Von Abfall zu Werkstoff
Zwischen Baustoffbergen und Baggern wurde die jüngste Folge der Sendung «KMU Date» gedreht: Im Baustoffzentrum der Firma Toggenburger AG in Neftenbach. Das Thema: Recycling im Bau und in der Elektromobilität.
21. Mai 2025 Mark Gasser
KMU Date wurde im Freien bei der Toggenburger AG aufgezeichnet.
Balz Thalmann, Truls Toggenburger, Moderatorin Regula Späni und Martin Kyburz (von links).
Truls Toggenburger vor einem seiner Bagger.
Unternehmer Truls Toggenburger im Gespräch mit einem Gast.
Produzentin Karin Leuch begrüsste am 6. Mai über 100 Inte-ressierte nicht nur zum neusten Dreh des rund einstündigen KMU Date, sondern auch zu einer «absoluten Premiere», wie sie vor der Kamera einleitete: eine Sendung unter freiem Himmel. Vor einem imposanten Bagger mitten im Baustoffzentrum der Firma Toggenburger AG – also inmitten von Abbaumaterial von zurückgebauten Häusern – wurde die Sendung, die jeweils über regionale TV-Kanäle ausgestrahlt wird, vor über 100 Interessierten aufgezeichnet.
Das Setting passte zum Thema: Recycling im Bau und in der Elektromobilität. Die Gastgeberfirma Toggenburger und der Elektrofahrzeugbauer Kyburz, die in ihrer Branche federführend sind beim Thema, gaben Einblick in ihre Massnahmen zur Aufbesserung der CO2-Bilanz in ihren Branchen. Am Drehort werden Baustoffe angeliefert nach Abbrüchen. «Mitarbeiter bereiten es auf, brechen es, sortieren es, und führen es wieder dem Kreislauf zu in Form von aufbereitetem Beton», so Truls Toggenburger. Der Gastgeber führt das Familienunternehmen seit 2003.
Die Firma betätigt sich in fünf Geschäftsfeldern. Unter anderem ist sie in den Bereichen Rückbau/Erdbau, Kies, Beton und Altlastensanierung aktiv. Auf insgesamt vier Recyclingplätzen in Neftenbach, Marthalen, Glattfelden und Aadorf wird das Abbruchmaterial gebrochen, gesiebt und von Fremdstoffen befreit. Durch die Aufbereitung von Asphalt-, Beton- und Mischabbruch entstehen die Recyclingbaustoffe in Form von Granulaten. So werden jährlich 120 000 Kubikmeter Recyclingbeton allein in Neftenbach produziert. Kreislaufwirtschaft liege ihm am Herzen, so Toggenburger: Mit einem speziellen Verfahren speichert die Firma auch CO2 in Beton.
Nach dieser Vorstellung fuhr Moderatorin Regula Späni branchengerecht ein: auf einem Pneulader. Nebst Gastgeber Truls Toggenburger und Elektrofahrzeug-Pionier Martin Kyburz diskutierte mit ihr auch der Verantwortliche Kreislaufwirtschaft des Kantons Zürich, Balthasar Thalmann, über die ökologische Pionierarbeit im Bau und in der Elektromobilität.
Recycling- und Kreislaufwirtschaft sei nicht dasselbe, so Thalmann. Letztere impliziere drei Ziele: Rohstoffe schonende Produktion, die Schliessung der Kreisläufe (um wenig Deponievolumen zu erreichen), und drittens: möglichst wenig Energie bzw. CO2 zu verschwenden. Während die Kreislaufwirtschaft auf Nachhaltigkeit abzielt, konzentriert sich die Recyclingwirtschaft auf die (rentable) Abfallvermeidung und Zuführung in den Stoffkreislauf.
