Vom Durst nach Alpenwasser und dem Hunger nach Hühnerfüssen

Österreichisches Trinkwasser in China? Ein Kärntner Bauunternehmer sucht für seine grossen Pläne einen grossen Partner. Das «Swiss China Center» und die «Zürcher Wirtschaft» begleiten ihn auf seiner Imagetour durch China auf der Suche nach Investoren und möglichen Importpartnern.

Bild Mark Gasser

Baggerschaufel statt Verhandlungstisch: Albert Möderndorfer (2. von links) beim Occasionshändler (2. v. rechts) und seiner Verkäuferin in Shanghai.

Baggerschaufel statt Verhandlungstisch: Albert Möderndorfer (2. von links) beim Occasionshändler und seiner Verkäuferin in Shanghai.

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Marktanalyse im Supermarkt in Zhenjiang: Mit Standortförderer Jason Zhong.

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Bei einem Unternehmen für Verpackungsmaschinen in Handan: Die Betriebsleiter besprechen mit Unternehmer Möderndorfer Abfüllmöglichkeiten und -kapazitäten ihrer Anlagen.

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Bei einem Unternehmen für Verpackungsmaschinen in Handan: Die Betriebsleiter besprechen mit Unternehmer Möderndorfer Abfüllmöglichkeiten und -kapazitäten ihrer Anlagen.

Abert Möderndorfer, ein österreichischer Bauunternehmer und Immobilienmakler, ist ein Selfmademan wie er im Buche steht. Der 56-Jährige produzierte einst in Rumänien Pellets – bis eines Tages die Fabrik überschwemmt wurde. Seine Baufirma, die auf Aussenanlagen spezialisiert ist, und seine Immobiliengeschäfte laufen aber gut. Immer wieder kauft und verkauft er für grössere Einzelprojekte Baumaschinen – einmal gar in China, auf eigene Faust und ohne Importeur. «Ein Testkauf», wie er sagt. Den Verkäufer, ein gewisser «Mister Li», werden wir auf der kurzen Chinareise in Person treffen. Mehr dazu später.

Seine Mission in China ist eigentlich eine andere: Bauunternehmer Möderndorfer besitzt in seiner Heimatregion Kärnten gemeinsam mit anderen Genossenschaftern eine Wasserquelle und hat einen Imagefilm im Gepäck. Und eine Vision. Die Botschaft der Luftbilder von Kärntens Bergidylle, untermalt mit einer weichen weiblichen Stimme: Viele Weltregionen leiden unter Wassermangel. Andere hätten Wasser in Hülle und Fülle – so auch das weitläufige, wasserreiche Tal in Kärnten namens Hermagor (in Anlehnung an den lokalen Heiligen) mit seiner Reiterquelle. Und mit dieser Quelle in den niederschlagsreichen Karnischen Alpen hat Möderndorfer einiges vor: Auf der grünen Wiese soll eine moderne Abfüllfabrik gebaut werden. Rund 25 Liter Trinkwasser pro Sekunde sollen so vor Ort abgefüllt und nach China «und in die ganze Welt» verschifft werden, ohne die lokale Versorgung zu gefährden – idealerweise in Partnerschaft mit einem chinesischen Investor. Auch eine neue Verladestation für den vorbeifahrenden Güterzug will der findige Unternehmer nicht ausschliessen. Auf- und Entladen (dabei auf die ideale Befüllung der Container und 40-Tönner achten), dazwischen Neuetikettieren, um die «Made in China»-Auflage teilweise zu gewährleisten, gehört auch in die Kalkulation. Sein Businessplan, so ist er jedenfalls überzeugt, ist wasserdicht.

Und damit diese Pläne nicht Makulatur bleiben, reist Möderndorfer mit dem Swiss China Center nach China. Hier will er einen Investor finden, der das Frischwasser abfüllt und vertreibt, während die noch zu gründende österreichische GmbH die Wasserrechte der ergiebigen Trinkwasserquelle nutzt, um einen kleinen Teil des Alpenwassers zu verkaufen, idealerweise an eine Partnerfirma in China, an der auch er selber beteiligt wäre.

Wasser werde so in Zukunft zu der Investition schlechthin, sagt die Stimme im Film. Nur: Der Film ist nicht auf Chinesisch übersetzt. Daher ist Möderndorfer immer wieder aufs Neue gefordert, auf seiner Tour durch chinesische Wirtschaftsmetropolen, die ihm das Swiss China Center ermöglicht, Details auf Englisch wiederzugeben. Unterstützt wird er von Xiaoying Jaun-Li, der Direktorin des Swiss China Center mit Büros in Zürich und einer Tochtergesellschaft in Zhenjiang, und ihrem Bruder Bingying Li, der in ihrer Geburtsstadt Handan (Provinz Hebei) lebt. Bingying Li unterstützt die Multitask-Netzwerkerin, fährt mit in die meisten Destinationen und knüpft als junger Import-/Export-Unternehmer selber neue Verbindungen.

Begehrte Hühnerfüsse

Viele Jungunternehmer haben hier mehrere Projekte – auch ein Zeichen des dynamischen chinesischen Marktes. Bingying Li importiert unter anderem die besonders im Süden Chinas nicht nur für besondere Anlässe begehrten Hühnerfüsse sowie Rindermägen und Zucker aus Brasilien. «Die grössten, günstigsten und besten Hühnerfüsse kommen aus Brasilien, den USA und Russland», weiss er. Rund 30 Container habe er innert eines Jahres schon importiert – total rund 1000 Tonnen. In die Schweiz exportierte er einst auch Geräte im Medizinalbereich und Chili-Abfüllmaschinen. Doch vor allem der Hunger nach Hühnerfüssen sei gross.

