Edelmetalle im Abfall: Das Potenzial von Elektroschrott
Während 80 Prozent der Plastikabfälle immer noch verbrannt werden, ist das Recycling von Elektrogeräten ein Erfolgsmodell.
11. Januar 2025 Gerold Brütsch-Prévôt
90 Prozent der Elektrogeräte werden in der Schweiz rezykliert.
Elektrogeräte, die den Geist aufgegeben haben oder defekt sind, können im Kehrichtsack entsorgt werden. Das geht natürlich aus Platzgründen nicht mit der in die Jahre gekommenen Kaffeemaschine – aber ohne weiteres mit dem Rasierapparat oder der elektrischen Zahnbürste. Die Geräte werden zusammen mit dem Haushaltsabfall in den Kehrrichtverbrennungsanlage verbrannt. Eisen, Aluminium, Kupfer und weitere Metalle werden anschliessend aus der übriggebliebenen Schlacke zurückgewonnen. Diese Metalle werden recycelt und weiterverwendet, während die restliche Schlacke beispielsweise als Baumaterial im Strassenbau eingesetzt werden kann.
Metall aus Schlacke
«Grundsätzlich wäre dieser Kreislauf möglich», sagt Steffen Schrodt, Projektleiter bei der Kehrichtverwertung Zürcher Oberland KEZO in Hinwil. «Nur ist dieser Prozess nicht der richtige und nicht der, den die Politik und die Gemeinden für die Bevölkerung vorgesehen und eingerichtet haben», ergänzt er. Da sollte niemand auf falsche Gedanken kommen. Weil aber die Kehrichtverbrennungsanlagen in der Lage seien, Schwermetalle aus der Schlacke zu filtern, ist es kein Verbrechen an der Umwelt, wenn einmal versehentlich ein Elektrogerät in der Müllabfuhr landet.
Schliesslich enthält heutzutage fast jeder Gegenstand irgendwelche Metalle – vom sprechenden Teddybären bis hin zum unscheinbaren Schlüsselanhänger. Bei manchen Produkten sind die enthaltenen Metallmengen so gering, dass sie von den Konsumentinnen und Konsumenten oft übersehen werden. Und nicht alle metallhaltigen Produkte können in den Sammelstellen abgegeben werden, weil sie oft nicht eindeutig als recyclebar gekennzeichnet sind.
Zwei Drittel landen im Kehricht
So landen auch ohne Elektrogeräte immer noch zwei Drittel der Metallabfälle in den Kehrichtsäcken und werden in den Verbrennungsanlagen verbrannt. Man geht davon aus, dass die Rückstände der Schweizer Kehrichtverbrennungen an Kupfer, Aluminium und Messing einen Wert von total 80 Millionen Franken haben. Dazu kommen Eisen und Gold im Wert von je 10 Millionen. Allein in der KEZO in Hinwil werden pro Jahr 5500 Tonnen an Aluminium, Kupfer, Zink, Silber und Gold gewonnen. Und dazu noch 10 000 Tonnen Eisenschrott.
Entsorgung: Bis zu 20 Franken
Schweizerinnen und Schweizer haben gelernt, ausgediente Elektrogeräte am Kaufort zurückzugeben oder in einer Sammelstelle der Wohngemeinde. Das ist allerdings kein Nachhaltigkeitsservice, den der Elektrohandel freundlicherweise finanziert. Die Käuferinnen und Käufer werden dafür mit Entsorgungsbeiträgen bis zu 20 Franken belastet – etwa für einen Kühlschrank. Für kleine Geräte beträgt die vorgezogene Recyclinggebühr je nach Grösse 40 Rappen bis zwei Franken.
Aber weshalb schiebt man diese Kosten auf die Konsumenten ab, wenn doch die Recyclingbetriebe Kupfer, Aluminium und Messing im Wert von mehreren Millionen Franken aus den alten Geräten zurückgewinnen?
Recycling ist effizient
«Das ist nicht ganz richtig», sagt Prof. Dr. Rainer Bunge vom Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik in Rapperswil. «Die Erlöse durch die gewonnenen Metalle tragen die Kosten der Recyclingbetriebe nicht». Deshalb sei der Entsorgungsbeitrag der Konsumentinnen und Konsumenten gerechtfertigt. Das Recycling von Elektrogeräten sei in der Schweiz im Vergleich zum Ausland sehr effizient aufgebaut. Es gehe auch darum, dass die Geräte nicht in Schwellenländern landen und dort unter schlimmsten Bedingungen verwertet werden. In Deutschland beispielsweise versuche man das mit einem Exportverbot zu stoppen, das aber in der Praxis dauernd unterlaufen werde.
