Förderverein: Datenjournalist zu Gast

Der zweite Anlass des 2025 vom KGV ins Leben gerufenen «Fördervereins für eine starke Zürcher KMU-Wirtschaft» beleuchtete ein Thema aus journalistischer Perspektive, das momentan in aller Munde ist: künstliche Intelligenz.

Bild Mark Gasser

Barnaby Skinner (stehend) gab Einblick in die Überlegungen der NZZ zur KI.

Die Anzahl Kräne seien Indiz für das Rating einer Standortregion, sagte Robert Gubler, Präsident des Fördervereins KGV, beim zweiten Anlass im Restaurant Rüden vom 12. November, einleitend. Ähnlich verhalte es sich mit dem guten Start des Fördervereins: «Sie glauben an uns.» Er verriet aber auch, dass der Verein aktiv nach weiteren Neumitgliedern suche.

Eine strategische Frage bei der Entwicklung einer Standortregion sei die Raumplanung: «Die Raumplanung im Kanton Zürich funktioniert nicht. Und diese ist just in grünen Händen», so Gubler. Diese zu korrigieren respektive den KGV zu verstärken, um Gegensteuer zu geben und dessen Anliegen in kommenden Wahlen zu unterstützen, sei eine Aufgabe des Fördervereins.

«Hinter den allermeisten dieser KI-generierten Inhalte steht eine Agenda.»

Barnaby Skinner, stellvertretender Chefredaktor NZZ

Knapp 20 Mitglieder waren gekommen, um dem zweiten Anlass des Unterstützungsvereins des KGV beizuwohnen – und damit auch: dem Gastreferat von Barnaby Skinner, stellvertretender Chefredaktor der NZZ und Datenjournalist.

Der Umgang mit der künstlichen Intelligenz (KI) und mit den entsprechenden Instrumenten bildeten der Kern von Skinners Ausführungen. Ursprünglich Historiker, studierte Skinner einst Technologiegeschichte. In Beirut, Libanon, war er nach dem Studium Lokalreporter, während er gleichzeitig für ein Startup Daten und Statistiken für die Live-Berichterstattung von Sportredaktoren sammelte. Diese zwei Welten – der datengetriebene und der klassische (Lokal-)Journalismus – begleiteten ihn stets in seiner Karriere. Seine Weiterbildung als Programmierer liess ihn dann auch besser verstehen, was im Hintergrund bei digitalen Automatisierungen und seit Neustem, der Schaffung von KI vor sich geht.

Bei der NZZ war er mit dem Aufbau des Ressort «Visuals» betraut, das aus vier Teams besteht: Datenjournalisten, Grafiker, Open Source Intelligence (Informationsbeschaffung aus frei verfügbaren Quellen, etwa auf Social Media, um durch Analyse verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen), und Softwareentwickler.

Personalisierter NZZ-Chatbot

Vertiefend beleuchtete er die generative KI und deren disruptive Einwirkung auf den journalistischen Herstellungsprozess, der sich grundlegend verändere. «Jeder kann jetzt von der KI verlangen, dass sie einen Text oder ein Bild generiert», so Skinner. Journalisten müssten sich daher mehr denn je auf die menschlichen Kernkompetenzen konzentrieren, und KI als Werkzeug betrachten.

Mit der KI liesse sich die Leserschaft von Social-Media-Kanälen und Onlineplattformen «ganz schnell mit vielen Inhalten überfluten», so Skinner. Er wagte die Prognose, dass bald 99 Prozent der Inhalte im Internet mit KI generiert sein würden. «Und hinter den allermeisten dieser Inhalte steht eine Agenda.» Da hätten die Medien und Journalisten die Pflicht, bewusst nur verifizierbare, wahre Inhalte zu verbreiten.

Die dritte Disruption betrifft laut Skinner die neue Erwartungshaltung an Inhalte: Diese sollen vermehrt personalisiert für die Bedürfnisse der Nutzer bereitgestellt werden. «Irgendwann werden wir die komplette Personalisierung anbieten – indem die Leser mit unseren Inhalten werden chatten können.» Die Softwareentwickler im Ressort «Visuals» würden früher oder später einen Chatbot entwickeln, der die Leser via Interaktion mit personalisierten Antworten aus der Fülle der entsprechenden News-Inhalte füttere.

Wenn das die Zeitung nicht anbiete, wendeten sich die User an Big Tech: ChatGPT, Google, Gemini usw. Obwohl die NZZ die Inhalte für die Weiternutzung in Suchmaschinen und via generativer KI blockiere, würden täglich Inhalte geklaut oder «gescrapt» – ohne Quellenangabe.

KI im journalistischen Alltag

Die NZZ versuche, KI überall dort einzusetzen, wo sie der Belegschaft Arbeit abnehme: etwa für SEO-optimierte und für Social Media angepasste Titel und Bildbeschreibungen – das seien Prozesse, die man mithilfe von KI ins Redaktionssystem einbaue. Auch das Korrektorat könne bei einer intelligenten Zusammenarbeit von Mensch und KI noch besser werden, liess er durchblicken.

Der nächste Schritt: Alle Inhalte – auch Videos, Podcasts und Grafiken – sollen in einem Archiv angelegt werden, das KI-ready ist: eine interne KI-Lösung, die keinen offenen Zugriff erlaubt. Das sei eine Art NZZ-eigener KI-Agent, der sich von einem «sehr unpersönlichen Chatbot» abhebe.

Er sieht die Zukunft mit einer Flut an KI-generierten Inhalten auch als Chance, ein glaubwürdiges Produkt anzubieten. «Die klassische Recherche bleibt und wird zu einem noch grösseren Asset», prophezeite er. Den Wert der journalistischen Überprüfung einer Meldung zeigte er anhand des Beispiels eines vermeintlichen Bombenangriffs auf ein Spital in Gaza durch die israelische Armee auf. Die NZZ hielt mit der Meldung zurück, bis sich bestätigte, dass der Einschlag knapp daneben gegangen war und vermutlich eine fehlgeleitete Rakete war. Die Medien spielten eine grosse Rolle dabei, mit angemessener Sorgfalt mit den Quellen – in diesem Fall Hamas – umzugehen und diese kritisch zu prüfen. So hofft er, dass die Medien als glaubwürdige Quellen gestärkt aus der KI-Revolution hervorgehen werden. «Ja, wir leben von der Aufmerksamkeit. Aber wir leben noch viel mehr von der Glaubwürdigkeit», resümierte Skinner.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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