Aber wie steht es mit dem Durst nach Trinkwasser aus Österreich? Albert Möderndorfer stellt sein Projekt in Wirtschaftszentren bei Innovationsparks, Wirtschaftsförderern, Regierungsvertretern und Besichtigungsterminen mit KMU unermüdlich vor. Mit seinen kräftigen Händen baut er unsichtbare Mauern, formt gestikulierend die Abfüllanlage, füllt mit Drehbewegungen Flaschen ab, in gebrochenem Englisch um Worte ringend. Man spürt: Die Chinesen, die sich seine Story anhören, schätzen seinen Enthusiasmus.

Sie haben im Gegenzug auch ihn überzeugt. Sie machen vorwärts, stehen zu ihrem Wort, haben scheinbar endlose Mittel und können Berge versetzen, wenn die Regierung hinter einem Projekt steht. Das deuten sie auch in den Gesprächen an. Schon beim ersten Termin in Chongqing, beim SinoSwiss Technopark (SSTP), meint eine Vertreterin zuversichtlich: «Wenn es im Interesse der Regierung ist, können Bewilligungen für Projekte wie Ihres auch beschleunigt werden.»

Gleichwohl gibt es hier und da Vorbehalte. Möderndorfer meint, dass der Aufbau einer Abfüllanlage inklusive Landkauf schon 30 bis 36 Monate dauern könne. Das sei «europäisches Tempo», meint Jason Zhong, Wirtschaftsförderer in Zhenjiang vom «Sino-Swiss Zhenjiang Ecological Industrial Park». Dennoch glaubt Zhong, dass es in China im High-End-Segment für europäisches Quellwasser einen Markt gibt. Er könne gewisse Distributionspartner vermitteln. Gesagt, getan: Ein Importeur steht einen Tag später vor der Hoteltür, um mit Möderndorfer die Wassermarken und -preise im Kaufhaus zu begutachten. Es sei allerdings um eine sehr kleine Menge gegangen für einen Detailhändler, «die kann ich in einer Viertelstunde produzieren», so Albert Möderndorfer im Nachhinein.

Besuch beim Baggerhändler

Zurück zu den Baumaschinen. Auf der Reise erinnert sich Möderndorfer an den Kauf eines gebrauchten – und beschädigten – Baggers aus Shanghai. Kurzerhand wird die Route der «Studienreise» des Swiss China Center angepasst: Möderndorfer will den Tag in Shanghai nutzen, um mit dem Lieferanten zu sprechen. Dessen Verkäuferin Lisa wird ebenfalls ins Büro des Chefs zitiert – am höchsten Feiertag, dem «Dragon Festival». Tee wird ausgeschenkt, Möderndorfer schildert das Lieferproblem: Ein damals während der Reise abgebrochenes Metallstück. Ob ihm eine detaillierte Checkliste durch einen Profi vor dem Verschiffen des Geräts Ärger erspart hätte, bleibt offen. Er meint später dazu: Der Mann seines Vertrauens, ein Bekannter vor Ort, der die Maschine für ihn prüfte, habe «wohl doch nicht so genau hingeschaut». Doch der Mangel sei längst behoben.

Auch wenn die Schuldfrage vor Ort nicht abschliessend geklärt werden kann: Die chinesisch-österreichische Geschäftspartnerschaft bricht nicht auseinander, im Gegenteil. beide Geschäftsleute sehen neue Chancen. Spontan organisiert der Händler einen Besichtigungstermin im riesigen Maschinenpark mit 600 gebrauchten Geräten der verbreitetsten Marken, darunter auch chinesische Baumaschinen-Giganten wie XCMG und Sany.

Der Besuch zeigt die zwei unterschiedlichen Kulturen, um mit Konflikten umzugehen: Im Westen wird Kritik gerne mal lautstark im direkten Gespräch vorgetragen. In China versucht man, Konflikte zu lösen, ohne dass ein Beteiligter sein Gesicht verliert. Dazu gehört auch, Fehler nicht offen anzusprechen. Die Grundkultur ist von Harmonie geprägt.

Als der Tag sich dem Ende neigt, lädt der chinesische Maschinenhändler die Gruppe zum Essen in Shanghais Innenstadt ein. Natürlich muss auch seine Verkäuferin dabei sein, die gleichzeitig als Fahrerin im Einsatz ist und mit ihrem Chef vor dem Hotel auf die verschwitzten Touristen wartet. Es wird ein langer, feuchtfröhlicher Abend mit viel deutschem Bier, ex getrunken. Denn «Ganbei», das Synonym für «Prost», bedeutet buchstäblich «trockenes (geleertes) Glas». Das Ex-Trinken in einem Zug wird, wie wir schon früh auf der Reise erfahren, eher beim hochprozentigen Schnaps Bai Jiu («weisser Alkohol») – in der Regel aus Hirse – praktiziert. Doch neue Geschäfte machen durstig: Da kann der Gastgeber schon mal einen anderen Takt anschlagen.

Um den Durst der Chinesen nach Trinkwasser zu stillen, dafür hat Möderndorfer ja bereits einen Plan. Und mittlerweile auch einen Plan B: So habe er zu einem möglichen Investor aus einem anderen Raum Kontakt.

Epilog: Nach der Reise

Investoren habe er auf der China-Reise keine getroffen. Sein Plan, das Trinkwasser in Containern nach China zu liefern, sei aber intakt. «Der Markt für Wasser in China ist gross. Wenn du die Ware verkaufen kannst, findet sich für die Produktion immer ein Investor. Aber bevor du einen Abnehmer hast, ist es sinnlos, in Detailverhandlungen zu treten», sagt der Bauunternehmer am Telefon. Und wird er wieder eine Baumaschine in China kaufen? «Gut möglich. Aber dann fliege ich selber nach China.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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