«Ich halte Politik vom Laden fern»

Was bedeutet die Wahl Trumps aus Gewerbesicht? Bob Gasser, ein Schweizer Ladenbesitzer im konservativen Ukiah, Oregon, stellt sich unseren Fragen. Er ist der Bruder von «Zürcher Wirtschaft»-Chefredaktor Mark Gasser.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser in seinem Laden in Ukiah. Hier zählt er gerade die Spenden fürs grosse 4.-Juli-Feuerwerk, welche die Organisatorin (rechts) in seinem Laden sammelt.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser in seinem Laden in Ukiah mit zwei Kunden.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser in seinem Laden in Ukiah. Das selbstgemachte Eis ist ein Renner und vor allem im Sommer sehr beliebt.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser in seinem Laden in Ukiah am Geld zählen nach dem Tagesgeschäft. Allermeistens wird noch bar bezahlt.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser in seinem Laden in Ukiah bei der Produktkontrolle.

Bild Mark Gasser

Beim Glace-Einkauf vor dem Unabhängigkeitstag, 4. Juli 2024, einem der umsatzstärksten Tage im Jahr.

Bild Mark Gasser

Eine Cowboy-Familie nach dem 4.-Juli-Umzug im kleinen Dorf Ukiah, vor dem Laden.

Bild Mark Gasser

Umzug am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, im 250-Seelen-Dorf Ukiah, Oregon. Auch Trump-Fans zeigen hier stolz Flagge.

Bild Mark Gasser

Bob Gasser mit seiner Tochter Alyce vor dem Laden in Ukiah.

Gratuliere zum Geburtstag Bro. Ausgerechnet am Tag nach der Präsidentschaftswahl…

Bob Gasser: …und dass es noch mein Vierzigster ist – so ein Zufall.

Damit verrätst du schon fast, dass du Trump gewählt hast. Ist das so? Ich weiss ja, dass du nicht allzu begeistert bist von ihm. Ich erinnere mich, als du vor 8 Jahren mit mir im Casino in Reno warst und mit leerem Blick teilnahmslos an einem Automaten gesessen bist, ohne zu spielen, deprimiert über Trumps Wahl…

Gasser: Das stimmt. Der Hauptgrund, weshalb ich ihn aber diesmal trotzdem wählte, ist die serbelnde Wirtschaft hier in den USA. Als Gewerbler erinnere ich mich an seine Amtszeit, und damals ging es der Wirtschaft wesentlich besser, die Steuern wurden gesenkt. Vielleicht kann er der Wirtschaft wieder etwas auf die Sprünge helfen.

Was hat er denn damals sonst noch Positives getan aus Gewerbesicht?

Gasser: Der Dollar war eine Weile lang stark, als er Präsident war. Einmal verzeichnete der Arbeitsmarkt sogar ein Rekordjahr bei der Schaffung neuer Jobs. Ob das alles oder wie viel ihm zu verdanken ist, kann ich nicht beurteilen. Aber auf jeden Fall ist er für die Wirtschaft eine bessere Wahl als Kamala Harris.

«Als Gewerbler erinnere ich mich an Trumps erste Amtszeit, und damals ging es der Wirtschaft wesentlich besser, die Steuern wurden gesenkt.»

Bob Gasser, Geschäftsführer Rhodes Supply, Ukiah, Oregon

Aber wenn sich die Verschuldungsorgie der USA verlängert – etwa durch Rüstungsausgaben – und die hohen Zölle, die Trump ankündigt, Tatsache werden, könnte sich das nicht wieder negativ auf die Inflation und die Preise auswirken?

Gasser: Schön möglich. Ich glaube, der Durchschnittsamerikaner verschwendet sein Geld aber ohnehin einfach zu leichtfertig. Und wenn die Produkte auch etwas teurer werden, dann wird das wohl erst mittelfristig der Fall sein. Wenn aber letztlich, wie von Trump immer wieder angekündigt, die Produkte vermehrt hier produziert werden, dann glaube ich doch, dass der Durchschnittsamerikaner unter dem Strich profitiert. Er wird gefördert, wird sich aber gleichzeitig etwas zügeln müssen.

Wir sind eine verwöhnte Wegwerfgesellschaft, alles ist immer günstiger geworden, was den ungezügelten Konsum ankurbelt. Die Leute können ihr Haus nicht abzahlen, wollen aber fünf Autos und den neusten Fernseher.

Du wohnst in Ukiah, einer 250-Seelen-Gmeinde im konservativen Westen Oregons. Wie haben deine Kundinnen und Kunden aus dem Dorf auf Trumps Wahl reagiert? Am 4. Juli waren ja im Umzug einige Trump-Banner auf Autos zu sehen…

Gasser: Überraschenderweise wurde vor und nach der Wahl nicht viel über die Wahl gesprochen in meinem Laden. Klar politisieren einige gern. Aber in der Regel dominieren andere Themen. Aber grundsätzlich ist der Nationalfeiertag, der 4. Juli viel, umsatzstärker.

Bleibst du dann gutschweizerisch neutral, vor allem, wenn deine Kundschaft stark polarisiert ist?

