Warum Elon Musk auch Franz Schubert feuert

Effizienz gilt als Zauberwort moderner Organisationen. Sie soll Prozesse straffen, Ressourcen sparen und Produktivität steigern. Doch in der Praxis zeigt sich: Effizienz ist schwer messbar – und oft fehlgeleitet.

Bild: zvg

Philosoph, Physiker, Autor lhasler@duebinet.ch

Effizienz finden alle prima, im Prinzip. Die Linken, weil sie glauben, sie müssten dann weniger arbeiten (die Herolde der 4-TageWoche behaupten gar, Effizienz könne die Produktivität steigern; was bei Bullshit-Jobs aufgehen mag, sicher nicht bei Leuten, die etwas tun, etwa Lokführerinnen und Kellnern). Die Rechten finden Effizienz sowieso gut, sie hoffen, sie würde Steuern senken (nur dass der periodische Ruf nach Abbau der Bürokratie nichts ändert am faktischen Verfetten der Verwaltung). Warum ist Effizienz, theoretisch die einfachste Sache der Welt (man muss sie nur wollen!), in der Praxis so widerspenstig?

Naja, Menschenwerk bleibt halt unvollendet

Ludwig Hasler, Philosoph, Physiker, Autor

Siehe Elon Musks Effizienz-Brigade «Doge». Strich Tausende Stellen – und bleibt doch ein PR-KettensägeStunt. Weil sie sich an die Ausgabenklötze – Altersrente, Militär, Gesundheit – gar nicht wagte. Und weil die Unproduktiven nicht so klar von den Produktiven zu unterscheiden sind. Es heisst, Musks Leute hätten Beamte zur Frage antraben lassen: «Was hast du heute Produktives getan?» Gute Frage. Doch was kann ein Forscher im Gesundheitssektor antworten? Eine Erdbeben-Geologin? Ein Richter im Justizapparat? Er habe vor dem Mittag schon ein Dutzend Fälle erledigt? Wäre effizient. Auch produktiv? Paragrafen auf Fälle herunterbrechen, das schafft KI schneller, sicherer. Richter sind dazu da, den Einzelfall kreativ durch den Paragrafenwald zu führen. Ist mühsam, braucht Zeit. Kann am Ende doch wieder produktiv sein: für die Sicherheit, es gehe mit rechten Dingen zu und her. Wer das übersieht, feuert auch Leute, die produktiv sind, bloss nicht effektiv. Dazu ein amüsantes Beispiel: Der CEO eines Konzerns erhielt ein Konzert-Ticket, Schuberts «Unvollendete Symphonie». Da er am Abend verhindert war, schenkte er die Karten seinem Unternehmensberater.

Warum ist Effizienz, theoretisch die einfachste Sache der Welt (man muss sie nur wollen!), in der Praxis so widerspenstig?

Der revanchiert sich danach mit seiner Konzertanalyse: «1. Geraume Zeit waren vier Flötisten nicht beschäftigt. Empfehlung: Die Zahl der Bläser reduzieren, die Arbeit auf die übrigen Musiker verteilen, eine gerechte Auslastung gewährleisten. 2. Alle zwölf Geiger spielten identische Noten, total überflüssig. Die Zahl der Geigenspieler drastisch kürzen! Für intensivere Passagen kann ein elektronischer Verstärker aushelfen. 3. Wozu die vielen Halbtonschritte? Empfehlung: Nur noch Ganztonschritte spielen! So können billige Angelernte eingesetzt werden. 4. Wozu wiederholen Hörner die Passage, die bereits mit Trompeten gespielt wurde? Überflüssig. Ohne Wiederholung liesse sich das Konzert von zwei Stunden auf 20 Minuten kürzen. Hätte Schubert die Empfehlung beherzigt, hätte er seine Symphonie glatt vollendet.» Naja, Menschenwerk bleibt halt unvollendet. Weil wir dauernd Dinge ändern müssen, wenn wir wollen, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Dazu brauchen Wirtschaft und Staat Entwickler, nicht nur Erlediger. Die werden – wie Schubert – nie fertig. Schlecht für Effizienz, manche aber gut für unsere Zukunft. Welche? Kann man dummerweise selten sagen.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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