Tradition trifft auf Innovation

Ohne Druck ist die Nachfolgeregelung bei Daniel Gelbart, Geschäftsleitungsmitglied der Ortho-Team Gruppe in dritter Generation, gelaufen. Vielmehr liess man ihm den Freiraum, seinen eigenen Weg zu finden. Und dieser führte schliesslich ins Familienunternehmen.

Bild: zvg

Daniel Gelbart an der Swiss Abilities, der nationalen Messe zur Förderung eines selbstbestimmten Lebens.

Daniel Gelbart, Geschäftsleitungsmitglied der Ortho-Team Gruppe in dritter Generation mit Standorten unter anderem in Zürich und 420 Mitarbeitenden, hat seinen Weg in die Unternehmensführung Schritt für Schritt gefunden. «Einen Druck, das ursprüngliche Familienunternehmen übernehmen zu müssen, habe ich nie gespürt – vielmehr habe ich mir Zeit für meine Entscheidung genommen und bin allmählich in die Rolle hineingewachsen», sagt er. Schon als Kind war die Orthopädiewerkstatt seines Grossvaters sein Spielplatz. «Ich bin in der Branche aufgewachsen, der Umgang mit Behinderungen war für mich von klein auf selbstverständlich, » erinnert sich Gelbart. Auch der Grundgedanke des Unternehmens, «Menschen helfen zu wollen», prägte ihn früh.

Nachfolgeregelung ohne Druck

Die Geschichte der Gelbart AG – diese fusionierte 2011 mit dem Ortho-Team – begann in den 1940er-Jahren, als Daniel Gelbarts Grossvater aus Polen in die Schweiz immigrierte und eine kleine Werkstatt für orthopädische Hilfsmittel gründete. Nicht zufällig liess sich Gelbarts Grossvater zum Orthopädietechniker ausbilden: Als junger Mann überlebte er das Konzentrationslager Auschwitz und kam mit dem roten Kreuz in die Schweiz. Auf dem Todesmarsch waren ihm mehrere Zehen abgefroren, später in Buchenwald machten NS-Ärzte Experimente mit seinen Füssen, amputierten ihm die Zehen*. «Mein Grossvater suchte nach orthopädischen Lösungen, um sich selbst zu helfen – und legte damit den Grundstein für das heutige Unternehmen», erzählt Daniel Gelbart.

«Mein Vater hat mich nie gedrängt. Er wollte nur, dass das Unternehmen weitergeführt wird und die Mitarbeitenden einen sicheren Job haben»

Daniel Gelbart

Mit den Jahren entwickelte sich die Gelbart AG zu einem hochspezialisierten Anbieter für Orthopädie- und Rehatechnik. Später übernahm Daniel Gelbarts Vater das Unternehmen und trieb das Wachstum weiter voran. Mit seinem technischen Geschick – unter anderem bei der Programmierung von Elektrorollstühlen – legte er die Grundlage für die heute bekannte Rehatechnik und die Modernisierung des Unternehmens.  Zugleich sei es seinem Vater wichtig gewesen, die Nachfolge ohne Druck zu gestalten. «Mein Vater hat mich nie gedrängt. Er wollte nur, dass das Unternehmen weitergeführt wird und die Mitarbeitenden einen sicheren Job haben,» betont Daniel Gelbart. Diese Haltung gab ihm den Freiraum, zunächst eigene berufliche Wege zu gehen und seine Erfahrungen zu sammeln.

Hinaus in die Welt

Denn Daniel Gelbart verfolgte zunächst ganz andere Pläne: Er wollte die Welt entdecken und unternehmerische Erfahrungen sammeln. Nach seinem Abschluss an der Wirtschaftsmittelschule, dem Grundstudium der Betriebswirtschaft an der ZHAW und einer Ausbildung zum Orthopädietechniker, sammelte er weltweit berufliche Erfahrungen – von Osteuropa über Indien und Afrika bis nach Amerika. «Die Begegnung mit den globalen Unterschieden in der Gesundheitsversorgung hat meine Perspektive erweitert und mir unzählige neue Ideen eröffnet», berichtet er.

Internationale Gesundheitssysteme

Besonders prägend war seine Rolle im Management einer Auslandsgesellschaft eines Weltmarktführers für Orthopädietechnik in England. Diese Position ermöglichte es ihm, ein tiefgreifendes Verständnis für die Besonderheiten und Herausforderungen internationaler Gesundheitssysteme zu entwickeln. «Eigentlich wollte ich im Ausland bleiben, doch die beruflichen Perspektiven dort waren begrenzt», erklärt Gelbart. 2018 kehrte er schliesslich in die Schweiz zurück – «mit tausend Ideen im Gepäck», wie er sagt, und mit der festen Überzeugung, die Nachfolge zu übernehmen.

Fusion und neue Ansätze

Bereits im Jahr 2011 fusionierte die Gelbart AG mit dem Ortho-Team und leitete damit den Grundstein für die gruppenweite Nachfolgeplanung ein. «Die grösste Herausforderung war es, unabhängig von Investoren zu bleiben, um den Grundstein für eine Next Generation und zukünftiges Wachstum zu legen», erinnert er sich. Dabei setzt das Unternehmen gezielt auf Digitalisierung, Swissness, modernes Marketing und die Einführung innovativer Technologien wie 3D-Druck und Robotik. Seit Gelbart vor sechs Jahren in die Unternehmensgruppe eingestiegen ist, treibt er die digitale Transformation weiter voran und investiert in die digitale Fertigung. Die so produzierten Orthesen, Einlagen oder Korsette sind nicht nur umweltfreundlicher hergestellt, sondern spürbar leichter als konventionelle Produkte. Zugleich lassen sie sich auch individuell nach den Wünschen der Kunden gestalten.

Veränderungsprozess

Allerdings mussten Daniel Gelbart und das Managementteam bei der Belegschaft zunächst beweisen, dass diese Ansätze nicht nur praktikabel und wirtschaftlich rentabel sind, sondern auch die handwerklichen Traditionen der Orthopädietechnik wahren. Besonders wichtig war Gelbart, die Mitarbeitenden von Beginn an in den Veränderungsprozess einzubinden. «Nach und nach erkannten sie die Potenziale der Modernisierung und wie sehr dadurch die Arbeitsabläufe optimiert werden konnten», erklärt er. Mitarbeitende aktiv einzubinden, ihr Potential und ihre Motivation zu fördern, ist einer der Erfolgsfaktoren des Unternehmens. So konnten Mitarbeitende nach einem bestandenen Talentprogramm Unternehmensanteile erwerben und damit zur Gestaltung des Ortho-Teams langfristig beitragen.
«Unser Ziel war es immer, das Unternehmen gemeinsam mit den eigenen Mitarbeitenden voranzubringen», erklärt Daniel Gelbart.

Kooperationen mit Hochschulen

Wenn man Daniel Gelbart zuhört, wird schnell deutlich, wie leidenschaftlich er für das Unternehmen und seine Visionen eintritt. Das Ortho-Team und die Gelbart AG arbeiten heute eng mit Hochschulen zusammen, um die Produkte kontinuierlich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Ein Beispiel dafür sind Orthesen mit integrierten Sensoren, die Bewegungsdaten der Nutzer erfassen. Diese Daten liefern wertvolle Einblicke in deren Verhalten und fliessen direkt in die Optimierung der Produkte ein. Dabei bleibt der zentrale Leitgedanke des Unternehmens stets im Fokus: «Menschen zu helfen.»
 
*Die eindrückliche Geschichte von Daniel Gelbarts Grossvater ist im Buch «B-8326. Ein Überlebender des Holocaust» nachzulesen.

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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