Gasser: Das tue ich so oder so. Zwei republikanische Brüder, die ich kenne und die in Oregon fürs Repräsentantenhaus kandidierten, wollten ihre Plakate an meinem Laden anbringen. Ich lehnte ab, denn für mich gilt: «I keep politics out of my store» («Ich halte Politik vom Laden fern»). Und die Meinungen sind ohnehin recht polarisiert in den USA. Da brauche ich nicht Öl ins Feuer zu giessen. Man soll Politik vom Geschäft trennen.

Das würden Verbände wie unserer, der KGV, natürlich anders sehen. Was sind denn die grössten Herausforderungen für dich als Schweizer Unternehmer in einer ländlichen und konservativen Gegend der USA?

Gasser: Allgemein ist für mich die Zeit, die ich brauche, um meinen Laden fast täglich mit Produkten aus dem 50 Meilen entfernten Pendleton zu versorgen, die grösste Herausforderung.

Für mich ist aber auch die Nettoabwanderung aus dem Dorf ein Problem. Nur mit Locals würde mein Laden nicht überleben. Immerhin kompensieren vor allem im Winter die Jäger, die sich hier aufhalten und versorgen, mit ihren Einkäufen für die Flaute in dieser Jahreszeit. Dieses Jahr wütete auch wieder ein Waldbrand in der Nähe. So hatten wir viele Feuerwehrleute im und ums Dorf, die sich bei mir versorgten. Trotzdem: Den Laden «Rhodes Supply» gibt es nun 78 Jahre lang.
Er hat schon Rezessionen und schlimmere Zeiten gesehen.

Wenn man den Laden googelt, dominieren die begeisterten Kommentare zur Auswahl an Glace der regionalen Marke Umpqua – und die grossen Portionen. Ist das dein Alleinstellungsmerkmal?

Gasser: Das ist so, Glace ist die grosse Attraktion. Aber wir verkaufen auch viel selbst produziertes Würfeleis mit guter Marge sowie Camping- und Jagdequipment und natürlich alle möglichen Nahrungsmittel, seit einiger Zeit auch selbst gemachte Pizzas.

Was könnten die Amerikaner von den Schweizern politisch lernen?

Gasser: Sie könnten lernen, nicht immer der Partei blind zu folgen. Wenn man die Immigrationspolitik befürwortet, muss man nicht gleichzeitig Abtreibung unterstützen. Das ist hier mangels Parteivielfalt schwierig, oft werden in den Diskussionen die Fronten der beiden Parteien hart verteidigt. Eine Mitte gibt es in den USA nicht.

Man sollte nicht immer linientreu mit der Partei sein. So glaube ich, dass Schweizer offener für die Meinungen anderer Parteien sind. In den USA gibt es wenige, die sich zwischen den Fronten bewegen. So wird auch Donald Trump nun wohl allem den republikanischen Stempel aufzudrücken versuchen, da er im Repräsentantenhaus und im Senat die Mehrheit hat. Und er wird vieles rückgängig machen, was Biden initiiert hat: Etwa bei der Immigration wird er wohl die Schraube anziehen. So wird die Grenzmauer auch wieder Thema sein.

Du bist mit unseren Eltern mit 14 Jahren in die USA ausgewandert, nachdem du in Ossingen ZH ein Jahr lang zur Sekundarschule gegangen warst. Was war damals die grösste Umstellung?

Gasser: Die Kultur allgemein und die Schule. Wahrscheinlich war ich in Mathe auf einem ähnlichen Level wie die höchste Highschool-Klasse, die zwei Jahre älteren Seniors. Aber die Sprache war eine grosse Umstellung für mich.

«Den Laden gibt es schon 78 Jahre, er hat schon Rezessionen und schlimmere Zeiten gesehen.»

Bob Gasser, Geschäftsführer Rhodes Supply, Ukiah, Oregon

Wenn du in der Schweiz leben würdest, wärst du auch Ladenbesitzer geworden? Oder welche Lehre hättest du begonnen?

Gasser: Das glaube ich eher nicht. Dass ich Ladenbesitzer geworden bin, ist eher Folge einer Verkettung von Zufällen. Der Laden hier hatte geschlossen, ich hatte meinen damaligen Job in einer Sägerei gekündigt, meine Frau Leslie und ich hatten unser Haus in Kalifornien verkauft, weil sie hier Arbeit gefunden hatte. Und so kaufte ich den Laden, um mich zu beschäftigen. Und als kleiner Ladenbesitzer bin ich jedes Jahr etwas besser unterwegs – man kann sagen: ich habe hier meine Bestimmung gefunden.

In der Schweiz hätte ich vielleicht auf dem Bau gearbeitet, das gefiel mir. Einige Sommerferien verbrachte ich ja mit Plattenlegen in der Schweiz, im Winter war ich jahrelang in Skirestaurants tätig.

In deinen Laden kommen viele mit Waffe – sie gehören hier nicht zuletzt wegen Berglöwen, Bären und Wölfen zum täglichen Bild. Du verkaufst sogar handgemachte Pistolenhalter eines Nachbarn. Ist diese Waffendichte nicht eher atypisch, sogar für die Region?

Gasser: Wir sind auch 35 Meilen vom nächsten Polizeiposten entfernt gelegen. Damit wird das auch etwas zu tun haben. Ausserdem hat die Polizei heute weniger Rechte als früher.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down