Die Fitnessszene wächst rasant – und wird älter

Der Anteil älterer Fitnesskunden wird immer grösser. Diverse Fitnesscenter im Kanton Zürich bestätigen den entsprechenden Trend. Derweil hat sich seit Corona der Personalmangel in der Branche verschärft.

Bild Kieser Training

Die älteren Kundinnen und Kunden ab 50 sind grösstenteils fürs Wachstum der Fitness-Community in der Schweiz verantwortlich.

Bild Charly’s Fitness

Muskeln wachsen, Umsätze auch: Fitnesscenter im Kanton Zürich haben Zulauf.

Die Schweizer Fitnessbranche wächst weiter – das zeigen die «Eckdaten der Schweizer Fitnesswirtschaft 2025» des Fitnesscenter-Verbands Swiss Active. Mit 1,31 Millionen Mitgliedern (13 % Zuwachs) und einem Anstieg der Fitnesscenter um 5,1 % hat sich die Branche klar vom pandemiebedingten Einbruch erholt. Besonders auffällig: Der Anteil der über 50-Jährigen stieg markant von 20,6 auf 27,3 %, was auf ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein der älteren Bevölkerung hindeutet.

Gesundheit statt Lifestyle

Gerade die Pandemie selber hat die Wahrnehmung von Fitness verändert. Gesundheitsförderung steht klar im Fokus – ein Trend, den auch die Kieser Training AG bestätigt. CEO Michael Antono-poulos beobachtet, dass Krafttraining zunehmend als präventive Gesundheitsmassnahme verstanden wird. Das passt zur Philosophie: Kieser verfolgt einen medizinisch orientierten, puristischen Ansatz, mit geführten Übungen an speziell entwickelten Trainingsgeräten, gezielter Begleitung und konsequentem Verzicht auf Entertainment-Faktoren.

Die Branche musste während der Pandemie vieles ausprobieren, unter anderem wurden Fitnessangebote unter dem verordneten Gesundheitsregime in den Home-Bereich verlagert. Mit Heimprog-rammen, Online-Streaming und anderen Lösungen wurde versucht, die Interaktion mit den Kunden aufrechtzuerhalten. «Das hat sich aber zuletzt nicht durchgesetzt», so Antonopoulos. Das Bewusstsein, Gesundheitstraining als wichtig für hohe Lebensqualität, Mobilität und Eigenständigkeit sei gewachsen. Und davon profitiert die Branche.

Zwei Pole im Markt

Die Branche teilt sich zunehmend in zwei Lager: So gibt es den Discounter-Bereich, der seinerseits am Wachsen ist – dieser umfasst meist unbetreute, aber oft
24 Stunden geöffnete Center. Im Gegensatz dazu hält sich der Premiumbereich weiterhin gut – und wächst ebenfalls. Die Kombination Fitness/Medizin liegt im Trend. «Wir bewegen uns schon seit Jahren in dieser Nische und haben unsere Position als Gesundheitsanbieter abgesteckt», sagt Antonopoulos. Es sei nur die logische Folge der alternden Gesellschaft und des erwähnten Bewusstseins, dass sich viele dem Konzept annäherten: «In den nächsten 10, 15 Jahren wird das Segment der 50- bis 70-Jährigen überproportional zulegen», ist er überzeugt. Auch Daniel Vogel, Mehrheitseigner von «Diis Fitness» in Urdorf, macht die Beobachtung: «Mit der Pandemie scheint sich das Bewusstsein für Fitness als wesentlichen Teil fortdauernder Gesundheit insbesondere bei älteren Kunden verändert zu haben, und wahrscheinlich hat das auch auf die ganz junge Generation abgefärbt.» Während «Diis Fitness» auch analog zur Studie eine Zunahme älterer Mitglieder (vor allem markant bei über-70-Jährigen), wie auch bei der ganz jungen Generation ab 18 Jahren feststellte, ist der Anteil an 50+ noch etwas höher als der Durchschnitt.

Präsent bleiben

Die Pandemie hat die Branche auch personell hart getroffen: Viele Mitarbeitende wanderten ab, die Betreuungsquote zu halten, bleibt eine Herausforderung. Auch der Trend zur Teilzeitarbeit erschwert die Personalsituation.

Kieser reagiere weiterhin mit gezielter Ausbildung und Fachkompetenz, statt auf Automatisierung und Selbstbedienung zu setzen. Die Kunden-Betreuung zu gewährleisten, sei aber schwieriger geworden, so Antonopoulos. Das zeigt auch die Studie. «Die Situation war während der Pandemie unklar, und bei zwei längeren Schliessungen haben sich viele Mitarbeitende existentielle Fragen gestellt und sich teilweise anders orientiert.» War die eigene Krise erst einmal halbwegs überstanden, habe man damals fast kein Personal mehr gefunden. Viele heutige Mitarbeitende der Kieser Training AG kommen daher aus Deutschland: Die Fitnesskette ist im Nachbarland ebenfalls stark verbreitet.

