«Unser Problem ist Deutschland»

Die Nachfrage nach Wärmepumpen ist im vergangenen Jahr explodiert. Auch das Energiegesetz im Kanton Zürich verstärkt den Druck auf Besitzer von Öl- oder Gasheizungen. Doch in der Branche wird nebst dem Fachkräftemangel ein anderer Grund genannt für den aktuellen Stau: Der deutsche Heizungsmarkt soll bis 2024 total umgekrempelt werden.

Bild Mark Gasser

Claudio Rosset vor dem Testgerät, einer für Sanierungen geeigneten Split-Wärmepumpe, im Lager in Kleinandelfingen.

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Claudio Rosset vor dem Testgerät, einer für Sanierungen geeigneten Split-Wärmepumpe, im Lager in Kleinandelfingen.

Claudio Rosset, Geschäftsführer der Peter Wärmepumpen GmbH in Kleinandelfingen, spürt die erhöhte Nachfrage – und wie. «Ich erhalte jetzt zum Teil Wärmepumpen, die ich Ende letztes Jahr beim Hersteller bestellt habe», sagt Rosset. Dieses Jahr hat der Kleinbetrieb zwei neue Mitarbeiter eingestellt. Der Engpass hänge aber nicht in erster Linie mit Lieferproblemen von Komponenten oder dem Ukrainekrieg, sondern zu einem grossen Teil mit der explodierenden Nachfrage eines Landes zusammen: Deutschland. Momentan werde dort der Bedarf bei rund 200 000 Wärmepumpen im laufenden Jahr geschätzt, während es im Vorjahr noch 154 000 waren – also ein Wachstum um 30 Prozent. «Damit hat dann die ganze Branche zu kämpfen. Wir konnten die Stückzahlen auch in der Schweiz steigern, aber das sind dann vielleicht 40 000 im Gegensatz zu rund 30 000 vor Jahresfrist». Kurzum: Viele Hersteller können bei der Produktion nicht mit der Nachfrage mithalten. In Deutschland werden jährlich schätzungsweise 650 000 Gasheizungen verbaut. Weitere rund 270 000 Heizsysteme teilen sich in Wärmepumpen, Biomasse, Elektro-, Pellets- und Holzheizungen auf. «Diese Zahl will man bis ins Jahr 2024 sukzessive auf rund 500 000 erhöhen», weiss Rosset. Dass die halbe Million Wärmepumpen jährlich «machbar» sei, verkündete Wirtschaftsminister Habeck kürzlich am «Wärmepumpengipfel» in Berlin – und kündigte im Rahmen der Strompreisbremse auch Sonderrabatte an. Nachbarländer wie Frankreich oder Österreich setzen schon länger auf Wärmepumpen und weniger auf Gas.

Bremst Strompreis Nachfrage?

Die Lieferprobleme werden allerdings verschärft durch den Mangel an Komponenten oder Baustoffen – seien dies Kunststoffgranulat, Chips oder Bauteile wie Ventilatoren oder Verdampfer. «Wenn heute jemand eine Wärmepumpe bestellt, dann ist – je nachdem wie gross und leistungsstark diese ist – mit einer Lieferung in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu rechnen», sagt Rosset. Einige besonders gefragte Modelle könnten auch länger auf sich warten lassen. Ausnahme zur Regel sei ein Schweizer Hersteller, der nicht nach Deutschland exportierte und innert drei Monaten liefern könne.

Die aktuelle Nachfrage müsste durch die Explosion der Strompreise etwas gedämpft worden sein – könnte man meinen. «Der Strompreis wirkt sich bis jetzt noch nicht auf die Nachfrage nach Wärmepumpen aus», so Rosset. Die Energiekosten machten auf die Lebenszeit einer Wärmepumpe hochgerechnet nur einen Drittel aus, den Löwenanteil verschlinge die Investition in die Technik. «Um daher die Lebenszeit zu erhöhen, rate ich dazu, eine qualitativ gute Wärmepumpe zu kaufen statt ein Billigprodukt.»

Anderseits habe das Zürcher Energiegesetz, das erst seit 1. September in Kraft ist, die Nachfrage nicht spürbar erhöht. «Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Installateure schon volle Bücher und saisonbedingt viel zu tun.» Was Rosset aber freut: Lange schien es, als ob Gemeinden bei der Umsetzung des Energiegesetzes zwar «viel Spielraum» erhalten sollten – aber dass sie gleichzeitig auf sich allein gestellt sein würden. Regierungsrat Martin Neukom hat deshalb im Rahmen einer «Beschleunigungsvorlage» für Solaranlagen, Wärmepumpen, Fernwärmeanschlüsse und E-Ladestationen verschiedene Verfahrenserleichterungen beschlossen: An die Stelle eines Baubewilligungsverfahrens mit detaillierter Prüfung soll ein Meldeverfahren treten. Wenn die Verwaltung innert Monatsfrist nicht reagiert, «gilt das Projekt als genehmigt», sagte Neukom auf seinem Youtube-Kanal. Dadurch würden auch weniger Gebühren verrechnet. Das bedeutet allerdings auch: Die Rekursmöglichkeit für Nachbarn im Meldeverfahren ist nicht mehr gegeben. «Mir ist das zügige Vorankommen der Energiewende wichtiger. Es pressiert jetzt auch wirklich», meinte Neukom dazu. Die angepasste Bauverfahrensverordnung soll am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Der Hauseigentümerverband Kanton Zürich (HEV) bezog von Anfang an kritischer gegen das Energiegesetz Stellung – der Kanton Zürich verhängt für Hausbesitzer eine Verschärfung in mehreren Bereichen gegenüber den meisten anderen Kantonen. Der Verband kritisierte insbesondere die starren Vorgaben zum Heizungsersatz, die just in eine Zeit fallen, in der ein akuter Lieferengpass bei Wärmepumpen herrscht. Hans Egloff, Präsident des HEV Kanton Zürich, stellte in einem Kommentar bereits im Juni fest, dass bei Wärmepumpen «einiges im Argen liegt. Es fehlt das Material, die Anlagen können nicht oder nur mit sehr langen Lieferzeiten zur Installation angeboten werden. Fachleute – ausreichend qualifizierte Installateure und Monteure – fehlen auch.» Wem die (fossile) Heizung aussteige, der werde sich wohl für einige Monate mit einer (fossilen) Notheizung behelfen müssen. Die nötige Anzahl der Systeme und deren zeitliche Nutzung würden bestimmt zu einem Engpass führen. «Friktionen, etwa mit der Mieterschaft, sind quasi vorprogrammiert.»

