Fussball als Leitbild für eine revitalisierte CH-Sippe

Was der Zollhammer praktisch anrichten wird, wissen andere besser als ich. Ich interessiere mich für die Mentalität der CH-Sippe. Ist sie noch so berglermässig robust, wie wir gern behaupten? Falls nicht, wie könnten wir uns revitalisieren?

Ludwig Hasler ist Philosoph, Physiker, Autor

Zufällig war die 1. Augustfeier in Seuzach, wo ich dieses Jahr sprach, vom FC Seuzach organisiert. Also stellte ich ein paar Überlegungen an, was wir – zur Stärkung unserer Widerstandskraft – vom Fussball lernen könnten. Hier drei Aspekte, die in Seuzach hörbar einleuchteten: Erstens. Umdrehen – vom Kopf auf die Füsse! Gesellschaftlich gilt, was einer gelernt und studiert hat. Wo immer ich auftrete, ich werde vorgestellt: «Hasler studierte Philosophie und Physik.» Stimmt, aber macht mich das auch aus? Lieber würde ich hören: «Hasler gewann mit 18 die wichtigen Grümpelturniere des Kantons Luzern.» Das sagt viel mehr aus – über mein Temperament, den Willen, den Charakter, auch die Teamfähigkeit. Wir machen so ein Theater um Fachkompetenzen, dabei ist doch nicht entscheidend, dass wir welche haben, sondern dass wir mit ihnen etwas Schlaues anfangen. Und ob wir etwas Schlaues anfangen können, kommt nicht aus den Kompetenzen, sondern aus der Person. Also von Temperament, Charakter, Wille.

Lieber würde ich hören: «Hasler gewann mit 18 die wichtigen Grümpelturniere des Kantons Luzern.»

Ludwig Hasler

Von Fussball lernen: Vom Kopf auf die Füsse stellen! Zweitens. Mehr Teamgeist, weniger Ich-Besoffenheit! Gesellschaftlich wollen immer alle am Ball bleiben. Ich, ich, ich! Beim Fussball sieht es nur im TV so aus, da ist stets im Bild, wer grad am Ball ist. Dabei sind die wahren Helden des Rasens doch die, die selbstlos und ohne Ball dauernd übers ganze Feld sprinten – für den Fall, dass ein Pass in die Mitte käme. In 49 Fällen zwecklos, im 50. Fall aber findet der Ball genau den Sprinter, und der schiesst das erlösende Tor. Alle jubeln. Mannschaftsdienlichkeit nennt man die Tugend. Ohne sie performt kein Team. Was auch neben dem Rasen gilt: Wo jeder und jede nur auf eigene Rechnung unterwegs ist, kommen wir auf keinen grünen Zweig. Drittens. Den Ball in den leeren Raum spielen! Seit geraumer Zeit praktizieren wir politisch-gesellschaftlich, was im Fussball «Ballhalten» heisst.

Wo jeder und jede nur auf eigene Rechnung unterwegs ist, kommen wir auf keinen grünen Zweig

Es gibt zwar ein paar lästige Probleme (Energie, Demografie, Gesundheit, Verkehr etc.), die wollen dringend Lösungen mit Zukunft. Wir verwalten fantasielos die Gegenwart, wursteln uns durch. Im Fussball wäre der Trainerstab längst entlassen. «Ballbesitz» ist auch hier Mode, man schiebt den Ball sicherheitshalber dahin, wo grad ein Kollege steht, gern auch rückwärts. Doch Torgefahr entsteht, wenn einer den Mut hat, den Ball in den leeren Raum zu spielen. Das braucht Inspiration, also Fantasie, dann auch Mut zum Risiko, weil nie garantiert ist, dass am Ende nicht noch ein Eigengoal passiert. Tja, gewinnen können wir nur, wo wir auch verlieren können. P.S. Reminder: Auch ein Klassenbester war unten durch, wenn kein Team ihn haben wollte. Ergo: Wer will eigentlich mit der CH-Sippe spielen?

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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