KMU, Künstliche Intelligenz und das Hirn

Die 5. KMU ZH Night der Zürcher Kantonalbank stand ganz im Zeichen der Neurowissenschaft: Wie funktioniert das Gehirn und wie nützlich oder schädlich ist Künstliche Intelligenz – fürs Hirn, aber auch fürs Unternehmen? KI ist auch Jahresthema der KMU ZH Initiative.

Bild Zürcher Kantonalbank/ZKB

Lymbische Synchronität: «Hirncoach» Dr. Barbara Studer aktivierte das Publikum – und zeigte auf, was gemeinsame Bewegung und Singen mit dem Hirn macht.

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Auch Musikmachen fördert gemäss Barbara Studer die Hirnleistung.

Im Saal des Kaufleuten fanden sich rund 350 Unternehmerinnen und Unternehmer ein. «Wie Sie mit den aktuellen, nicht einfachen Herausforderungen umgehen, begeistert mich», erklärte Jürg Bühlmann, Leiter Firmenkunden der Zürcher Kantonalbank. Zunächst stellte er den Auslöser für den jährlichen Event, die KMU ZH Initiative vor. Jedes Jahr kristallisiert sich aus der KMU-Studie, durchgeführt von der ZHAW, jeweils ein Jahresthema heraus. Die Praxisseminare, die von der ZKB angeboten werden, böten «in kurzer knackiger Form Praxisrelevanz an». Die KMU seien überraschend adaptierfähig, resümierte Bühlmann. Als Herausforderungen nannte er die technologische Veränderung. Da sei Resilienz gefragt. Und mit der KI kämen neue Chancen, aber auch Bedrohungen – auch im Bereich Cybercrime.

Mentale Balance

(Künstliche) Intelligenz war auch das Stichwort für Moderatorin Bigna Silberschmidt, um zum Star des Abends überzuleiten: Künstliche Intelligenz sei ja vom menschlichen Hirn geschaffen – und beide brauchten enorm viel Energie. «Unser Hirn braucht 20 Prozent unserer Körperenergie». Wie dieses am Arbeitsplatz bestmöglich eingesetzt und gefördert werden kann und wie die Gehirnleistung von KI beeinträchtigt werden kann, erklärte dann die Neurowissenschaftlerin Barbara Studer auf eindrückliche Art.

Wir denken emotional

Mit der Geige stimmte sie das Lied an: Cause I’m Happy – und fragte: «Sind Sie Happy, glücklich, balanciert – wie geht es Ihrem Hirn, sind Sie mental fit und agil?» Mit dem Ballast im KMU, den wir mittragen, dränge sich die Frage auf: Kommt unser Hirn mit? Ein positives Mindset, die Work-Life-Balance sei wichtig, heisst es immer wieder. Aber sie stellte dieses Klischee infrage: «Sind wir ehrlich: Wir sind keine Maschinen. Und genau das macht unsere Superpower aus.» An einem guten Tag seien wir leistungsfähiger, empathiefähiger. Aber man müsse auch andere Emotionen wie Trauer zulassen, denn: «Unser Hirn ist hoch emotional.» Burnouts und Erschöpfungszustände deuteten an: Wir achten zu wenig auf die eigenen Gefühle.

Das lymbische System, das für Emotionen, Triebe, Motivation, Gedächtnis und Lernen zuständig ist, verarbeitet Sinneseindrücke emotional: Ist etwas gut, schlecht, bedrohlich? Je nach Bewertung lösten sie ganz unterschiedliche Prozesse aus. «Deshalb ist es gut, die Emotionen wahrzunehmen. Denn diese Störquellen sind Informationsquellen.» Es gelte, nicht das Mindset zu überschätzen und das Feelset zu unterschätzen.

Welche Emotionen fördern?

Etwas vom Besten, was wir dem Hirn und jenen der Mitarbeiter schenken könnten, sei Sicherheit und Vertrauen. Veränderung wirke oft bedrohlich. Im Team heisst das: Leute, die anders denken und eine andere Sicht haben, zu berücksichtigen – diese Demut mündet auch in Wertschätzung. «Wertschätzung hat so eine Power.»

Wenn die Mitarbeitenden Verbundenheit fühlten, fördere dies das Denken und sei das die beste Burnout-Prävention überhaupt. Der Mensch habe in der Regel um 3 bis 5 tragende Beziehungen – Investment in diese sei auch die beste Vorsorge für ein gesundes Alter. Gemeinsame Aktivitäten sorgten etwa für Sicherheit und Vertrauen.

Dann sei auch Liebe – im Job Kameradschaft – eine Kraft. Kritik, vor allem wenn sie überraschend komme, könne indes Unsicherheit auslösen: «Sie fühlt sich an wie ein Boxschlag in die Magengegend.» Denn soziale Schmerzen seien gleich stark wie physische. Und: Vergebung sei nicht nur für den Empfänger angenehm, sondern auch als Selbstschutz, indem sie gute Emotionen kultiviere.

