Vier Pop-Art-Fäuste für den Lokaleinkauf

Unter dem Motto «Nöd egal. Chauf lokal.» setzen sich die lokalen Gewerbevereine und ihre Mitglieder gemeinsam mit dem Bezirksgewerbeverband Hinwil (BGV) für eine vielfältige Wirtschaft und ein florierendes Dienstleistungsangebot vor Ort ein. Denn schlagkräftige Argumente für den Lokaleinkauf gibt es viele.

Ob Kochlöffel…

Werkzeug…

Blumen als Zeichen fürs blühende Gewerbe,…

…oder eine Einkaufstasche: Der Bezirksgewerbeverband Hinwil will den lokalen Einkauf mit seiner neuen Kampagne stärken.

Im Zürcher Oberland herrscht heile Welt für Detailhandel und Kleingewerbe. Könnte man jedenfalls meinen: Keine Klimaaktivisten, die sich auf die Strasse kleben und den Zugang zu Läden verhindern, keine Staus, keine Expats, die Kommunen in Schlafdörfer verwandeln. Aber auch das Gewerbe auf dem Land macht sich Sorgen – und statt Trübsal zu blasen, formuliert der Bezirksgewerbeverband Hinwil (BGV) nun in einer Kampagne positive Slogans nach dem Motto «Jetzt erst recht» für die Region: Der BGV will auf das Verbindende der Region aufmerksam machen.

Nicht vor Online kapitulieren

Dieses Wir-Gefühl heraufzubeschwören, ist aktuell mehr denn je nötig, findet der BGV – gerade nach der Belastungsprobe von zwei Jahren Coronakrise. So gebe es Anlass zur Hoffnung, wenn die Konsumenten gerade in solchen Zeiten bewusst handeln, sprich: vor Ort einkaufen oder den Online-Einkauf bei einem regionalen Anbieter tätigen. Und diese Botschaft will der Bezirksgewerbeverband Hinwil (BVG) gemeinsam mit allen Wirtschaftsteilnehmern in der Region verbreiten. Mit der Kampagne «Nöd egal. Chauf lokal» soll ein Zeichen gesetzt werden. «Es unterstreicht unsere Haltung, den gemeinsamen Gedanken. Und der kann reichhaltig Früchte tragen, wenn er gelebt wird», schreibt der BGV in einer Mitteilung zu seiner neuen Kampagne, um das lokale Gewerbe zu stärken.

Sogar einen Country-Rock-Song von Panikhertz mit kratziger Männerstimme, der die Vorzüge des Lokaleinkaufs und das Zürcher Oberland anpreist, hat Kampagnenmacherin Charlotte Gyolay geschaffen. «Es isch nöd egal. Regional, i dim Lokal, all händ e Wahl», heisst es im Lied. Und dann: «Erst wenns nümme da isch, denn merkt mer was eim fehlt.» Die schleichende Erosion des Lokalbezugs beim Konsum in einfache Worte gefasst.

Bewusst das Lokale wählen

So steht der Bezirksgewerbeverband Hinwil (BGV) mit seinen Mitgliedern und allen örtlichen Gewerbetreibenden mit kernigen Botschaften für einen starken Standort ein. Dafür, dass Lokales wie eine wertvolle Pflanze gehegt und gepflegt wird. Bestehendes soll unterstützt, erhalten und weiterentwickelt werden – und auch sinnbildlich Neues gesät und geerntet: Das illustrieren einige der Sujets, welche eine Faust darstellen, die in die Luft gereckt wird, während sie wahlweise Blumen, einen Schraubschlüssel, einen Kochlöffel oder eine Einkaufstasche umklammert.
Im Kleinen viel bewirken: Wer vor die Haustüre tritt und sich für den lokalen Einkauf und das örtliche Handwerk entscheidet, stärkt damit die ganze Region – auch wenn das in einer globalisierten Welt etwas Überwindung braucht. «Hier vor Ort findet das Leben statt. Es ist mehr als Einkaufen. Es sind die Begegnungen. Das Persönliche. Das Miteinander. Das Füreinander.» Mit anderen Worten: Der lokale Einkauf gehört zu den unverzichtbaren Zutaten des Elixiers, welches den Reiz des Gesellschaftslebens überhaupt ausmacht – umso mehr in ländlichen Gebieten.

Faust statt Fingerzeig

Die kämpferische Faust soll untermauern, dass es eben «Nöd egal» ist, wo man einkauft. Die erste Variante der Kampagne wäre sogar provokativ am 1. Mai lanciert worden. «Auch, um anzuecken», sagt Creative Director und Agenturinhaberin Charlotte Gyolay, die auch im Vorstand des Gewerbevereins Wetzikon ist. Für viele Unternehmen nach zwei Coronajahren ging es schliesslich darum, um etwas zu kämpfen. Doch die Wirtschaft ankurbeln mit einem Symbol, das für den Sozialismus steht? Diesen Widerspruch habe man bewusst gewählt: Die Symbolik der geballten Faust, ausgerechnet in der Sowjetunion geprägt, dazu noch von der Arbeiterbewegung, ist als Hauptmotiv vorbelastet. Wer so weit denkt, könnte zum Schluss kommen: Für den Lokaleinkauf lohnt es sich, auf die Strasse zu gehen. So oder so: Die Kampagne regt zum Denken an.

«Das allererste Sujet in den bekannten Rottönen erinnerte aber zu stark an die russische Revolution und war zu Kriegsbeginn in der Ukraine nicht mehr so umsetzbar», erklärt Gyolay die überarbeiteten Sujets. Doch der Gedanke hinter der geballten Faust überzeugte den BGV Hinwil weiterhin – denn er suggeriert laut Gyolay die Formel: «Jeder Kunde, jede Kundin hat es für den Erfolg in der eigenen Hand, etwas zu tun. Es ist 5 vor 12 – und nicht egal.» Und dass das lokale Gewerbe der Verlagerung ins Internet nicht tatenlos zusehen will, wird ebenfalls durch die Faust zum Ausdruck gebracht. Es sei ein bewusstes Spiel mit Widersprüchen. Der Fingerzeig mit der Moralkeule sei verpönt, dafür werde mit der Faust subtiler darauf hingewiesen, dass eine lebenswerte Region mit intakten Geschäften eben nicht über Einkäufe bei Wish und Amazon gewährleistet wird. «Nöd egal» will heissen: Jede Aktion hat Konsequenzen – auch jede Kaufaktion. Ein bisschen Moralismus schwingt natürlich bei dieser Kampagne ebenfalls mit, da der Kampf um Kunden eben auch als Kampf gegen die innere Geiz-ist-geil-Mentalität interpretiert werden kann. Und ein Kampf um die Bewusstmachung: Was heisst es, wenn ich mit meinem Kaufverhalten immer online bin – mich aber im gleichen Atemzug über ein schwindendes Angebot in der Region beklage?

In der Summe gibt es also viele gute Gründe, die Geschäfte in unmittelbarer Nähe zu berücksichtigen. Im Detailhandel genauso wie im Dienstleistungs- oder Handwerkssektor. Für das rundum gute Gefühl, in der Region zu Hause zu sein. Darum gilt, statt die Faust im Sack zu machen und den Untergang zu beschwören: Jeder lokale Einkauf zählt, jeder regional umgesetzte Franken. Doch dabei haben es die Konsumenten in der eigenen Hand, wie die regionale KMU-Wirtschaft in Zukunft aussehen soll.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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