Kommt bald der digitale Franken?

Digitale Währungen sind weltweit auf dem Vormarsch. Auch die Nationalbank (SNB) experimentiert damit. Die Zürcher Kantonalbank ist Teil des Realitätschecks. Welche Chancen und Herausforderungen sind mit einem digitalen Franken verbunden? Und: Wird er unser Bargeld über kurz oder lang verdrängen?

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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat noch keine Eile, testete aber bereits die digitalen Transaktionsmöglichkeiten auf der SIX-Infrastruktur.

Elektronische Zahlungsmethoden wie TWINT, Online-Überweisung oder Kartenzahlung sind in der Schweiz auf dem Vormarsch. Das Bezahlen mit Karte oder Smartphone geht einfach und schnell. Den bargeldlosen Zahlungsmethoden gemein ist: Sie transferieren Buchgeld – Geld, das auf ein Konto überwiesen oder als Kredit gewährt wurde. Wird Buchgeld ausbezahlt, wird es zu Bargeld.

Doch gibt es weltweit schon länger Bestrebungen, neben Bar- und Buchgeld auch offizielles digitales Geld einzuführen: eine digitale Landeswährung (CBDC genannt). Eine solche wird – anders als Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum – von einer Zentralbank ausgegeben und unterliegt deren Kontrolle und Regulierung. Das macht sie sicher und stabil.

«Bei der Abwicklung der Transaktionen im Rahmen von ‹Helvetia Phase III› gab es unter den teilnehmenden Banken keinerlei Probleme.»

Peter Hubli, Projektleiter «Helvetia III» bei der Zürcher Kantonalbank

Mit den neuen digitalen Optionen gehen auch Ängste einher: Wird mit der Zunahme digitaler Zahlungsmöglichkeiten allgemein und digitaler Währungen im Speziellen das Bargeld schleichend abgeschafft? Und damit Freiheit, Anonymität und Selbstbestimmung? Daran sei der Staat schliesslich interessiert, schimpfte die «Weltwoche»: «Mit elektronischem Geld lassen sich die Bürger viel besser kontrollieren, überwachen, bestrafen und durchleuchten.»

Und der Staat, das ist auch die Nationalbank (SNB). Private Aktionäre besitzen knapp 22% Stimmrechtsanteil, der grosse Rest verteilt sich auf die Kantone (61%), Kantonalbanken (17%, davon 5,2% der ZKB) und andere öffentlichrechtliche Körperschaften (1%). Dennoch muss die SNB unabhängig agieren können, um die Preisstabilität zu gewährleisten. Und die Abkehr vom Bargeld, sei nicht geplant, entschärft die SNB diesen Verdacht. «Gemäss der letzten Zahlungsmittelumfrage der Nationalbank (2024) möchten über 95% der Bevölkerung Bargeld auch in Zukunft als Zahlungsmittel nutzen und auswählen können, ob sie mit Bargeld oder mit elektronischen Zahlungsmitteln bezahlen», heisst es seitens der SNB-Medienstelle.

Zahlungen hinterlassen Spuren

2020 lancierten die Bahamas mit dem «Sand Dollar» die weltweit erste digitale Landeswährung. Im selben Jahr führte China den «E-Yuan» als Pilotprojekt ein. Aktuell beschäftigen sich weltweit sogar über 90% der Zentralbanken mit digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs).

Trotz laufender Projekte rund um die Schaffung einer digitalen Währung – und damit einer Alternative zum Bargeld – sagt die SNB: «Angesichts der laufenden Verbesserung des Zahlungssystems sieht die SNB in der Schweiz derzeit keinen Bedarf für digitales Zentralbankgeld für die breite Bevölkerung (Retail CBDC). Zudem wird der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Schweiz laufend weiterentwickelt, so dass aus Sicht des Zahlungsverkehrs keine Notwendigkeit für Retail CBDC besteht.» Hier geht es allerdings um digitale Währungen für die breite Bevölkerung. Auch die SNB beteiligt sich an Forschungsprojekten zum Thema. Ein Fokus liegt hier auf Fragen der Privatsphäre. Denn anders als bei Bargeld hinterlassen Zahlungen mit elektronischen Zahlungsmitteln Spuren.

