sgv-Winterkonferenz: Energie im Fokus zum Jubiläum

Die KMU-Tagung «sgv-Winterkonferenz» im bündnerischen Klosters fand Mitte Januar zum 75. Mal statt. Das aktuelle Schwerpunktthema «Energie und gute Rahmenbedingungen für KMU» rief Referenten von SECO, ETH sowie Bundesrat Parmelin auf den Plan.

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Bundesrat Guy Parmelin bei seinem Referat.

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sgv-Direktor Urs Furrer.

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Beim Alphorn-Kurs der Teilnehmenden an der sgv-Winterkonferenz.

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Eines der Panels, an dem kontrovers das Thema Energie diskutiert wurde.

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Beim Gala-Dinner vom Eröffnungsabend.

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Werner Scherrer, Präsident des KMU- und Gewerbeverbands Kanton Zürich, mit Ehefrau Ellen.

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Auch Geselligkeit kam nicht zu kurz: Links Gregor Biffiger, Ausschussmitglied des KGV, mit seiner Ehefrau Gaby.

Unter dem Tagungsthema «Energie und gute Rahmenbedingungen für KMU» richtete die 75. gewerblichen Winterkonferenz in Klosters vom 15. bis 17. Januar den Fokus auf den Bereich Energie und die damit verbundenen wichtigen KMU-relevanten Fragen. Am späten Mittwochnachmittag, 15. Januar hat Ständerat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv, die 75. Gewerbliche Winterkonferenz eröffnet.

Im anschliessenden Keynote Referat legte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda, Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO dar, wie der Bund die Rahmenbedingungen für KMU zu verbessern versucht.

Der Vormittag am Donnerstag richtete den Fokus auf die Thematik «Energie und Versorgungssicherheit». Lino Guzzella, bis 2019 Präsident der ETH Zürich, stellte gleich zu Beginn seines Referats klar: «Die Welt hat kein Energieproblem. Die steigende CO₂-Konzentration und das daraus resultierende, sich erwärmende Klima sind die Probleme, die einer Lösung harren.» Und der Energieexperte weiter: «Die massive Erwärmung im Jahr 2024 ist darauf zurückzuführen, dass die Seeschifffahrt keine schwefelhaltigen Treibstoffe mehr verbrauchen darf – und die daraus resultierende Klimakühlung weggefallen ist.»

Die Schweiz brauche sehr viel mehr elektrische Energie, um die angestrebte Defossilisierung voranzutreiben. Doch die vom Volk angenommene Energiestrategie 2050, die dieses Ziel anstrebt, «geht nicht auf», ist sich Guzzella sicher. Im Winter werde es der Schweiz massiv an Energie fehlen. Der Strom werde teurer – «bei 100 Prozent Erneuerbaren sogar schweineteuer.»

Guzzella stellte fest, dass die USA Europa in den vergangenen 15 Jahren ökonomisch abgehängt haben. Grund: Eine verfehlte Energiepolitik diesseits des Atlantiks. «Wir setzen unseren Wohlstand aufs Spiel, wenn wir weiterhin der grossen Illusion erliegen, Sicherheit, Geld und auch Energie seien gratis zu erhalten.» Das Problem CO₂ bedürfe einer ökonomischen statt einer ideologischen Herangehensweise. Der Ausstoss von Treibhausgasen müsse weltweit einen Preis bekommen, es dürfe keine Denkverbote mehr geben – und Forschung und Entwicklung seien die besten Investitionen, um das globale Problem zu lösen.

Axpo-CEO Christoph Brand knüpfte an Guzzellas Aussagen an. Dass der CO₂-Ausstoss einen Preis habe, sei «extrem wichtig». Die erneuerbaren Energien würden weltweit massiv ausgebaut: Eine Entwicklung, die von drastischen Kostensenkungen angetrieben werde. Die «Winterstromlücke» könne dennoch nicht aus Schweizer Produktion geschlossen werden. Der Import von Strom bleibe wichtig, Autarkie eine Illusion – und ein Strom­ab­kommen der Schweiz mit der EU deshalb umso wichtiger.
«Wir leben seit Jahren von der Substanz, die Entsolidarisierung wächst», und das «Energietrilemma» – das Zusammenspiel zwischen Versor­gungs­sicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit – sei nicht gelöst. Nebst einem Stromabkommen seien die Laufzeitverlängerung für bestehende Kernkraftwerke, der grossflächige Bau von Windrädern und – für Dunkelflauten – der Bau neuer Gaskraftwerke vonnöten.

KMU als «Jammeris»?

«Energie, CO2-Reduktion und Kosten» lautet der Titel am Donnerstagabend. Ein Impulsreferat zu Nuklearinnovationen und ihrem Beitrag zur CO2-Reduktion von Wilfried Hahn, Aufsichtsrat Copenhagen Atomics und ein solches von Rudolf Minsch, Präsident der Energie-Agentur der Wirtschaft EnAW, lancierten den Abend.

In der anschliessenden Diskussion wurde die Thematik aus den Blickwinkeln Forschung, erneuerbare Energien, Industrie und Gewerbe beleuchtet. Das Panel bestritten Peter Richner, Stellvertretender Direktor der EMPA, Priska Wismer-Felder, Nationalrätin «Die Mitte» und Co-Präsidentin aeesuisse, Benjamin Schmid, Geschäftsführer Ziegel­industrie Schweiz sowie Patrick Dümmler, Ressortleiter beim sgv.