Batterierecycling à la Kyburz
Martin Kyburz, Gründer der KYBURZ Schweiz AG, wurde als Pionier in der Elektromobilität vorgestellt. Mehr als 25 000 Fahrzeuge seines Unternehmens sind weltweit im Einsatz. Gerade die aufbereiteten Second-Life-Fahrzeuge sind im Ausland beliebt – etwa bei der Post in Österreich oder in Ungarn. Die Batterien würden als letzte Etappe für Energiespeicher bei Immobilien verwendet. Wenn die Leistung dafür nicht reiche, werde die Batterie hausintern in seine Rohstoffe zerlegt. «So schliessen wir den Kreislauf.»
Dafür hat sein Unternehmen eine «bahnbrechende Anlage» fürs Lithiumbatterien-Recycling entwickelt, wie Späni meinte. Ein Team entwickelte eine Anlage zur Wiederverwertung von Batterien, indem sie Kupfer- und Aluplatten, Karbon, Eisenphosphat usw. in reiner Form ausscheidet. Dass die Schweiz keine Rohstoffe habe, stimme so gesehen nicht. «Wir haben alles auf der Strasse, wir müssen es nur aufbereiten», so Kyburz. Kyburz schilderte den steinigen Weg, die Maschine bewilligen zu lassen. Nach der Einholung der Betriebsbewilligung werde dies der nächste Meilenstein sein, um den Prototyp zu vervielfältigen. Das soll mit einem deutschen Industriepartner geschehen.
Thalmann nannte in der Folge Freienstein, den Sitz der Kyburz AG, anerkennend «die Kupfermine der Schweiz». Es steckten viele wertvolle Rohstoffe in der Elektromobilität oder Elektronik. «Denn um Wertstoffe, die fortgeworfen werden, ist es schade.» Gerade in der Bauwirtschaft sei das Innovationspotenzial sehr gross.
Ökonomie trotz Ökologie
Toggenburger musste auch einräumen: Nicht jedes ökologische Produkt findet seinen Markt beziehungsweise lässt sich gewinnbringend vermarkten. Die klassische Alternative: Deponien für Material, für das es noch keine Kreislaufwirtschaft gebe. «Aber auch das Deponieren kostet – das erlaubt uns, einen Preis zu verlangen, um die Verfahren zur Aufbereitung zu entwickeln und anzubieten.»
Die Toggenburger AG leiste sich sogar ein Labor, um den CO2-Abdruck von Beton weiter zu senken. So lasse sich – nebst bereits bekannten Optimierungsmöglichkeiten wie sparsamerem Bauen – Betongranulat mit CO2 anreichern. Der noch grössere Schritt ist die Anreicherung des eigenen Betons mit Pflanzenkohle. «Aber da stehen wir noch am Anfang und haben noch nicht die ökonomische Erfahrung», so Toggenburger. Es gebe auch Kunden, die bereits CO2-reduzierten oder gar CO2-neutralen Beton verlangten. «Das wird unsere Chance sein.»
Für Thalmann fehlt es an Unternehmern, die nach dem Vorbild von Toggenburger und Kyburz Neuland betreten und eine Nische finden, um ihre Innovationen zu verbreiten. Er lobte auch die Nähe zwischen Regulator (Kanton Zürich) und privaten Bauunternehmen, die wichtig sei. Dass die öffentliche Hand etwa Recyclingbeton bestelle, könne die Nachfrage ankurbeln.
Toggenburger erwiderte, dass es auch innovative Kunden gebe. Naturgemäss seien anfänglich Hürden zu überwinden, eine Extrameile für Unternehmen – etwa für den Kontrollaufwand auf der Baustelle – sei unumgänglich. Da stelle sich auch immer die Frage: Braucht es dafür einen Regulator, oder kann die Gesellschaft selber dafür sorgen, dass nachhaltige Produkte gewinnbringend auf den Markt kommen?
Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökologie sei stets zu bedenken, waren sich Toggenburger und Kyburz einig: Erst wenn ein Unternehmen wirtschaftlich sei, könnten Innovationen vorangetrieben werden, fand Kyburz. «Und dann muss nicht jedes Experiment gutgehen.»
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
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