SNB testet digitalen Franken

Realistischer schätzt die Nationalbank mittelfristige Einführung eines digitalen Frankens für Finanzinstitute ein (eine sogenannte Wholesale Central Bank Digital Currency CBDC). Unter dem Namen des Pilots «Helvetia» testet die SNB bereits seit 2020 verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Ende 2023 bis Ende Juni 2024 stellte die SNB in einem Pilotbetrieb beim Projekt «Helvetia Phase III», an dem auch SIX und sechs Geschäftsbanken beteiligt waren, eine solche Franken-Wholesale-CBDC bereit. Beim Projekt wurde auf Herz und Nieren und in Echtzeit getestet, ob Interbanken-Geschäfte mit einer digitalen Währung abgewickelt werden können.

Dieses digitale Geld wird als Token auf der regulierten Plattform der SIX Digital Exchange (SDX) bereitgestellt, einer Finanzmarktinfrastruktur, die auf der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basiert. Dabei handelt es sich um ein digitales System, bei dem Transaktionsdetails an mehreren Stellen gleichzeitig aufgezeichnet werden. Ein Token im Kontext von Kryptowährungen ist eine digitale Einheit, die einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Funktion repräsentiert und auf einer Blockchain (z.B. Ethereum) basiert.

Digitale Anleihen

Mit dem Helvetia-Pilotbetrieb unterstütze die Nationalbank die Innovationsbestrebungen am Schweizer Finanzmarkt, heisst es im Geschäftsbericht der SNB. In der ersten Phase des Pilotbetriebs, die von Anfang Dezember 2023 bis Ende Juni 2024 dauerte, führten sechs Pilotbanken Transaktionen auf der DLT-Plattform aus. So etwa in Zusammenhang mit Anleiheemissionen, mit denen sich Unternehmen und die öffentliche Hand Geld am Kapitalmarkt beschaffen.
Insgesamt wurden Transaktionen im Umfang von rund 750 Mio. Franken abgewickelt. Die Zürcher Kantonalbank wickelte am 1. Dezember 2023 für den Kanton Zürich die erste Schweizer-Franken-Anleihe mit digitalem Zentralbankengeld ab – weltweit eine der ersten Emissionen dieser Art. «Im Rahmen des Projektes hat die Zürcher Kantonalbank mehrere Emittenten bei der Ausgabe von digitalen Anleihen unterstützt. Diese Transaktionen waren nur eine von mehreren Initiativen, mit denen die ZKB die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten der DLT-Technologie ergründet, um sie für Kundinnen und Kunden nutzbar zu machen», so Peter Hubli, Projektleiter «Helvetia III» bei der ZKB, auf Anfrage. Im Juni 2024 informierte die SNB über die Weiterführung des Pilotbetriebs bis mindestens Juni 2026 mit dem Nachfolgeprojekt «Helvetia Pilot».

Elektronische Möglichkeiten

Doch warum dauert die Einführung so lange, wenn sie funktioniert? Die sinngemässe Antwort der SNB und der ZKB: weil sie sehr komplex ist – technisch, politisch, rechtlich und gesellschaftlich. Seit August 2024 ermöglichen ausserdem die grössten Schweizer Banken, darunter die ZKB, auch Instant Payments, also Zahlungen in Echtzeit. Weitere elektronische Zahlungsmethoden umfassen etwa Online-Banking, Mobile Wallets (Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay), Peer-to-Peer-Plattformen (wie TWINT oder PayPal) sowie Kredit- oder Debitkartenzahlungen.

Dass Fünfliber und Zwanzigernötli bestehen bleiben und die SNB vorläufig von der Einführung eines digitalen Frankens – zumindest für private Endnutzer – absieht, hat einen weiteren Grund: Die Akzeptanz der Bürger. Für die SNB sei es deshalb wichtig, «dass eine freie Wahl zwischen Bargeld und bargeldlosen Zahlungsmitteln erhalten bleibt». Und da die SNB einen digitalen Franken für den privaten Endnutzer nicht vorsieht, werde das Bargeld im Umlauf nicht tangiert. In der Schweiz sei ein Zugang zu digitalem Zentralbankgeld für private Endnutzer «nicht vorgesehen», betont die SNB.

Freilich wäre Schaffung und Einsatz von digitalem Zentralbankgeld für Finanzinstitute auch machbar, wie sich zeigte. So erklärt ZKB-Projektleiter Peter Hubli: «Bei der Abwicklung der Transaktionen im Rahmen von ‹Helvetia Phase III› gab es unter den teilnehmenden Banken keinerlei Probleme.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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