«Vor Trump war die Welt einfacher»
Der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich lud am 11. September ins Zunfthaus zur Meisen zum 12. Partneranlass ein. Das Gastreferat «Trump 2.0: Bedeutung für die Schweiz» von Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, hätte nach dem Zoll-Hammer nicht aktueller sein können.
19. September 2025 Mark Gasser
Rahul Sahgal (Mitte) wird von KGV-Präsident Werner Scherrer (rechts) vorgestellt.
Beim Apéro mit den KGV-Partnern.
Beim Apéro mit den KGV-Partnern.
Rahul Sahgal, CEO der AmCham.
Der 12. Partneranlass des KGV mit rund 30 Sponsoren und Partnern liess KGV-Präsident Werner Scherrer einige vergangene Abstimmungen revue passieren: Stets hatte die Wirtschaft das Nachsehen, und die Forderungen von Linksgrün würden immer dreister – zuungunsten der Wirtschaft und des dualen Bildungssystems. Jüngstes Beispiel: 8 Wochen Ferien für Lernende. Daher sei der KGV auch angewiesen darauf, für seine politische Arbeit ein starkes Netzwerk zu pflegen und auf starke Partner zählen zu können.
Dann wurde es wirtschaftspolitisch hoch aktuell: Rahul Sahgal (48), ehemaliger Diplomat und Botschaftsrat in Washington, ist seit rund einem Jahr CEO der Schweiz-Amerikanischen Handelskammer, hat schon mehrmals seine Einschätzung zur US-Politik in der «Zürcher Wirtschaft» abgegeben. Am 12. KGV-Partneranlass im «Zunfthaus zur Meisen», zu dem rund Sponsorinnen und Inserenten beiwohnten, war Sahgal nun als Gastredner geladen. Sein Thema hätte aktueller nicht sein können: «Trump 2.0: Bedeutung für die Schweiz».
USA als Schlüsselpartner
Sahgal machte deutlich, wie zentral die Vereinigten Staaten für die Schweiz sind. Mit einem Exportanteil von 18 Prozent sind sie der wichtigste Einzelmarkt ausserhalb der EU. «Deutschland war über 70 Jahre unser grösster Abnehmer, heute sind es die USA», erklärte er. Auch auf der Investorenseite spielen die USA eine führende Rolle: Sie sind der grösste ausländische Direktinvestor in der Schweiz.
Besonders ins Gewicht fallen dabei die multinationalen Unternehmen. Zwar stellen sie nur vier Prozent aller Firmen, schaffen jedoch mehr als ein Viertel aller Arbeitsplätze, erwirtschaften ein Drittel des Bruttoinlandprodukts und tragen fast die Hälfte der Unternehmenssteuern. «Diese Unternehmen sind für unsere Steuerbasis immens wichtig», so Sahgal. In den letzten zehn Jahren haben sich die Schweizer Exporte in die USA mehr als verdoppelt, und die Schweizer Direktinvestitionen in Amerika stiegen seit 2007 um 131 Prozent.
Zölle und Verhandlungen
Doch die Erfolgsgeschichte ist unter Druck geraten. Nach einer ersten Ankündigung im April waren für die Schweiz Zölle von 31 Prozent vorgesehen – und nach einem Telefonat zwischen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Trump anfangs August stieg der Satz sogar auf 39 Prozent. «Damit befinden wir uns in einer Liga mit Syrien oder Burma», so Sahgal.
Zwar bemühe sich der Bundesrat um eine Lösung: Wirtschaftsminister Guy Parmelin war jüngst in Washington zu Gesprächen. Doch ob und wann die Zölle wieder sinken, bleibt offen. Sahgal zeigte sich vorsichtig optimistisch, wies aber auch darauf hin, dass die Schweiz ihre Handelspolitik breiter aufstellen müsse – etwa durch Abkommen mit Mercosur, Indien oder eine neue Runde der bilateralen Verträge mit der EU.
Trump 2.0: Chancen, Risiken
Trumps Aktivismus ist beeindruckend – oder je nach Sichtweise beängstigend: Sahgal erinnerte daran, dass Trump allein in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit 137 «Executive Orders» erlassen habe – weit mehr als seine Vorgänger. «Er war deutlich besser vorbereitet, als viele dachten.»
Die Grundhaltung «America First» bleibe bestehen: Protektionismus, Zölle und der Anspruch auf Reziprozität im Handel. Trotz einseitiger Auslegung der Güter-Exportbilanz warnte Sahgal davor, sich in der Schweiz von Emotionen leiten zu lassen. «Wir müssen ausgewogen bleiben und dürfen keine Gegenreaktionen provozieren, die uns am Ende selbst schaden.»
Gleichzeitig sieht er in den USA einen unverzichtbaren Partner: Kalifornien allein erwirtschaftet heute ein Bruttoinlandprodukt auf dem Niveau Indiens, die gesamte US-Wirtschaft ist rund 1,5-mal so gross wie die der EU. Auch bei Innovationen, von Digitalisierung bis Robotik, bleiben die USA globaler Taktgeber.
Belastungsprobe für KMU
Besonders hart trifft die Entwicklung die kleinen und mittleren Unternehmen. Während Grosskonzerne ihre Produktion direkt in den USA ausbauen und so Zölle umgehen können, stehen viele KMU vor verschlossenen Türen. «Für kleine Firmen ist der US-Markt oft schlicht tot», sagte Sahgal. Dies sei besonders dramatisch, da die industrielle Basis in der Schweiz ohnehin unter Druck stehe – von der Schwäche der EU über den starken Franken bis zu steigenden Steuerlasten. Die Betroffenheit variiert stark nach Branche und Region.
Sahgal schloss mit einem Appell, die Schweiz müsse offen bleiben und ihre Attraktivität für Forschung und Entwicklung stärken. Nur so könne sie in einem zunehmend protektionistischen Umfeld bestehen. «Vor Trump war die Welt einfacher», resümierte er. «Aber vielleicht wird sie nach dieser Phase der schumpeterschen kreativen Zerstörung am Ende sogar besser sein.»
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
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