Zerlegung ist Handarbeit
Die Rückgabe von ausgedienten Elektrogeräten durch die Konsumentinnen und Konsumenten ist deshalb ein wichtiger Teil im Recyclingprozesses. Die Geräte aus den Sammelstellen oder aus dem Handel gehen direkt in spezialisierte Zerlegebetriebe. Dort erfolgt die Demontage meist von Hand, um die einzelnen Bestandteile effizient und umweltgerecht zu trennen. Metalle, Kunststoffe, Glas und andere Materialien werden sortiert, Metallteile wie Leiterplatten, Kabel und Gehäuse werden anschliessend zu spezialisierten Recyclingbetrieben transportiert.
Dort kommen Verfahren wie Schmelzen, Elektrolyse oder chemische Trennverfahren zum Einsatz, um Rohstoffe wie Gold, Kupfer, Silber und weitere zurückzugewinnen. Diese Metalle werden so der industriellen Produktion wieder zurückgeführt.
Grosses CO₂-Einsparpotenzial
Das Potenzial ist gross: Gemäss einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) von 2022 liegen in Schweizer Haushalten rund drei Millionen ungenutzte, aber noch funktionstüchtige Handys herum. Dazu kommen bis zu sieben Millionen Geräte, die kaputt sind, schätzt der Verband Swico, der sich um das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten kümmert. In diesem Elektroschrott schlummern nicht nur die erwähnten Rohstoffe. Mit dessen Rückgewinnung lässt sich der Schadstoffausstoss massiv reduzieren. Allein durch die Rückgewinnung von Eisen, Alu, Kupfer, Gold, Silber und Palladium könnten gemäss Swico jedes Jahr drei Millionen Tonnen CO₂-Emissionen eingespart werden. Und angesichts der Tatsache, dass rund 75 Prozent der CO₂-Emissionen bei der Handyherstellung anfallen und etwa ein Drittel aller ungenutzten Geräte noch funktionieren und wieder aufbereitet werden könnten, wäre der Nutzen für die Umwelt noch deutlicher.
Grundsätzlich wäre dieser Kreislauf möglich. Nur ist dieser Prozess nicht der richtige und nicht der, den die Politik und die Gemeinden für die Bevölkerung vorgesehen und eingerichtet haben.
Steffen Schrodt, Projektleiter Kehrichtverwertung Zürcher Oberland KEZO, Hinwil
Weltweit wächst der Gold- und Silberschatz in elektronischen Geräten ungehindert weiter: Jedes Jahr werden 310 Tonnen Gold sowie 7500 Tonnen Silber mit einem Gegenwert von 21 Mrd. Dollar in Hightech-Geräte wie Laptops, Smartphones oder Tablets verbaut. Der überwiegende Teil dieser Edelmetalle – 85 Prozent – verpufft jedoch nach Lebensende des Gerätes und nur 15 Prozent werden zurückgewonnen. Nicht alle Länder recyclen Elektrogeräte so vorbildlich wie die Schweiz. Zudem müssten auch die Hersteller in die Pflicht genommen werden, den Kreislauf bereits bei der Produktion sicherzustellen und nur noch rezyklierbare Geräte zu bauen.
Zero Waste ist das Ziel
Zero Waste – also «Null Abfall» – würde bedeuten, dass alle Materialien, die als Abfälle deklariert sind, entweder recycelt, wieder verwendet, kompostiert, rückgewonnen oder wieder in den Produktionskreislauf gebracht werden. Dafür sind aber auch in Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht, mit dem Bekenntnis, «abfallfrei» zu leben und zu arbeiten.
Im Gegensatz zu Kunststoffabfällen, von denen in der Schweiz nur rund 11 Prozent rezykliert, aber über 80 Prozent verbrannt werden, ist das Elektrogerät-Recycling in der Schweiz bereits heute ein Erfolgsmodell und äusserst nachhaltig. 90 Prozent der Geräte gelangen früher oder später ins Recyclingsystem. So wurden 2023 zehn Millionen Geräte zurückgenommen, 2012 waren es noch sieben Millionen.
Gerold Brütsch-Prévôt
Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft
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