«Politessen kennen mich beim Namen»

Bussenflut wegen mangelnder Parkplätze: In Zürich und Winterthur, aber auch in Uster, erschwert der Abbau von Parkplätzen für viele KMU die Arbeit.

Bild Mark Gasser

Peter Epting vor seiner Schreinerei. Der Servicewagen steht oft hier – und kassiert dafür Bussen.

Die Stadtpolizei Uster kündigte am 1. April eine Zehner-Stempelkarte für chronische Parksünder an. Dabei soll jede zehnte Parkbusse gratis sein (mehr dazu auf S. 34). Der Aprilscherz klingt für Peter Epting, Geschäftsführer einer Schreinerei im Kreis 1, gar nicht so daneben. «Das könnte ich gebrauchen», meint er zynisch.
Der Grund: «Wir zahlen 8000 Franken pro Jahr für Parkbussen und Parkgebühren», so Epting. Er ist Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei mit 14 Mitarbeitenden im Kreis 1. Für drei bis vier Servicewagen, die täglich unterwegs sind, eine happige Summe: Das sind mehrere 40-Franken-Bussen pro Woche, denn die Parkbussen (ohne Parktickets) allein machten zuletzt rund 3000 Franken aus.

Vor seiner Schreinerei gibt es keine Parkplätze. Immerhin: Dank einer Zufahrtsbewilligung kostet die Busse fürs Abstellen vor der eigenen Werkstatt an der Oetenbachgasse «nur» 40 statt 120 Franken. So lässt er seine Mitarbeiter regelmässig ihre Servicewagen hier abstellen – und nimmt deshalb viele Bussen in Kauf. Die meisten Servicewagen passten wegen der Höhe gar nicht ins nahe gelegene Parkhaus Urania. «Die Politessen kennen mich mittlerweile beim Namen», so Epting an diesem Mittwochmorgen im April. Doch er weiss aus Erfahrung: «Bis neun, halb zehn Uhr morgens haben wir Ruhe. Da kommt niemand.» Er kennt auch die saisonalen Schwankungen: So brechen die Ausgaben für Strafzettel im Dezember regelrecht ein.

Steuerabzug für Parkbussen?

Für ihn seien die vielen Parkbussen eine verdeckte Steuer. Daher ziehe sein Treuhänder die Parkbussen und -gebühren jeweils in der Steuererklärung vom Einkommen ab. In der Regel vergeblich. Sein Argument: Die Parkbussen sammelten sich ja während der Arbeit an, nicht privat. «Und wenn wir für die Stadt arbeiten, müssen wir ja auch dahin gelangen, wo es keine Parkplätze gibt.» Bei städtischen Gebäuden seien nahe Parkplätze oft Illusion, und immerhin sei die Stadt die grösste Liegenschaftsbesitzerin. «Wegen Schrauben und Kleinwerkzeug, geschweige denn für grössere Geräte, will man nicht 500 Meter hin und her gehen», so Epting.

Bei einer Reparatur von ein bis zwei Stunden lohnt sich die Parkplatzsuche beziehungsweise das Umparken kaum.

Peter Epting, Geschäftsführer Peter Epting Schreinerei AG, Zürich

Schreinereien in der Stadt sind zudem rar geworden. Jüngst gaben im Kreis 6 und im Kreis 2 mehrere den Betrieb auf. Auch wenn die Schliessungen nicht direkt etwas mit der Parkplatzsituation zu tun haben, erschweren sie das Überleben für die Betriebe, ist Epting überzeugt. «Weniger Handwerker bedeutet: höhere Preise. Und die Lieferzeiten verlängern sich.» Auch er selber sucht schon länger einen Nachfolger. «Ich hoffe immer noch. Denn wir haben viel Arbeit hier.» Und: Je weniger Schreinerbetriebe es gibt – Epting zählt in einzelnen Kreisen nur noch einen (etwa im Kreis 6) oder zwei (Kreis 1) –, desto grössere Distanzen müssen die übrigen jeweils zurücklegen, die dann die Aufträge übernehmen.

