«Luft hat man überall»

«The Valley» in Kemptthal bei Winterthur ist ein beeindruckendes Beispiel, wie historische Industrieareale für moderne Energieprojekte genutzt werden können. EKZ-Contracting hat auf dem Areal einen Wärmeverbund mit Luft-/Wasser-Wärmepumpen umgesetzt – ein Leuchtturmprojekt, dem weitere folgen sollen.

Bild zvg EKZ (Roland Vokrraj)

Das ehemalige Maggi-Areal «The Valley» heute mit den Anlagen auf den Dächern.

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Das Maggi-Areal im Jahr 1872…

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Das Maggi-Areal im Jahr 1886.

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Aufnahme des Maggi-Areals aus dem Jahr 1906

David Bühler, Sie sind Leiter Kalkulation Energiecontracting und haben das Energiekonzept für das Leuchtturmprojekt «The Valley» auf dem ehemaligen Industrieareal der Maggi in Kemptthal erstellt. Was ist besonders an diesem Projekt?

David Bühler: Das geschichtsträchtige Industrieareal wurde vor rund 140 Jahren erstellt und damals mit fossiler Energie beheizt. Die Transformation zu einer Energieversorgung für Wärme und Kälte ohne fossile Energien mit der Nutzung von Luft als erneuerbare Energiequelle war die Herausforderung. Ein solches Industrieareal mit Luft-/Wasser-Wärmepumpen zu beheizen respektive zu kühlen, ist vermutlich einmalig in der Schweiz. Es ist schon sehr speziell, in einem alten Gebäude, das so einen Wandel erlebt hat, ein System zu integrieren, um den verschiedenen Bedürfnissen gleichzeitig gerecht zu werden. EKZ ist es gelungen, ein Konzept umzusetzen, welches auch für andere Areale angewandt werden kann.

Warum fiel die Wahl auf eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe und nicht auf eine andere Technologie wie Fernwärme oder Geothermie?

Bühler: Der Wunsch des Kunden (in diesem Fall die Mettler Entwickler AG & Motorworld Group) war, erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Für eine Erdsonde war zu wenig Platz vorhanden. Grundwasser oder Flusswasser gab es zu wenig. Und so kamen wir durch dieses Ausschlussverfahren auf die Lösung. Im weitesten Sinne ist es ein Fernwärmekonzept. Das isolierte Fernleitungsnetz erstreckt sich auf rund zwei Kilometer und beheizt 21 Gebäude.

Können Sie beschreiben, wie das Versorgungssystem technisch funktioniert — in drei Sätzen für Laien?

Bühler: Die Wärmepumpe entzieht zum Heizen der Aussenluft Energie, «veredelt» sie mit Strom und erzeugt warmes Wasser, welches für die Beheizung der Gebäude oder für Prozessenergie genutzt wird. Die Anlage ist auch in der Lage, die Gebäude zu kühlen, indem sie den Gebäuden Energie entzieht und die Wärme an die Aussenluft abgibt.

Luft-/Wasser-Wärmepumpen kennt man natürlich schon seit über 100 Jahren. Aber in dieser Grösse mit einer Leistung von über 2000 Kilowatt für Heizung und Kühlung ist die Anlage einzigartig in der Schweiz in diesem Segment. Und wie gesagt: Luft hat man überall. Das ermöglicht es dem Konzept, in absehbarer Zeit grössere Verbreitung zu erfahren.

Bei Luft-/Wasser-Wärmepumpen braucht man trotz allem Strom, um die Umgebungsluft als Energiequelle zu nutzen, Strom. Wie hoch ist der Stromverbrauch der Anlage?

Bühler: Weil noch nicht alle Gebäude auf dem Areal am Netz angehängt sind, gibt es keine abschliessenden Zahlen. Aber grundsätzlich ist der Stromverbrauch der Anlage relativ gering im Vergleich zur erzeugten Energie. Rund zwei Drittel der erzeugten Wärme- und Kälteenergie werden durch die Nutzung der Umgebungsluft als Energiequelle gewonnen. Nur ein Drittel der benötigten Energie wird in Form von elektrischer Energie (Strom aus dem EKZ-Stromnetz) zugeführt. Dies macht die Anlage sehr effizient und umweltfreundlich, da sie hauptsächlich auf erneuerbare Energiequellen zurückgreift.

