Jungunternehmer werden immer älter
Nicht umsonst geniesst die Schweiz den Ruf als Startup-Nation. Jährlich werden hierzulande etwa 400 Startups gegründet, was über vergleichbaren Ländern wie Dänemark, Israel oder Schweden liegt. Allerdings: Die Finanzierung wird auch für Schweizer Startups zunehmend schwierig.
18. März 2024 Anna Birkenmeier
«Inzwischen hat jeder zweite Gründer einen akademischen Hintergrund. Vor 20 Jahren war es noch jeder Dritte», sagt Rolf Meyer, Professor am Institut für Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz
Laut dem GEM-Report (Bericht des Global Entrepreneurship Monitor), liegt die Schweiz nach den USA und den Niederlanden auf Platz 3 der gründungsfreudigsten Länder. Dabei zeigt sich: Die durchschnittliche Gründungsperson in der Schweiz ist männlich, über 40 Jahre alt, kinderlos, verfügt über einen Hochschulabschluss und über rund 22 Jahre Berufs- und etwas Führungserfahrung. Ein Drittel der Gründerinnen sind Frauen. Und: «Inzwischen hat jeder zweite Gründer einen akademischen Hintergrund. Vor 20 Jahren war es noch jeder Dritte», sagt Rolf Meyer, Professor am Institut für Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz. Meyer lehrt seine Studenten in Entrepreneurship und berät Startups von der Idee über die Finanzierung bis zum Durchbruch. Dass seine Studenten direkt nach dem Studium ein Startup gründen, sei hingegen eher selten. «Viele sehen es als Option für später. Zuerst möchten sie Berufserfahrung sammeln, sich ein Netzwerk aufbauen und eine Geschäftsidee entwickeln», weiss Meyer. Manche würden neben der Festanstellung ein ‘Sidebusiness’ aufbauen, um Erfahrungen zu sammeln. Ganz auf die Karte «Startup» werde dann aber erst später gesetzt; immer mehr «Jungunternehmer» seien bereits in ihren 50ern.
Investitionen: starker Rückgang
Auch aus finanziellen Gründen überlegen sich Jungunternehmer den Schritt in die Selbständigkeit zweimal. Wie der aktuelle Swiss Venture Capital Report zeigt, hat die Schweizer Startup-Landschaft 2023 den grössten Rückgang an Investitionen seit 2011 erlebt: Diese sind im vergangenen Jahr um 34,8 Prozent auf 2588 Millionen Franken gesunken. Dabei verzeichneten IT-Firmen mit 62 Prozent den grössten Rückgang, auf noch 786 Millionen Franken. Cleantech ging leicht zurück, hielt aber mit 630 Millionen den zweiten Platz. Am meisten Finanzierungsvolumen konnten Startups aus dem Gesundheitsbereich (Life Science, Biotech) sowie FinTech/InsurTech generieren.
Alternative Finanzierungen
Wer heute ein Startup gründen wolle, starte deshalb zumeist mit den sogenannten Triple F (Familiy, Friends and Fools). «Rund 90 Prozent der Gründer bauen ihr Business so auf» sagt Meyer. Und die meisten würden mit weniger als 50’000 Franken Startkapital loslegen. Wer mehr finanzielle Mittel benötigt, wendet sich an Risikokapitalgeber, sogenannte Business Angels oder Private-Equity-Gruppen. Praktisch chancenlos seien die Finanzierungsaussichten bei Banken, wenn man nicht schon Erfolge vorweisen könne. Immer mehr Startups setzen daher auf alternative Finanzierungsformen via Crowdfunding oder Crowdinvesting. «Im Gegensatz zum Crowdfunding sind beim Crowdinvesting die Geldgeber am Erfolg des Unternehmens beteiligt; es sind Aktien, die ausgegeben werden», so Rolf Meyer. Das Schweizer Modeunternehmen Nikin, welches von Meyer begleitet wird, konnte so 5 Millionen Franken von über 4000 Investoren generieren. Weiter seien auch Startup Wettbewerbe eine beliebte Form, um an Startkapital zu kommen.
Immer mehr Startups würden zudem als Kollektiv- oder Einzelunternehmen gegründet, die weniger Startkapital benötigen. Allerdings: Die vorherrschende Rechtsform ist nach wie vor die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), auf die im Jahr 2023 40 Prozent aller Neugründungen entfielen. Trotz höherer Anforderungen an das Startkapital bietet die Form der GmbH für Unternehmer oft bessere steuerliche Bedingungen und Schutz vor Haftung im Insolvenzfall.
Gründer: Hohe Zufriedenheit
Der Entscheid ‘raus aus der sicheren Anstellung und rein ins Abenteuer Startup’ brauche zwar einiges an Mut, die wenigsten würden aber ihre Entscheidung bereuen. Das zeigt eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Die Zufriedenheit der Gründungspersonen mit der Selbständigkeit ist sehr hoch und die grosse Mehrheit der befragten Jungunternehmer würde die Selbständigkeit nicht für eine ihnen angebotene Stelle aufgeben», sagt Rolf Meyer. Und dies, obwohl sie im Durchschnitt etwas weniger verdienen als in einer vergleichbaren Stelle als Angestellter. In welchem Bereich würde Rolf Meyer ein Startup gründen?
Anna Birkenmeier
Redaktion Zürcher Wirtschaft
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