Mal militärisch streng, mal spitzbübisch: Bigler zieht Bilanz

Die 169. Generalversammlung des KMU- und Gewerbeverbands Kanton Zürich fand am 11. Mai im Stadthofsaal Uster mit rund 220 Gästen aus Gewerbe, Politik und Sponsoring statt. Der abtretende Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, Hans-Ulrich Bigler, zog mit Ex-NZZ-Redaktor Andreas Schürer Bilanz aus Gewerbesicht.

Bild André Springer
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Es ist angerichtet: Das Bankett im Stadthofsaal in Uster.

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Joe Stöckli, der neue Präsident des Bezirksgewerbeverbands Uster, bei seinen Grussworten.

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Der abtretende sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler (rechts) im Gespräch mit Moderator Andreas Schürer.

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KGV-Präsident mit Jacqueline Hofer, die ihr Amt als BGU-Präsidentin abgibt.

Uster ist als Treffpunkt der KGV-Delegierten mit Vertretern aus der Politik, befreundeten Verbänden und Organisationen auch geschichtsträchtig: 1855 kam der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich zur ersten Delegiertenversammlung überhaupt hier zusammen. Das Gewerbe sei noch immer stark und wichtig, meinte KGV-Präsident Werner Scherrer bei seiner Begrüssung zur 169. Generalversammlung. «Wir sind aber zu diskret, zu scheu, zu wenig mutig, zu wenig frech.» Das zumindest gilt nicht für die politischen Schwergewichte an der Spitze einzelner Gewerbe- und Branchenverbände. Allen voran Hans-Ulrich Bigler, der auch in der Zürcher Gewerbeszene mit der Gründung der Berufsmesse Bleibendes hinterliess. Er liess als Highlight des Abends seine 15 Jahre als Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (sgv) Revue passieren.

Bigler setzt zur Kür an

Doch Moderator Andreas Schürer fragte einleitend ganz unpolitisch: «Ist der Bigler privat wirklich anders, humorvoll und intellektuell brillant», wie ihn die NZZ kürzlich beschrieb?» Abgesehen davon, dass die NZZ laut Bigler immer mehr in den Boulevard abdrifte, stimmte der oberste Botschafter des Gewerbes war Hans-Ulrich Bigler (65) der «harten Schale» als sgv-Direktor zu. Diese Rolle scheint gewollt: «Man kann Interessenvertreter als Söldner sein – oder als Soldat. Beim sgv sind wir Soldaten», liess Bigler seinen militärischen Hintergrund durchblicken, wobei «nicht aufs Wählerkalkül geachtet wird im Auftrag einer Partei». Und da gelte es manchmal auch, unangenehme Forderungen mit dem nötigen Nachdruck in Bern zu stellen.

Immerhin gestand er: Ab und zu habe es ihm auch Spass gemacht zu provozieren. «Über solche Mechanismen kann man sehr wohl politische Ziele erreichen.» Als Mitglied des Nationalrats von 2015 bis 2019 (damals noch für die FDP) scheute der Ökonom und Generalstabsoberst Bigler auch vor markanten Auftritten nicht zurück und vertrat einen konsequenten ordnungspolitischen Kurs. So bekämpfte er an vorderster Front die gewerbefeindliche Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG), die nur mit hauchdünner Mehrheit angenommen wurde – Biglers schmerzhafteste Niederlage. Gegenwärtig sitzt er daher auch im Initiativkomitee «SRG-Gebühren: 200 Franken sind genug!»

Regulierungen quantifizieren

Insgesamt zog er aber positive Bilanz. Er übergebe nun einen starken Verband, der in Bern gehört werde, der auch referendums- und initiativfähig sei. Der sich aber auch hinter den Kulissen in den politischen (Vernehmlassungs-)Prozess und in der Bundesverwaltung einbringen könne.

Für Bigler die wichtigsten Erfolge: Basierend auf der sgv-Strategie, die Biglers Amtszeit prägte, sind unter anderem zwei Gesetzesvorlagen hervorgegangen, die nun in der Sommersession behandelt werden: das Unternehmensentlastungsgesetz und die Regulierungskostenbremse. Letzteres gibt dem Parlament ein Instrument in die Hände, um die Verwaltungstätigkeit einzuschränken; bei hoher Betroffenheit von mehr als 10 000 Firmen und mehr als 100 Mio. Franken Kostenfolgen soll jede neue Regulierung einer Abstimmung im Parlament unterstellt werden. Realistischer sei das Realisieren des ersteren Gesetzes. Es habe 13 Jahre und «einen langen Atem, Hartnäckigkeit und Unverdrossenheit» gebraucht, bis man nun die Zielgerade erreichte.

