Beutelschneider und Halunken

Mein Herz schlägt heftig für das Gewerbe und die KMU! Weil ich aber auch Präsident des Berufsverbandes ICT (Information and Communication Technology) des Kantons Zürich bin, schlägt es auch kräftig für alles, was mit modernen digitalen Technologien zu tun hat. Der Einsatz von digitalen Technologien ist heute auch bei einem Schreiner, einer Mechanikerin oder einem Messerschmied ein wichtiger Teil der Arbeit. Tönt alles topmodern und «cybermässig», aber wir sind irgendwie immer noch nicht weiter als im Mittelalter.

Beutelschneider

Zugegeben, alles ist ein bisschen komplizierter geworden, weil es jetzt ja mit Computern und so zu tun hat. Aber hinter allem stehen immer noch Menschen. Ein Beutelschneider hätte vor vielen hundert Jahren einem anderen im Gewühl den Geldbeutel vom Gurt geschnitten. Wenn der also vorsichtiger gewesen wäre, hätte er den Beutel nicht aussen getragen, dann wäre nichts passiert. Und genau so ist es heute auch in der Computer-Welt. Wer nicht aufpasst, wird zum Opfer. Moderne Beutelschneider arbeiten mit Computern und wissen ganz genau, auf welche Tricks wir anfällig sind.

Ein Beispiel aus der Praxis. Auf der Homepage des KGV stehen alle Mitarbeitenden der Geschäftsstelle mit Mailadresse. Direkt daneben steht, dass ich der Präsident des Verbandes bin. Entsprechend bekam Redaktor Mark Gasser ein Mail von «mir», in dem stand, dass ich dringend für ein Geschenk ein paar Gutscheinkarten von Apple (weltweit verwendbar…) bräuchte. Identische Mails bekamen danach Mark, Sandra Archibeque vom Sekretariat sowie Christoph Bähler, Politischer Sekretär des KGV, auch von Thomas Hess. Die drei wurden NICHT Opfer, haben aber geistesgegenwärtig geantwortet und ein bisschen mit dem Möchtegern-Betrüger (Deliktwert pro Frage: Fr. 600.–) Mails ausgetauscht. Die Original-Mail ist ein sehr erhellendes Dokument, mit 99 % Wahrscheinlichkeit von Chat-GPT verfasst.

Low hanging fruits

Nicht alle Betrugsversuche sind so harmlos wie der mit den Gutscheinen. Er illustriert aber, dass meistens der Mensch die Schwachstelle ist. Diese Gefahr kann durch Aufmerksamkeit (Beutel innen tragen!) massiv reduziert werden. Erwischt werden dann nur noch die «low-hanging-fruits», die ganz unten am Apfelbaum hängen und von jedem Kind gepflückt werden könnten.

Ein ganz anderes Kaliber sind die wirklich grossen Geschichten, bei denen KMU erpresst werden. Hier wird es richtig teuer, wenn die Falle zuschnappt. Die einfachste Übung zur Absicherung gegen eine Erpressung ist eine verlässliche Backup-Lösung. Der neuste Level ist nun, dass sich Erpresser in die Programme einhacken und an einem Sonntag die CNC-Maschinen laufen lassen und damit Ausschuss und massive Kosten verursachen. Am Montagmorgen sieht man die Bescherung und ist schon fast froh, wenn sich die Erpresser melden. In einem solchen Fall sind wir alle schlichtweg machtlos. Aber vielleicht sind wir ziemlich dankbar, dass wir für ein uns noch gar nicht bekanntes Problem eine Versicherung abgeschlossen haben. Ihr findet in dieser Zürcher Wirtschaft mehrere Beiträge zur Cyberwelt und ich bitte Sie alle, sich ernsthaft damit auseinander zu setzen!

Werner Scherrer

Präsident KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich KGV

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