In einzelnen Stadtteilen wie dem Kreis 1 gibt es gar keine Blaue-Zone-Parkplätze mehr. Und auch da lohne es sich nur, Tagesbewilligungen für 30 Franken für Handwerksbetriebe einzuholen, wenn das Fahrzeug auf einer Baustelle bleibe und den Standort nicht mehrmals wechsle. «Bei einer Reparatur von ein bis zwei Stunden lohnt sich die Parkplatzsuche beziehungsweise das Umparken kaum. Und wenn der Monteur mit der App nachzahlt, ohne umzuparken, muss er so oder so mit einer Busse rechnen.» Und die Lage spitzt sich weiter zu: Ständig würden Parkplätze abgebaut. Aktuell sollen in Wollishofen 110 Parkplätze einer Veloschnellroute weichen. Da es so wenige Parkplätze in der Innenstadt hat, fahren seine eigenen Handwerker die Serviceautos nach Hause. Diese seien auch in verschiedenen Kantonen eingelöst. «Ich kenne Mitbewerber aus dem Oberland, die haben eine Regel: Sie nehmen nur Aufträge bis zum Kreuzplatz an.»

Doch zu reduzieren versucht Peter Epting die vielen Bussen nicht. Denn er weiss: «Es ist ein unnötiger Stress, wenn die Monteure immer auf die Uhr schauen müssen. Dafür habe ich Verständnis.» Eine Busse zu riskieren, scheint ihm oft sinnvoller, als weit weg zu parkieren oder wegen Nachzahlens eine Busse zu riskieren und so doppelt zur Kasse gebeten zu werden. «Seit die Stadt immer mehr Parkplätze streicht, sind uns die Hände erst recht gebunden.» Epting hofft nun auf einen Erfolg der Parkplatz-Initiative: Wegen des Parkplatzabbaus und der Umnutzungspläne des Gemeinderates für städtische Parkhäuser hat ein überparteiliches Komitee die städtische Volksinitiative «JA zum fairen Parkplatz-Kompromiss» eingereicht, die mit über 4800 Unterschriften an die Urne kommen wird.

Winterthurer Altstadtsorgen

Mag die Parkplatzsuche in Zürich für KMU sich nicht lohnen, ist in der Velostadt Winterthur gerade für Auswärtige das Parkieren schwierig geworden. Erst recht, seit 2024 eine flächendeckende «lückenlose Blaue Zone» eingeführt wurde. Ende 2024 wurden die weissen Parkfelder – mit einigen wenigen Ausnahmen in Quartierzentren und der Innenstadt – blau übermalt. Bewilligungen erhalten aber nur Bewohner des jeweiligen Quartiers, die keine private Parkiermöglichkeit haben, oder Betriebe, die in Winterthur gemeldet sind. Kein Wunder, sind die blauen Parkplätze oft leer. Vor allem Pendler will man so aus der Stadt verbannen.

Bild Mark Gasser

Dung Nguyen vor einem ihrer zwei Parkplätze in Winterthur.

Dung Nguyen, Geschäftsführerin der Hotels Plaza in Winterthur und ehemals Vermieterin von Apartments in Zürich, schildert ihr Parkplatzproblem, das auch andere Hotels und der Detailhandel teilen. Sie versteht vor allem den Aktivismus der Winterthurer Polizei nicht. Nguyen muss ihre Hotelgäste in Winterthur vertrösten, ihr Auto für 45 Franken im Parkhaus Technikum zu parken. In Zürich sei das unkomplizierter, da koste eine Tageskarte für die Blaue Zone für Private nur 15 Franken – und die gebe es auch für Auswärtige. Bald wird es noch teurer: Das Parkhaus soll bald für ein Jahr geschlossen und renoviert werden. Danach soll die Stunde 3 statt 2 Franken kosten. Einige Hotelgäste beklagten sich daher online – bei sonst zumeist positiven Feedbacks – über das Parkplatzangebot. Zwischen «nicht vorhanden» bis «überteuert» erstrecken sich hier die Kommentare.

Bussen in Kauf nehmen will Dung zwar nicht, tut es aber letztlich aus Pragmatismus: Zwei privat von der Hausverwaltung gemietete Parkplätze vergibt sie an Hotelgäste für 20 Franken pro Tag – was die Stadt allerdings nicht goutiert: Da sie die jeweilige Parkierungskarte wegen Verlustrisiko nicht an ihre Hotelgäste weitergibt, erhalten diese regelmässig Parkbussen. Diese übernimmt dann das Hotel. «Ich bezahle über 2000 Franken für einen Parkplatz pro Jahr. Und trotzdem kommt die Stadt, um unaufgefordert Privatparkplätze zu kontrollieren. Das ist doch absurd.» Gemäss der Stadtpolizei unterstehe diese Zone gar nicht ihrer Kontrolle, sondern dem Bauamt und damit dem Altstadtregime – eine Sonderregelung. Kontrolliert wird die Altstadt wiederum von einer Sicherheitsfirma. Bei der Stadtpolizei heisst es auf Anfrage, dass in anderen Zonen (ohne signalisiertes, einzelrichterliches Park- und Fahrverbot) nur Besitzer oder berechtigte Nutzer, also etwa Mieter, Kontrollen privater Parkplätze einleiten könnten.