Wismer-Felder zeigte sich erstaunt über die «negativen Töne», die von den Vorrednern teils angeschlagen worden seien, und bezeichnete die KMU indirekt als «Jammeris». «Schlechtreden von Technologien bringt nichts.» Es brauche Fortschritte bei der Energiewende, jedoch keinesfalls die von Minsch vorgeschlagene Wende von der Wende. «Technische Lösungen gibt es. Nur der Wille ist noch nicht vorhanden.»

Richner plädierte dafür, den Subventionsdschungel zu roden. «Richtige Lösungen setzen sich am Markt durch.» Schmid, der eine energieintensive Branche vertritt, sprach sich für Technologieoffenheit aus. «Damit stabile Energie vorhanden ist, müssen wir im Mittelland wohl neue Kern- oder Gas-Kombikraftwerke bauen.» Dümmler warnte vor der Überregulierung. «Deutschland hat es überzogen. Wir in der Schweiz müssen auf den Markt und die Wirtschaft vertrauen.»

«Heikle Entscheidungen»

Regulierungskosten und Subventionen: Dies war der thematische Schwerpunkt der Konferenz am Freitag. Höhepunkt war die Keynote von Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher des eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). «Die Zeiten, in denen wir leben, sind unsicherer geworden», stellte der Wirtschaftsminister fest. Eine ungewöhnliche Häufung von Krisen, eine zunehmend fragmentierte Weltpolitik sowie die Tendenz zur Block­bildung führten Parmelin zum Schluss: «Die seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende internationale Ordnung wird schwer erschüttert.» Dadurch gerate auch die Schweiz zunehmend unter Druck, es stünden «heikle Entscheidungen» an. Umso mehr gelte es, die Stärken der Schweiz zu fördern respektive zu erhalten: Den flexiblen Arbeitsmarkt, eine an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausgerichtete Berufsbildung, eine moderate Steuerbelastung sowie die Schuldenbremse, welcher eine entscheidende Rolle zukomme. «Zu diesen Stärken müssen wir unbedingt Sorge tragen.»

Parmelin sprach sich deutlich gegen jegliche Industriepolitik aus, welche Grossunternehmen gegenüber den KMU bevorzugten. Besser seien ein schlanker Staat und tiefe Steuern.

Zur nötigen Reduktion der administrativen Belastung trage das seit 2024 in Kraft getretene Unternehmensentlastungsgesetz bei. «Der Schweizerische Gewerbeverband hat diesen Prozess in Gang gebracht», so der Wirtschaftsminister. Zudem sei EasyGov wichtig, der Online-Schalter, in dem sich schon mehr als 100 000 Unternehmen registriert haben, welche darüber aktuell 59 Behördendienstleistungen direkt digital abwickeln können.

Vor Bundesrat Parmelins Auftritt hatte ein Referat «Der lenkende Staat – von Subventionen und Vorschriften» von Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik und stv. Direktor Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, den Morgen lanciert. Scheidegger stellte fest, dass die Wahrnehmung der administrativen Belastung in der Wirtschaft – hier bleibt sie die Hauptsorge – und der Bevölkerung unterschiedlich sei.

Mit einem launigen Referat zum leidigen Thema ESG-Regulierung überzeugte Beat Brechbühl, Rechtsanwalt und Managing Partner bei Kellerhals Carrard. Die aktuelle Nachhaltigkeitsreligion ESG –Environmental, Social and Corporate Governance – stelle Form vor Substanz, Nachhaltigkeitsreports wirkten als «Beruhigungspillen und Nebelpetarden», ein Hüst und Hott in Sachen Regulierung könne per se nicht nachhaltig sein, so Brechbühl. «ESG reduziert die Wertschöpfung und schadet so insbesondere den KMU.» Brechbühl plädierte für «GMV statt ESG»: Gesunder Menschenverstand statt Deklarationsverpflichtungen à gogo.

Anschliessend diskutierte eine Gesprächsrunde mit den Nationalräten Lars Guggisberg (SVP/BE) und Heinz Theiler (FDP/SZ), Daniel Wyss, Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenhändlerverbands sowie Urs Furrer, Direktor des sgv, die Thematik. «Die Linke hat es geschafft, dass ‘die Wirtschaft’ in der Bevölkerung mit den Konzernen gleichgesetzt wird», stellte Guggisberg fest. «Das müssen wir ändern, andernfalls werden wir weitere Abstimmungen verlieren.»
Furrer wies darauf hin, dass Regulierungen – auch im Bereich ESG – immer wieder als Mittel im Konkurrenzkampf missbraucht werden und richtete einen Appell an die Politik: «Denkt an die KMU, wann immer ihr Regulierungen beschliesst.» Denn immerhin machen die über 600 000 Schweizer KMU stolze 99,8 Prozent aller Unternehmen in unserem Land aus – nicht nichts, müsste man meinen.

Wie gewohnt wurden die Politdiskussionen von einem attraktiven Rahmenprogramm begleitet. Dazu gehörte der Apéro vom Mittwochabend, offeriert von der Gemeinde Klosters und der Destination Davos Klosters und das grosse Abendessen in der Arena Klosters.

Am Donnerstag über Mittag gabs einen Lunch mit Alphornseminar im Restaurant Miraina, offeriert vom Bündner Gewerbeverband. Und nach Abschluss der 75. Gewerblichen Winterkonferenz wurden die Teilnehmenden mit Taxi-Bussen zum Berghaus Alpenrösli zum Fondueplausch kutschiert. Mit fakultativer anschliessender Schlittenfahrt nach Klosters.

Zürcher Wirtschaft

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