Auch Biglers Nachfolger Henrique Schneider werden die Regulierungskosten beschäftigen. «Das war über all die Jahre ein Dauerbrenner, und es kam immer das Echo: Das ist eine echte Belastung für Betriebe.»

Generalversammlung

KGV-Geschäftsführer Thomas Hess leitete an der Generalversammlung durch die Verbandsrechnung, die wieder gut abschneidet mit einem Gewinn von 96 000 Franken, unter anderem wegen steigender Einnahmen durch die Berufsverbände und Sponsoring – und trotz leicht sinkenden Mitgliederzahlen und Inserateeinahmen bei der «Zürcher Wirtschaft». Hess konnte sich einen Seitenhieb an den Zürcher Gastroverband nicht verkneifen, wo einige Kadermitarbeitende für Hunderttausende von Franken für private Zwecke eingekauft haben sollen: «Ich möchte hier festhalten: Es sind im vergangenen Jahr keine teuren Zigarren, kein Wein, kein Cognac gekauft worden – und ich habe keine Schwangerschaftskleider erhalten.» Rechnung und Budget 2023 (veranschlagter Gewinn: rund 24 000 Franken) wurden einstimmig genehmigt.

Ersatzwahl in den Ausschuss

Der elfköpfige Vorstands-Ausschuss, in dem sechs Bezirksgewerbevereine, zwei Berufsverbände, zwei Spezialkommissionen sowie der Präsident vertreten sind, verzeichnet mit Michael Ricklin (BGV Dielsdorf) einen Rücktritt. Für ihn wurde Peter Herzog, Präsident der Unternehmervereinigung Bezirk Horgen, gewählt.

Ausserdem wurde Jacqueline Hofer nach 14 Jahren als engagierte Präsidentin des Bezirksgewerbeverbands Uster verdankt. Ihr Nachfolger Joe P. Stöckli wandte sich in seinem Grusswort an die Gewerblerinnen und Gewerbler. Uster sei das «Tor zum Zürcher Oberland» und eine der schönsten Freizeitregionen im Kanton Zürich. Gleichzeitig sei das Gewerbe in der Region wie die anderen im Kanton auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Auch Energie-, Steuer- und Verkehrspolitik beschäftige den Bezirk sehr stark. Mit doktrinärem Eifer werde gerade in der Verkehrspolitik die Mobilität eingeschränkt und das Arbeiten behindert. So bedanke sich der Bezirk bei allen Gewerbevereinen und insbesondere beim KGV, die für ein attraktives und KMU-freundliches Umfeld sorgten. «Geht an die Gemeindeversammlungen, stimmt ab, wählt und unterstützt die KMU-freundlichen Leute!», appellierte Stöckli an die Gäste.

Im Hinblick auf die Abstimmungstermine im Juni rief KGV-Präsident Scherrer auf zum Ja zur OECD-Abstimmung und zum Nein fürs Klimagesetz. Letzteres abzuwenden, werde «ein etwas härterer Hosenlupf». Das KGV-Nein begründete Scherrer damit, dass Strom vermehrt zu einem knappen Gut wird, zumal auch immer mehr Strom gebraucht werde. «Und wir haben noch keinen Plan, woher der Strom im Zuge der AKW-Abschaltungen kommen soll.» Das Gesetz sei nicht fertig gedacht. «Man geht nicht auf eine Reise, wenn man nicht weiss, wohin sie geht.»

Scherrer warf auch einen Blick auf die Nationalratswahlen. «Versucht, die Menschen in eurem Umfeld zu mobilisieren!» Das Geld für den Staat komme schliesslich aus der Wirtschaft, «und der müssen wir Sorge tragen. Tragen Sie diese Botschaft nach aussen.» Das deckte sich mit Biglers Appell: Das Gewerbe müsse lernen, hinzustehen, und für seine Anliegen zu kämpfen. Scherrer gab mit der geplanten Rad-WM 2024 in Zürich, die viele Gewerbler wegen der mehrtägigen Absperrungen vor den Kopf stösst, ein Beispiel für zu viel Staat und zu wenig Mitsprache.

Bei so viel politischer Kost war der Abend aber von versöhnlichem Kontaktknüpfen und Kulinarik geprägt: Er bot den Gewerbevereinsmitgliedern, Politikern und Sponsoren beim Apéro und beim Abendessen auch eine ideale Gelegenheit zum Austausch.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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