Arbeit sei motivierend, wenn sie sinnhaft sei: Der Nukleus Accumbens – die «Dopaminpumpe», welche zentral ist fürs Belohnungssystem und das Denken und Lernen fördert – wird durch Tätigkeiten mit mehr Sinnhaftigkeit genährt. Auch Autonomie – also Dinge selber entscheiden – sei aus neurowissenschaftlicher Sicht wichtig.

Das Hirn liebe es ausserdem, zu lernen. «Wir sind dann am glücklichsten, wenn wir in einer Lernzone sind. In der Komfortzone geht es uns nicht so gut – psychisch und mental. Auch nicht in der Überforderung.» Aktivitäten wie Ausdauersport, Krafttraining, Lernen oder Koordinationsübungen spornten die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn (Neurogenese) besonders an.

Dem Gehirn Gutes tun

Denn gerade beim «Umeplämperle», etwa beim Musik spielen oder aus dem Fenster blicken, entstünden neue Ideen. «Und selber auf Ideen kommen (etwa beim Improvisieren) macht glücklich.» Sodann bat sie das Publikum, sich beim Singen von «Lean on Me» synchron zu bewegen. «Wenn wir miteinander grooven, verbinden sich unsere Hirnwellen messbar miteinander: Man nennt das lymbische Synchronität.»

Zu KI hatte Studer Kontroverses zu sagen: Sie warnte davor, in die die Spirale der Abhängigkeit und Ablenkung zu fallen. Die ständige Erreichbarkeit und Reizflut führe zur Überforderung – wir fühlten uns kleiner und unterlegen. «Den Daily Detox einplanen», riet sie daher – mindestens eine Stunde.

Was macht also die KI mit dem Hirn? «Wir haben eine vielfach höhere Aktivierung, wenn wir selber denken, als wenn wir es in die KI einspeisen und einfach übernehmen.» Die Veränderung könne eintreten, wenn mehr Arbeit an die KI delegiert – und damit kognitiv ausgelagert – wird, wodurch das Hirn an Volumen verlieren kann. Leute, die oft das Smartphone nutzen, haben tatsächlich Strukturen, die zurückgehen. Sie plädierte daher dafür, immer achtsam zu bleiben: Wo will ich selber denken, wo will ich das Denken abgeben? «Die KI soll Assistenz, nicht aber Krücke sein.»

KMU ZH Monitor

Zweiter Programmpunkt war die Vorstellung der Studie «KMU ZH Monitor», die für die ZKB von der ZHAW durchgeführt wurde. Sie zeigt auf, was die KMU auf dem Platz Zürich herausfordert und wo der Schuh drückt. Patrick Sulser, Leiter Spezialberatungen und Spezialisierung, und Christof Domeisen, Unternehmer und im KMU-Beirat der ZKB, stellten die Umfrage 2025 vor, an der im Frühling 1200 KMU im Kanton teilnahmen.

Die wichtigsten Erkenntnisse: Der Arbeitskräftemangel ist erneut auf Platz eins. «Das müssen wir selber lösen im Sinne der Ausbildung: Wir müssen unseren Nachwuchs selber bilden», meinte Domeisen. Er appellierte auch an die KMU, ältere Mitarbeiter möglichst lange im Arbeitsprozess zu halten.

Schwerpunkt: KI und KMU

Mittlerweile ist das Thema KI und Digitalisierung auf Platz zwei. «Wir sollten aber keine Berührungsängste davor haben», riet Domeisen, «und nehmt euch die Zeit, es zu verstehen.» Damit verriet er auch gleich das Jahresthema, für welches sich der Beirat entschied: KI und KMU. Patrick Sulser stellte dann die drei Veranstaltungstypen zum Thema 2026 vor: Im April wird an drei verschiedenen Standorten ein ZKB-Zmorge einen Überblick über KI geben: Was kann sie, was nicht?

Im Mai startet die ZKB mit Praxisseminaren, die jeweils in einem Tag die KI «erlernen und erleben» lassen sollen. Ziel ist, konkrete Nutzen für die einzelnen KMU herauszuarbeiten, strategische Entscheide zu prüfen. Im Nachgang der Praxisseminare gibt es jeweils ein Nachfassgespräch mit Experten. Das Seminar wird für 80 Franken pro Person angeboten.

Podium: KI für KMU

Am ZKB-Podium diskutierten Manuel Ferreira, Leiter Volkswirtschaft & Anlagestrategie der ZKB, und Nationalrat und Gastrounternehmer Andri Silberschmidt die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) für KMU.

Einig waren sich die beiden, dass der Produktivitätssprung (auch durch neue Ablenkungen) von KI vermutlich nicht so hoch sei wie angenommen, und dass KI vor allem als Entlastung oder zur Problemlösung gesehen werden soll – und dass sie lösungsorientiert, nicht auf Biegen und Brechen eingesetzt wird. Silberschmidt schloss mit einem vermeintlichen Widerspruch: «Mein Wunsch ist, dass KI uns etwas wegbringt vom Bildschirm. Dass sie im Hintergrund arbeitet, um uns zu entlasten, damit wir mehr Zeit haben, uns in die Augen zu schauen, kreativ zu sein.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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