Erst Dämmung, dann Heizung

Der Heizungsmangel bestätigt sich nun wie erwähnt in der Praxis. Dass sich Projekte stauen, habe auch, aber nicht nur, mit dem Energiegesetz zu tun, meint auf Anfrage Maximilian Müller, Architekt und Leiter Baumanagement des HEV Zürich. Aktuell warte man nach Bestellung einer Wärmepumpe zwischen 7 und 9 Monate auf deren Lieferung. Und nicht nur das: Wer eine Erdsondebohrung in Auftrag gibt, muss gemäss dem Wärmepumpenverband aktuell rund ein Jahr auf die Bohrequipe warten.

Die zunehmenden Anfragen von Hausbesitzern seien aber nicht Ausdruck einer Panik, die das Energiegesetz angeheizt habe. Vielmehr habe dieses, so Müller, die Sensibilisierung der Hauseigentümer noch verstärkt: «Die HEV-Mitglieder planen ihren Heizungsersatz langfristig. Es geht dabei immer um die strategische Ausrichtung der Liegenschaft. Daher empfehle ich zuerst immer, die energetischen Schwachstellen zu eliminieren: Fenster, Dächer, Türen oder Fassaden beispielsweise, wo viel Energie verloren geht.» Erst danach sei das Haus gerüstet, um eine richtig dimensionierte Heizung zu wählen.

Nun könnte man vorhalten: Das Energiegesetz stellt genau diese logische Reihenfolge auf den Kopf, wenn zu einem unlogischen Zeitpunkt eine neue Heizung eingebaut wird – aus Angst, auf eine Notversorgung zurückgreifen zu müssen, wenn die Lieferung lange auf sich warten lässt. Denn aktuell ist der Ersatz einer fossilen mit einer nicht fossilen Heizung erforderlich, wenn die Öl- oder Gasheizung altersbedingt ersetzt werden muss – oder bei einem Neubau. Trotz diesem latenten Risiko rät Müller Hausbesitzern, nicht in Panik zu verfallen. «Zunächst ist es wichtig, bei den Liegenschaften die Schwachstellen zu eliminieren und erst dann die Ölheizung zu ersetzen.» Sprich: Erst den Energieverbrauch reduzieren und die Liegenschaft gut dämmen. Eine langfristige Strategie sollte auch bei der Ausführung zur Anwendung kommen – vom Vertragsabschluss über den koordinierten Bauablauf hin zur Bestellung des Materials und der Organisation der Fachleute.

Maximilian Müller vermutet, dass durch die langen Lieferzeiten von Wärmepumpen der Druck auf die Fachkräfte – etwa Heizungstechniker und Energieberater – sich etwas entschärfe. «Aber die Belastung ist hoch. Das Problem wird dadurch einfach verzögert. Ich kenne, glaube ich, keine Firma, die keine Fachkräfte sucht.» Aktuell berät auch Müller selber wegen des Ansturms auf Wärmepumpen mehr als sonst. Doch er kann den Lieferengpässen und der Energiekrise auch Positives abgewinnen: Es werde nicht mehr so kurzfristig gebaut. «Heute schaut man viel genauer hin vor dem Start der Bauarbeiten, ob die Produkte auch vorhanden sind», so Müller. Die meisten neuen Systeme seien Erdsonden oder Luft-Wasser-Wärmepumpen.

Der Trend hin zu sparsameren und erneuerbaren Energiequellen ist allerdings nicht neu, wie Hans Egloff in einem Interview im «Zürcher Hauseigentümer» darlegte: Gemäss aktuellen Zahlen des Bundes habe der Gebäudesektor die Emissionen 2020 gegenüber 1990 bereits um markante 39 Prozent gesenkt. «Dies notabene bei einem Bevölkerungswachstum seit 1990 von rund 29 Prozent. Pro Kopf sind die CO2-Emissionen im Gebäudebereich seit 1990 folglich um rund 53 Prozent gesunken.» Zahlen, die gemäss Egloff belegten, dass Hauseigentümer bereits sehr viel für die Umwelt und das Klima machten.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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