Das Ende menschlicher Arbeit?

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt radikal. Während Berufe am Bildschirm zunehmend durch Automatisierung ersetzt werden, sieht man im Handwerk Zukunft. Doch auch hier wird der Einsatz von Robotern voranschreiten. Welche Chancen bietet KI für KMUs in der Schweiz und welche Herausforderungen müssen bewältigt werden? Ein Blick auf die potenziellen Gewinner und Verlierer des technologischen Wandels.

Bild:zvg

Christian Fehrlin ist Gründer von Deep Impact und KI Spezialist

Herr Fehrlin, Sie sagten jüngst, dass Sie Ihrem Sohn eine Ausbildung im Handwerksbereich empfehlen würden – diese Branche wird es auch in Zukunft geben. Von allen anderen Jobs zeichnen Sie ein eher düsteres Bild…

Christian Fehrlin: Alle, die ihren täglichen Job am Bildschirm machen, werden zuerst von Künstlicher Intelligenz unterstützt und ihre Arbeit wird effizienter. Dann wird KI zunehmend Computerarbeiten übernehmen und wahrscheinlich sogar besser machen – bis zu dem Zeitpunkt,
wo der Mensch am Bildschirm komplett überflüssig wird.

Inwiefern ist das bereits heute Realität?

Fehrlin: Wir stecken mitten in dieser Entwicklung. So werden etwa ganze Callcenter wegrationalisiert: KI gibt besser und schneller Antwort, kennt die Regulatorien und AGBs, ist freundlicher und hat mehr Geduld. Wo eine Interaktion mit dem Computer stattfindet, wird KI früher oder später
übernehmen. Ich sage nicht, dass Handwerksberufe komplett vor dem Einfluss von KI gefeit sind, im Gegenteil. Vielmehr werden sich auch diese Branchen mit dem Einsatz von Robotern auseinandersetzen müssen.

Sie glauben, dass Roboter irgendwann sogar den Handwerker ersetzen werden?

Fehrlin: Davon bin ich fest überzeugt. Bereits heute gibt es vielversprechende Entwicklungen im Bereich der Robotik. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis Roboter in der Lage sind, komplexe Aufgaben wie das Mauern eines Hauses zu übernehmen. Der Roboter muss schliesslich auf unvorhersehbare Situationen reagieren können, und davon ist er derzeit noch weit entfernt.

Wann werden die Roboter für den «breiten Gebrauch» kommen?

Fehrlin: Für den persönlichen Gebrauch werden die ersten Roboter vermutlich schon in ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen. Diese werden einfache Aufgaben wie das Einräumen von Wäsche oder alltägliche Unterstützung im Haushalt übernehmen können. Was jedoch Berufe mit komplexen Bewegungsabläufen angeht – wie Maurer, Zimmermänner oder Sanitärinstallateure – wird es wohl noch 15 bis 20 Jahre dauern, bis
diese Tätigkeiten automatisiert werden können.

Die Sorge vor Jobverlust durch KI ist das eine, der Effizienzgewinn das andere. Wie stark wird KI bereits heute in KMU genutzt?

Fehrlin: Meiner Erfahrung nach wird KI derzeit noch wenig genutzt. In Unternehmen, die sich vor allem auf Dienstleistungen konzentrieren, schreitet die Implementierung schneller voran – insbesondere dort, wo jüngere Menschen arbeiten. In anderen Bereichen hingegen verläuft der
Prozess deutlich langsamer. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Neugier bei den KMU vorhanden ist – oft schlägt diese jedoch in Angst um, insbesondere bei der älteren Generation, die befürchtet, durch KI ersetzt zu werden.

KI ist auch ein Angriff auf den Berufsstolz.

Fehrlin: Absolut. Viele sind auch überzeugt, dass sie nicht durch KI ersetzt werden können. Momentan fällt es mir jedoch schwer vorzustellen, welche Berufe KI nicht ersetzen könnte – oder wo der Mensch einen einzigartigen Beitrag leisten kann, den KI in Zukunft nicht besser erledigen könnte.

«Wo eine Interaktion mit dem
Computer stattfindet, wird KI
früher oder später
übernehmen.»

Christian Fehrlin
Gründer Deep Impact AG



Wenn der Mensch nicht mehr gebraucht wird, was macht er dann? Wir werden uns mit einer Vielzahl an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Fehrlin: Wenn viele Menschen ihre Jobs verlieren, wird sicher das bedingungslose Grundeinkommen wieder ein Thema werden. Und ja, KI birgt auch das Potenzial, uns stark zu beeinflussen und zu manipulieren. Es stellt sich die Frage, wie sich unser Miteinander verändern wird und inwieweit persönlicher und sozialer Zusammenhalt überhaupt noch notwendig sein werden. Der Umgang mit KI ist bereits heute einfacher als mit einem Mitarbeiter: Wenn wir beispielsweise mit ChatGPT interagieren und es auf einen Fehler hinweisen, reagiert es stets höflich und professionell:
«Ich werde es verbessern, ich mache einen neuen Vorschlag.» Ein menschlicher Mitarbeiter könnte sich in einer ähnlichen Situation beleidigt fühlen oder die Kritik persönlich nehmen.

Zum Schluss: Wie schafft es ein KMU, von KI zu profitieren?

Fehrlin: Gerade in der Schweiz mit den hohen Lohnkosten sind KMU gezwungen, effizient und innovativ zu agieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. KI kann tägliche administrative Prozesse wie den EMail-Verkehr, Marketingstrategien oder interne Konzepte deutlich effizienter gestalten. Denn KI schreibt präziser, schneller und oft auch besser als ein Mensch. Deshalb lohnt es sich, monotone und sich wiederholende Aufgaben an KI abzugeben. So haben die Mitarbeitenden mehr Kapazität für ihre Kernaufgaben – was letztlich auch die Zufriedenheit steigert.

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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