verdikt wegen Samen

Urs Remund, Präsident des Bezirksgewerbeverbands Bülach und KGV-Vorstandsausschussmitglied, ist seit Jahrzehnten mit seiner Frau Corinne in der Gartenpflege und im Blumengeschäft in Wallisellen tätig. Er beurteilt das bundesrätliche Verbot als weiteres Beispiel für die Bürokratisierung in der Branche. Dabei sei der Hype um die Tessinerpalme und deren Verbot nur die Spitze des Eisbergs. «Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat einmal mehr übers Ziel hinausgeschossen. Wahrscheinlich weil die Tessinerpalme nicht den Vorstellungen von Grünpflanzen und Gehölzen der Beamten in ebendiesem Bundesamt entspricht.» Palmenzüchter kritisieren unter anderem die kurze Frist bis zum Inkrafttreten des Verbots.

Ich nenne das botanischen Rassismus.

Urs Remund, Präsident Bezirksgewerbeverband Bülach, Blumen Remund, Wallisellen

Die Hanfpalme könne wirklich zum Problem werden, wenn sie nicht fachgerecht gepflegt werde. Doch dagegen gebe es eine einfache Lösung: «Die Blütenstände sind vor der Beerenreife zu entfernen und im Kehricht zu entsorgen.» Das invasive Verhalten der Hanfpalme sei mit dem Abschneiden der Blütenstände erledigt. Stattdessen werde die Palme undifferenziert, praxisfremd und mit wenig Vorwissen verboten. «Ich nenne das botanischen Rassismus», so Remund.

Auch in anderen Medien wird das harsche Vorgehen des Bundes kritisiert: So sagte etwa der Präsident des Tourismusvereins der Berner Gemeinde Merligen mit der «Riviera vom Thunersee» mit rund 180 Tessinerpalmen gegenüber der NZZ, das Verbot der Palmen sei falsch und vielleicht sogar widersinnig. Denn das Problem seien nicht die Pflanzen, sondern ihre Samen. Wenn eine Tessinerpalme Samen produziert, können sich diese in der näheren Umgebung verteilen oder durch Vögel in die weitere Umgebung gelangen. Wenn Hobbygärtner nun keine neuen Pflanzen kaufen könnten, so glaubt der Tourismuspräsident des Berner «Palmendorfs», könnte es sein, dass sie die Samen nicht entfernen, sondern daraus neue Pflanzen züchten würden.

Paradebeispiel Japankäfer

Als weiteres Beispiel für sinnfreie Verordnungen und Massnahmen erwähnt Remund die Bekämpfung des (durchaus gefähr-lichen) Japankäfers. Dessen Bekämpfung sei zwar wichtig, ein Ausrotten der Populationen in Kloten und neu auch im Baselbiet wäre sinnvoll. Doch der gewählte Weg sei der falsche: Mit dem Abdecken von Fussballplätzen, einem Wässerungsverbot der privaten Rasenflächen und dem Ausbringen von Nematoden hofften die staatlich angestellten Biologen, dem Problem Herr zu werden. «Vermutlich aus ideologischen Gründen wird auf den Einsatz von wirksamen Insektiziden, auch mittels Notzulassung, möglichst verzichtet.» Wirksame Insektizide seien nach Ansicht des BAFU verpönt – und deren erfolgreicher Einsatz wäre den Amtsvertretern und Chemiegegnern ein Dorn im Auge, vermutet Remund.

Immerhin gibt es einen Lichtblick für Besitzer der Tessinerpalme: Nachdem sich Jardin Suisse, der Verband der Gärtner, einschaltete und mit Bern verhandelte, wurde das Überwintern der Pflanze bei Fachleuten wieder erlaubt.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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