Die Wärmepumpen, installiert auf dem Dach eines Gebäudes, versorgen das weitläufige Gewerbeareal mit umweltfreundlicher Wärme und Kälte. Gab es da besondere Herausforderungen zu meistern?

Bühler: Ja, einige. Das gesamte Areal steht unter Denkmalschutz, was bedeutet, dass jegliche baulichen Veränderungen besonders sorgfältig geplant und durchgeführt werden mussten. Zudem ist die Gebäudesubstanz sehr alt, was zusätzliche Herausforderungen mit sich brachte. Die neu installierte Technik, die rund 150 Tonnen wiegt, erforderte umfangreiche statische Abklärungen und Massnahmen, um sicherzustellen, dass die Gebäudestruktur die zusätzlichen Lasten tragen kann. Diese Massnahmen waren notwendig, um die Sicherheit und Stabilität des Gebäudes zu gewährleisten.

Nun haben sich viele Startups und junge KMU hier angesiedelt, auch solche im Food-Bereich, um die Tradition des ehemaligen Maggi-Areals weiterzuführen. Unterscheiden sich die Anforderungen der jungen Unternehmen an die Energieversorgung von jenen klassische Betriebe?

Bühler: Es gibt schon andere Anforderungen und Ansprüche. Für viele Firmen ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Die eingesetzten Wärmepumpen werden mit einem natürlichen, nicht synthetischen Kältemitteln betrieben. Die eingesetzte Technik ermöglicht es, nachhaltige zertifizierte Produkte und Dienstleistungen herzustellen. Dies ist ganz klar ein Marktvorteil gegenüber Produkten, die mit fossilen Energien erzeugt werden.

Gibt es ähnliche Areale oder Projekte, die EKZ so beheizt?

Bühler: Es gibt tatsächlich andere Areale mit ähnlichen Konstellationen, die ökologisiert werden könnten: Diverse Konzepte sind an verschieden Orten am Entstehen oder in Verhandlung.

Wird die Zukunft vermehrt von solchen «insularen» Heizsystemen, wo im Idealfall auch die Stromproduktion vor Ort erfolgt, geprägt sein?

Bühler: Ja, die Zukunft wird voraussichtlich vermehrt von solchen dezentralen Energiesystemen geprägt sein, bei denen die Energieproduktion direkt am Standort des Energieverbrauchs erfolgt. Man spricht hier auch von Sektorkopplung, was bedeutet, dass sämtliche Energieformen auf einem Areal gesamtheitlich betrachtet und aufeinander abgestimmt werden. Dies umfasst die Produktion von Wärme, Kälte und elektrischer Energie (z.B. durch Photovoltaikanlagen) sowie die Speicherung dieser Energie. Die Konsumenten dieser Energie, Raumwärme, Klimatisierung, Prozessenergie und E-Mobilität sind vielfältig und umfassend. Eine optimale Regulierung und Messung der Energieflüsse sind dabei essenziell, um eine effiziente und nachhaltige Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten.

Welche Services bietet EKZ-Energiecontracting im Rahmen des «Sorglos-Pakets» an?

Bühler: EKZ bietet eine umfassende Palette an Produkten und Dienstleistungen rund um die Energie und deren Messung/Abrechnung an. Von Mehrfamilienhäusern über Areale bis hin zu Energieverbünden: Unsere Lösungen umfassen Wärme, Kälte, Solaranlagen, Ladestationen, öffentliche Beleuchtung, Netz- und Abrechnungsdienstleistungen. Diese Lösungen sind darauf ausgelegt, den Energiebedarf der Kunden effizient und nachhaltig zu decken und gleichzeitig die Umwelt zu schonen. Wir übernehmen Planung, Finanzierung, Bau und Unterhalt der Anlagen zu klar vereinbarten Konditionen. Wir gehen dabei auf die Bedürfnisse der Kunden ein und ermöglichen es ihnen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, während EKZ sich um alle Aspekte der Energieversorgung kümmert.

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David Bühler ist bei EKZ Leiter Kalkulation Engineering und Verkauf. Er erarbeitete das Konzept und begleitete das Projekt zur Beheizung und Kühlung des historischen Industriereals «The Valley» in Kemptthal via Luft-/Wasser-Wärmepumpen.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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