Kettenarbeitsverträge – ein Risiko

Befristete Arbeitsverhältnisse sind gesetzlich zulässig. Werden mehrere befristete Arbeitsverhältnisse gleichen Inhalts aneinandergereiht, spricht man von einem Kettenarbeitsverhältnis. Ein solches Arbeitsverhältnis ist mit einigen Risiken behaftet.

Bild stock.adobe.com/Pormezz

Kettenarbeitsverträge: mehrere befristete Arbeitsverhältnisse aneinandergereiht.

Das Obligationenrecht regelt die Befristung von Arbeitsverhältnissen nur gerade in einem Artikel. Von Gesetzes wegen befristet ist der Lehrvertrag. Gemäss Art. 334 Abs. 1 OR enden befristete Arbeitsverträge automatisch ohne Kündigung mit dem Ablauf der Befristung. Wird ein befristetes Ar-beitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt, so gilt es gemäss Art. 334 Abs. 2 OR neu als unbefristetes Arbeitsverhältnis. Da Art. 334 Abs. 2 OR dispositives, d.h. abänderbares Recht ist, können die Parteien auch vereinbaren, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis, wenn es über den Endtermin der Befristung hinaus fortgesetzt wird, wiederum als befristetes Arbeitsverhältnis – von gleicher oder abweichender Dauer – zu gelten hat. Sich ablösende, aneinandergereihte befristete Arbeitsverträge werden Kettenarbeitsverträge genannt. Gleiches gilt, wenn zwischen den einzelnen befristeten Arbeitsverhältnissen kurze Unterbrüche gegeben sind. Aneinandergereihte befristete Arbeitsverhältnisse sind damit grundsätzlich zulässig, allerdings nur dann, wenn sachliche Gründe eine solche Mehrfachbefristung rechtfertigen.

Sachlicher Grund erforderlich

Für eine zulässige Mehrfachbefristung des Arbeitsverhältnisses wird ein objektiv nachvollziehbarer Grund verlangt. Bejaht wird ein solcher Grund insbesondere bei Arbeitsverhältnissen mit Kunstschaffenden, Profisportlern, Saison- und Gelegenheitsarbeitern sowie Lehrkräften mit Anstellungen für jeweils ein Semester oder Schuljahr. Gemäss dem Bundesgericht sind grundsätzlich als sachlich gerechtfertigte Motive anzuerkennen: Besonderheiten des
Arbeitsverhältnisses, besondere betriebliche Umstände (wie beim Bühnenengagement, beim Einsatz in einem Saisonbetrieb oder bei der Ausbildung des Nachwuchses) sowie die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens. Für die Beurteilung massgebend sind aber stets alle Umstände des Einzelfalles. So wurde auch schon bei jahrzehntelang immer wieder befristet angestellten Lehrkräften ein stabiles Arbeitsverhältnis festgestellt, weshalb das Vorliegen eines sachlichen Grundes für eine Mehrfachbefristung verneint wurde. Auch aufseiten des Arbeitnehmers kann ein sachlicher Grund für eine Mehrfachbefristung vorliegen, etwa zwecks Überbrückung der Zwischenzeit bis zu einer neuen Anstellung in einem anderen Betrieb.
Auch eine nur einmalige Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses kann sich als unzulässig erweisen, wenn kein sachlicher Grund auszumachen ist. Umgekehrt führt eine mehrmalige Verlängerung verstärkt zur Annahme einer Umgehungsabsicht, weshalb hier höhere Anforderungen an den sachlichen Grund verlangt werden. Allgemein gilt, dass die sachlichen Gründe für Kettenarbeitsverhältnisse gut zu dokumentieren sind, um diese in einem gerichtlichen Verfahren nachweisen zu können.

Rechtsmissbrauch

Ist ein Kettenarbeitsverhältnis mangels eines sachlichen Grundes unzulässig, liegt ein Rechtsmissbrauch bzw. eine Gesetzesumgehung vor. In einem solchen Fall werden in der Praxis die einzelnen befristeten Arbeitsverträge in einen einzigen unbefristeten Arbeitsvertrag umgedeutet. Anwendbar sind diesfalls die gesetzlichen Bestimmungen für unbefristete Arbeitsverhältnisse. Und für jene Ansprüche, für welche die Anzahl Dienstjahre massgebend sind, sind für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses die Zeitperioden der einzelnen befristeten Einsätze zu addieren, so insbesondere für die Länge der Kündigungsfristen, den zeitlichen Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlungspflicht bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers.

Kündigung, Kündigungsschutz

Nach dem Gesagten enden unzulässige Kettenarbeitsverträge nicht mit dem Ablauf der Befristung, sondern unterliegen der ordentlichen Kündigung, wobei die Länge der Kündigungsfrist von der Gesamtdauer des Kettenarbeitsverhältnisses abhängig ist. Auch sind die Kündigungsschutzvorschriften anwendbar, d.h. der Mitarbeiter kann die Ansprüche aus einer missbräuchlichen Kündigung geltend machen und er hat auch Anspruch auf den zeitlichen Schutz. Dies bedeutet, dass allenfalls Gründe gegeben sind, die eine Kündigung während einer gewissen Zeit unmöglich machen oder eine bereits begonnene Kündigungsfrist unterbrechen, so insbesondere im Falle von Krankheit, Unfall, Militärdienst oder Schwangerschaft.

Lohnfortzahlung

Auch die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers ist von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig. So besteht nach Art. 324a OR ein Lohnfortzahlungsanspruch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis nur, wenn dieses für mehr als drei Monate eingegangen wurde, und bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen erst nach Ablauf von drei Monaten. Ferner hat der Arbeitnehmer im ersten Dienstjahr Anspruch auf eine Lohnfortzahlung von drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit. In der Praxis haben sich drei von den Gerichten verwendete Skalen gebildet (Zürcher, Berner und Basler Skala). Die Zürcher und Basler Skalen sehen dabei bereits im zweiten Dienstjahr eine Lohnfortzahlungspflicht von zwei Monaten vor.

Fazit

Das Aneinanderreihen von befristeten Arbeitsverträgen weist nicht zu unterschätzende Tücken und Risiken auf und sollte – wenn immer möglich – vermieden werden. Da sachliche Gründe vorliegen müssen, ist die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen stark eingeschränkt. Vielmehr ist zu empfehlen, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit kurzen Kündigungsfristen abzuschliessen.

Rolf Ringger

ist Partner bei der Anwaltskanzlei BEELEGAL und publiziert Ratgeberbeiträge in der «Zürcher Wirtschaft».

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down