Dung Nguyen nützt das wenig. Sie hat nebst Bussen auch andere Konsequenzen für die autofeindliche Politik zu tragen. Ein Beispiel: Deutsche Gäste, die regelmässig die Stadt besuchten, wollen wegen der Parkplatzsuche nur noch aufs Land. Dasselbe hört sie von vielen Business-Hotelgästen und Handwerkern, die mit dem Auto unterwegs sind. Diese machten 80 Prozent ihrer Klientel aus. «Für alle Hotels hier in der Altstadt ist es sehr mühsam», sagt Nguyen.

Eine Verkehrsumfrage des KMU-Verbands Winterthur und Umgebung, die kürzlich 146 Winterthurer Unternehmen beantworteten, zeigt unter anderem eine grosse Unzufriedenheit unter den Unternehmen mit der Parkplatzsituation. Zwar gab es vom Gewerbe ursprünglich kaum Widerstand gegen die lückenlose Blaue Zone. Aber immerhin empfinden diese 68 Prozent der Befragten dies heute als negativ oder sehr negativ. Tempo 30 und Fahrbahnhaltestellen für Busse werden indes sogar mit rund 90 Prozent abgelehnt.

Prekär wird auch die Parkplatzsituation bei Kunden vor Ort wahrgenommen: 80 Prozent der Firmen, die auf Kundenbesuche angewiesen sind, bewerten die Parkplatzsituation vor Ort als ungenügend. Da überrascht es nicht, dass fast 92 Prozent die Entwicklung des Verkehrsflusses als «deutlich» oder eher schlecht beurteilten, während ebensoviele eine weitere Verschlechterung erwarten.

Dass der Widerstand gegen die Blaue Zone nicht stark war, erklärt sich Bert Hofmänner vom Vorstand des KMU-Verbandes damit, dass der Wegfall von Pendlerparkplätzen «für einige Handwerker doch für etwas Entspannung in den Quartieren gesorgt hat». Der Wegfall der Pendlerparkplätze sei dafür für jene Firmen nachteiliger, die auf Mitarbeitende angewiesen seien, die mit dem Auto anreisten. Grundsätzlich wehre sich der Verband gegen den Kapazitätsabbau beim Gewerbeverkehr.

Auch Uster verliert Parkplätze

Seit Jahren werden auch in Uster, der drittgrössten Stadt im Kanton, Parkplätze abgebaut. Gemäss der Antwort des Stadtrates auf eine kürzlich eingereichte Anfrage zum Parkplatzabbau sind zusammengezählt seit Januar 2023 knapp 40 Parkplätze auf öffentlichem Grund sowie 28 Parkplätze auf dem ehemaligen «Jelmoli-Parkplatz» verschwunden. Auch wenn hier eine Tiefgarage mit rund 33 (privaten) Parkplätzen entsteht, ist die Tendenz klar: Es ist mit einem weiteren Abbau zu rechnen.

Fast wäre der Abbau aufgehalten worden. Die SVP hat Ende 2023 eine Volksinitiative zum Erhalt der Parkplätze, die auch von der FDP unterstützt wurde, sehr knapp verloren. Auch der Gewerbeverband Uster (GVU) hat den Abstimmungskampf rund um die Initiative «In Uster konsumieren – lokal parkieren. Kein Parkplatzabbau in Uster» mit seinem Logo auf den Werbemitteln unterstützt, wie GVU-Präsidentin Anita Borer bestätigt. In einer Umfrage des GVU im Sommer 2023 äusserte sich das Ustermer Gewerbe zur geplanten Errichtung einer Fussgängerzone und zur Verbannung des Verkehrs aus dem Stadtzentrum: Über 60 Prozent und fast 73 Prozent der direkt betroffenen Unternehmen wollten keine Fussgängerzone auf den zentralen Abschnitten der Gerichts- und Webernstrasse. Doch der Trend ist klar: Auch hier werden weitere (öffentliche) Parkplätze verschwinden. Und wenn sich die Aprilscherze der drei Stadtpolizeien allesamt um Parkplätze und Bussen drehten (siehe S. 34), dann ist das wohl kein Zufall.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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