Nachfolgeszenarien für KMU
Die Unternehmensnachfolge hat volkswirtschaftlich eine grosse Bedeutung. Der «Unternehmer-Zvieri» von KGV, Zürcher Kantonalbank und weiteren Partnern beleuchtete die Nachfolge aus verschiedenen Perspektiven: seitens der Wissenschaft, der Psychologie, der Marktperspektive und der gelebten Praxis.
19. August 2025 Mark Gasser
Claudia Buchmann mit Übernehmer Fabian Mäder (links) und Übergeber Roger Marquart.
Seit rund 10 Jahren wird der von KGV, Zürcher Kantonalbank und OBT organisierte «Unternehmer-Zvieri» durchgeführt, diesmal am 26. Juni im Toni-Areal, wo heute die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) domiziliert ist. «Man sieht, das Thema interessiert», meinte einleitend KGV-Geschäftsführer Thomas Hess vor rund 140 interessierten KGV-Mitgliedern. Das Thema wurde in den darauffolgenden knapp zwei Stunden seitens der Wissenschaft, der Psychologie, aber auch der Praxis beleuchtet.
Nachfolgeexpertin Claudia Buchmann (St. Galler Nachfolge) stellte fest: Unternehmenskultur und Strategie sind stark vom Charakter der Führung geprägt. Übernehmer sollten entscheiden, ob sie das Unternehmen unverändert fortführen oder neu prägen wollen. Sie erläuterte Varianten wie Familiennachfolge, Management-Buyout/-Buy-in und M&A. Familiennachfolge bleibt die häufigste Form, sinkt aber von 60% auf 40%. 70% der KMU finden eine Nachfolge – 95% davon bestehen auch fünf Jahre später noch.
Die psychologische Ebene der (Familien-)Nachfolge behandelte Ladina Schmidt, Psychologin und Laufbahn- und Organisationsberaterin von der ZHAW IAP (Institut für Angewandte Psychologie). Gerade Familiendynamiken können Einfluss auf die Dynamik des Unternehmens haben. Schmidt wies auf die psychologischen Risiken hin, etwa die «Parentifizierung», oder das Handeln im Sinne des Patrons aus Konkurrenz- oder Schuldgefühlen. Oder das Gegenteil davon als Gegenreaktion.
Trotz dieser Warnsignale kann das Zusammenspiel aber funktionieren, wenn etwa die Übergeber eine eigenständige Entwicklung der Nachkommen unterstützen, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und den Zusammenhalt im Übergabeprozess durch Kommunikation fördern.
Julia Gathen, Mandatsleiterin M&A bei OBT, führte das Szenario eines externen Verkaufs aus. So herrsche anfänglich immer eine Informationsasymmetrie: Der Unternehmer kenne die Firma sehr gut, die Kundenstruktur, die Finanzen. Die Käuferin kenne die Firma und den Verkäufer hingegen noch nicht. Grundstein für die Verhandlung seien daher Unterlagen, die Vertrauen schaffen: Verkaufsdokumentationen, ein Dossier mit der Kundenstruktur, oder die Kaufpreisindikation. Gathen mahnte aber: Erst, wenn eine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) unterzeichnet wurde, können der Name des Unternehmens und die Unterlagen freigegeben werden.
Wie bewertet man ein KMU?
Julian Zurkirchen, Mandatsleiter Transaction Services, OBT AG, stellte Bewertungsvarianten eines Unternehmens vor. Dabei gilt: Wert ist nicht gleich Preis. Als Datengrundlage präsentierte er einen bunten Strauss von Punkten, die es zu berücksichtigen gilt: das Organigramm, die letzten Jahresrechnungen, Budget und Finanzpläne (falls vorhanden), die Aufstellung stiller Reserven, oder das Anlagevermögen (aus Bewertungssicht: Wiederbeschaffungswert und effektive Abschreibungen).
Er wies auch auf drei Learnings aus der Bewertungspraxis hin: 1. Bereinigte und neutralisierte Jahresabschlüsse bilden die Basis jeder Bewertung. 2. Ein Käufer will immer wissen, was er in der Zukunft mit dem Unternehmen verdienen kann. 3. Der Preis ist immer Verhandlungssache – obwohl der Wert (unter Annahmen) theoretisch ermittelt werden kann.
Matthias Steiner, Mandatsleiter des ZKB-KMU-Teams, zeigte den Ablauf einer Unternehmensnachfolge aus Beratungsoptik auf. So lässt sich die Nachfolge in drei Phasen teilen: Standortbestimmungs-, Vorbereitungs- und Umsetzungsphase. Er schilderte den Übergabeprozess als Balanceakt zwischen Unternehmens- und Familieninteressen. So könne es etwa sinnvoll sein, das Eigentum vor der Übergabe aufzuteilen, um eine gute erbrechtliche Lösung zu finden (Erbvorbezug).
Philippe Keller, Mandatsleiter Unternehmensnachfolge vom Nachfolge-Team der ZKB, verglich die Übergabe mit einem Staffellauf. Die Bank begleite die Übergabe als Partnerin. Diese müsse aber spüren, dass die Übergeber mehr als nur Ausdauer mitbringen: Willen und ein innerer Motor seien gefragt, darüber hinaus Weitsicht, Flexibilität, Verantwortung, Persönlichkeit und fachliches Profil. «Alle müssen spüren, dass Sie das wollen.»
Praxisbeispiel
Highlight war das Podium rund um die Stabsübergabe der Marquart Metall GmbH. Roger Marquart (Übergeber) gestand: Erst mit 53 habe er begonnen, sich mit der Nachfolge zu beschäftigen. «Eine Firma ist das Baby. So fällt es enorm schwer, loszulassen», meinte Marquart. Während Corona fiel er ein halbes Jahr ganz aus. Als auch sein Bruder ausfiel, dämmerte es ihm: «Man hat auch Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber.»
Einen Teil des Kaufpreises leistete Nachfolger Fabian Mäder durch Eigenfinanzierung, ein Teil wurde durch ein Bankdarlehen gewährt, und ein Teil durch ein Verkäuferdarlehen. «Ich teile auch heute nicht alle Ideen, aber ich arbeite sehr gern mit ihm zusammen», sagte Übergeber Marquart über Übernehmer Mäder. Und Reibung brauche es, um ein Unternehmen vorwärtszubringen.
Drei Tipps zur Führungsnachfolge von Roger Marquart: Früh genug beginnen, dann hat man Zeit, den Richtigen zu finden. Ferner wünscht er, dass die Firma (mit kleinen Anpassungen) weiterläuft. «Da bleibt nichts anderes übrig, als miteinander zu sprechen.» Drittens: «Sprecht mit den Mitarbeitern, was sie von der Übernehmerin, dem Übernehmer halten.»
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
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