Obwohl die Kundschaft gemäss Antonopoulos bei Premium-Centern loyaler ist und 70 bis 75 % ihr Abo jeweils erneuern (im Gegensatz zu 50 bis 60 % bei Discountern), verlor die Fitnessbranche 25-30 % der Kunden und des Mitarbeiterbestands. Gerade junge Unternehmen mit hohen Investitionen überlebten das oft nicht.

Existenzbedrohend war die Pandemie etwa für «Diis Fitness» in Urdorf. Hier war der Corona-Knick besonders hart, «wesentlich aufgrund schlechter Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitenden und weil wir (als Sonderfall) Ende 2021 fast sämtlichen Mitarbeitenden kündigen mussten», sagt Daniel Vogel. Seine Begründung: «Das Amt für Arbeit widerrief nachträglich gesetzeswidrig die zuvor zugesagte Kurzarbeit.» Es habe über sechs Monate gedauert, bis das korrigiert worden sei.

Gerade einzelne, nicht in Ketten organisierte Fitnesscenter spüren den Fachkräftemangel. So auch Nicole Rohrer, Geschäftsführerin und Inhaberin von Charly’s Fitnessclub in Winterthur: «Extern neue Mitarbeitende zu finden, ist eine Herausforderung. Hohe Fluktuation, Schichtbetrieb und Wochenendeinsätze machen den Beruf nicht für alle attraktiv.» Ihr Fitnesscenter habe aber während Corona keine Abgänge erlitten, bilde selbst aus und investiere in junge Talente. «Dadurch gelingt es uns, motivierte Nachwuchskräfte ins Team zu integrieren, die unsere Philosophie kennen und mittragen.» Nebst der internen Ausbildung als Lehrbetrieb für Fachfrau/Fachmann Bewegungs- und Gesundheitsförderung EFZ, würden neue Mitarbeitende gezielt durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung gefördert, um sie langfristig ans Team zu binden.

Für dieselbe Ausbildung erhält Judy Shepherd, Inhaberin des fit xperience AG in Egg, viele Anfragen, wie sie sagt. «Hier wird im Moment eine neue, motivierte Generation ausgebildet. So haben wir im fit-x keine Probleme mit der Rekrutierung neuer Mitarbeiter.» Dank Kurzarbeit konnten auch alle Mitarbeitenden während der Coronazeit behalten werden.

Demografie und Wachstum

Nun ist aber auch beim fit xperience Wachstum angesagt. «Viele Gäste der älteren Generation haben den Wiedereinstieg ins Training nach Covid zwar nicht mehr geschafft», sagt Judy Shepherd. Statt abnehmender Zahlen bei den Ü50-Jahrgängen verzeichnete Shepherd aber rund 10–15 % mehr Kunden als vor Covid. Ihre Erklärung: «Nun kommen gerade die Boomer ins Pensionsalter. Die wollen fit und aktiv ihre Pension erleben. Diese Generation investiert in ihre Gesundheit und löst ein Fitnessabo. Wir verzeichnen in dieser Altersgruppe den höchsten Anstieg an Neukunden.»

Diese eher gesundheitsorientierten Kunden will man etwa mit dem Programm «Fit im Alter» ansprechen, das gerade dank der Neuzugänge unter den Boomern Zulauf erhielt. Die Idee: Die Mitarbeitenden sprechen sich regelmässig mit einer Physiotherapeutin ab, die individuelle, auf die Kunden bezogene Übungen vorschlägt. Viele Teilnehmenden sind auch ehemalige Physio-Patienten. «Wir können die langjährige Expertin immer nach individuellen Tipps fragen, oft kann sie spezielle Übungen empfehlen», sagt der Lernende Levin Anner. Zu Beginn seiner Lehre hätten nicht viele ältere Kunden den Weg ins Gym gefunden. «Erst im dritten Lehrjahr stellte ich eine Zunahme fest. Aber viele suchen auch den sozialen Kontakt.»

Auch auf der anderen Seite der Altersskala suchen vermehrt Neukunden das Fitnesscenter auf – das stellen alle befragten Center fest. «Der Trend der Generation Z heisst: weniger Ausgang, mehr Gym. Wir verzeichnen daher im Moment einen starken Zuwachs bei den 16- bis 25-Jährigen», sagt Judy Shepherd.
Charly’s Fitnessclub im Segment 50+ war schon vor der Pandemie stark – insbesondere im Bereich Gesundheit und Rehabilitation – und registrierte im Vergleich zu jener Zeit keine grosse Veränderung. «Während Corona haben wir viele ältere Mitglieder verloren – sie brauchten länger, um Ängste zu überwinden und zurückzukehren. Vielleicht zeigt sich der starke Anstieg in der Branche deshalb erst jetzt so deutlich», sagt Geschäftsführerin Nicole Rohrer.

Bleibt also die Erkenntnis: Fitnesscenter wachsen gerade dank der alternden Gesellschaft überproportional. Trotz Zunahme haben lediglich 12–3 % der Erwachsenen eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Antonopoulos sieht daher «noch ein riesiges Potenzial in der Bevölkerung, eine Mitgliedschaft abzuschliessen.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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