Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stellt eine ernste Herausforderung dar. Sie gefährdet nicht nur das Wohlbefinden der Betroffenen, sondern hat auch negative Auswirkungen auf die Leistung und das gesamte Arbeitsklima. Arbeitgebende sollten deshalb die erforderlichen Massnahmen treffen, um solche Übergriffe zu verhindern.
30. Juni 2025 Rolf Ringger
Rund 33 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz haben bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren.
Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2024 brachte zutage, dass rund 33 Prozent der erwerbstätigen Personen in der Schweiz bereits sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz erfahren und rund 20 Prozent der Arbeitgebenden keine Massnahmen zur Verhinderung solcher Übergriffe getroffen haben.
Sexuelle Belästigung
Sexuelle Übergriffe umfassen ein breites Spektrum unerwünschter Verhaltensweisen, die von sexuellen Belästigungen, wie obszönen Bemerkungen und unerwünschten Berührungen, bis hin zu schwerwiegenden Straftaten, wie sexueller Nötigung oder Vergewaltigung, reichen. Sexuelle Belästigung kann verbal, nonverbal oder physisch erfolgen, so durch anzügliche oder peinliche Bemerkungen, sexistische Äusserungen und Witze, Versenden unangemessener Nachrichten, unerwünschte Körperkontakte, Nachstellung innerhalb und ausserhalb des Betriebes, Annäherungsversuche mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen, Anstarren, Hinterherpfeifen, taxierende Blicke, Verbreitung (Zeigen, Aufhängen, Auflegen) von pornographischem Material u.a.m.
Von sexueller Belästigung können Arbeitnehmende jeglichen Geschlechts betroffen sein, wobei die Belästigung von Arbeitnehmenden sämtlicher Geschlechter ausgehen kann. Ein hierarchisches Machtgefälle zwischen Täter und Opfer wird nicht vorausgesetzt. Belästigende Verhaltensweisen können sowohl von Arbeitnehmenden gleicher Hierarchiestufen als auch von Vorgesetzten ausgehen. Dabei ist die Absicht der agierenden Person nicht massgebend, sondern vielmehr, wie ihr Verhalten bei der betroffenen Person ankommt, d.h. wie es von ihr subjektiv wahrgenommen wird.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Normen, welche sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ausdrücklich oder sinngemäss thematisieren und regulieren, finden sich in verschiedenen Gesetzen, so im Arbeitsgesetz (ArG), Obligationenrecht (OR), Gleichstellungsgesetz (GlG) und Strafgesetzbuch (StGB):
(i) Nach Art. 6 ArG und Art. 2 der Verordnung 3 zum ArG haben Arbeitgebende Massnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der Arbeitnehmenden zu wahren und zu verbessern.
(ii) Art. 328 OR verpflichtet die Arbeitgebenden, die Persönlichkeit des Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen sowie für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Dazu gehört auch, dass Arbeitnehmende nicht sexuell belästigt werden und dass den Betroffenen von sexuellen Übergriffen keine weiteren Nachteile entstehen. Die Verletzung dieser Schutzpflicht kann arbeitsrechtliche und andere zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
(iii) Art. 4 GlG definiert sexuelle Belästigung als Diskriminierung und Art. 5 GlG verpflichtet den Arbeitgebenden, Präventions- und Reaktionsmassnahmen zu ergreifen. Unterlassung dieser Pflichten kann zu Entschädigungen an Betroffene führen. Hervorzuheben ist zudem, dass Betroffene Schutz vor beruflichen Nachteilen geniessen, wenn sie Vorfälle melden.
(iv) Art. 189 und 190 StGB stellen sodann schwere sexuelle Übergriffe, wie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, unter Strafe. Es können Freiheitsstrafen verhängt werden und es besteht die Möglichkeit, in einem Strafverfahren auch Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche gegenüber dem Täter geltend zu machen.
Pflichten der Arbeitgebenden
Die Pflichten der Arbeitgebenden sind auf Prävention, Intervention und Unterstützung gerichtet:
(i) So sind Arbeitgebende verpflichtet, ein respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen, insbesondere durch Schulungen, interne Verhaltensrichtlinien und klare Kommunikation.
(ii) Zur Prävention gehören auch das Bereitstellen von anonymen Meldekanälen und das periodische Überprüfen der Unternehmenskultur.
(iii) Werden sexuelle Übergriffe gemeldet, muss der Arbeitgebende zeitnah reagieren. Dazu zählen die Untersuchung der Vorwürfe, das Ergreifen geeigneter interner Organisations- und/oder Disziplinarmassnahmen oder das Einleiten rechtlicher Schritte. Wichtig ist zudem das Dokumentieren des Vorfalls und der ergriffenen Massnahmen.
Rechte der Betroffenen
Betroffene sexueller Übergriffe haben Anspruch auf ein sicheres Arbeitsumfeld. Sie müssen den Vorfall beim Arbeitgebenden oder einer definierten Ansprechperson melden können. Hierzu sollten spezifische Richtlinien erstellt und Vertrauenspersonen etabliert werden.
Betroffene können Ansprüche zivil- oder strafrechtlicher Natur geltend machen, inkl. Forderungen auf Entschädigung und Genugtuung. Art. 5 GlG sieht zudem auch Entschädigungsansprüche gegen Arbeitgebende vor, wenn diese nicht nachweisen können, dass sie angemessene und zumutbare Massnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigungen getroffen haben. Zudem besteht ein Kündigungsschutz des betroffenen Arbeitnehmenden während eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder eines Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus.
Die Wahrung der persönlichen Integrität des Arbeitnehmenden ist gesetzlich verankert und deshalb betrieblich zwingend umzusetzen. Arbeitgebenden ist deshalb zu empfehlen, mit geeigneten Strukturen, klaren Verfahren und glaubwürdiger Kommunikation sicherzustellen, dass sexuelle Belästigung nicht toleriert wird und Verstösse geahndet werden. Hilfreich ist hierfür das Erstellen einer Checkliste. Sie zeigt, mit welchen Instrumenten und Massnahmen sexuelle Belästigungen im Betrieb verhindert und bekämpft werden können.
Rolf Ringger
ist Partner bei der Anwaltskanzlei BEELEGAL und publiziert Ratgeberbeiträge in der «Zürcher Wirtschaft».
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