Cityhopping auf Chinesisch

Gewerbler suchen nach Corona eher verhalten nach Kontakten in China. Das spürt auch das «Swiss China Center», das seine gewerbliche «Studienreise» nach China am 18. Juni startete. Immerhin: Ein Kärntner Bauunternehmer und die «Zürcher Wirtschaft» wollten es wissen. In zehn Tagen mit Hochgeschwindigkeit und hohen Erwartungen durch China. Ein Reisebericht.

Bild Mark Gasser

Reiseorganisatorin Xiaoying Jaun-Li vom Swiss China Center und Bauunternehmer Albert Möderndorfer: Bereit für die weite, kurze, aber lehrreiche Reise ins Herzen zahlreicher chinesischer Businesszentren.

Bild Mark Gasser

Ein Vorgeschmack aufs asiatische Essen.

Bild Mark Gasser

Ankunft in Chongqing im Süden Chinas.

Bild Mark Gasser

Mit bis zu 350 Stundenkilometern rast der Zug von Zhenjian nach Wuxi: Das sind 160 Kilometer in 40 Minuten.

Bild Mark Gasser

Eine chinesische Touristin mit Tracht: Flaniermeile in Xi’an in Zentralchina.

Dies ist die Geschichte über einen österreichischen Bauunternehmer aus Kärnten, der ausgezogen ist, um bestes Alpenwasser in China zu verkaufen. Es ist aber auch die Geschichte über eine rund zehntägige «Studienreise» des Swiss China Center für Unternehmer – mitten in die Schaltstellen in Lokalregierungen, Provinzen, Gewerbeparks und Verbände. Ferner ist es die Geschichte erster Kontakte mit dem chinesischen Unternehmergeist – der geprägt ist von Gastfreundlichkeit und der reichen chinesischen Kultur und Kulinarik. Und deshalb ist es nicht zuletzt die Geschichte über das chinesische Wirtschaftswunder, erzählt aus der Perspektive einzelner Unternehmen.

Ursprünglich war vom Swiss China Center (siehe Kasten) geplant, rund ein Dutzend Gewerbetreibende mit chinesischen Unternehmen, Innovation Hubs, Re-gierungsvertretern, unternehmerischen Dachverbänden und Entwicklungszentren zusammenzubringen. Am Terminal des Flughafens Zürich-Kloten steht dann an diesem 18. Juni neben Organisatorin Xiaoying Jaun-Li und dem Schreibenden bloss ein einziger Mitreisender: Der 56-jährige Kärntner Bau- und Immobilienunternehmer Albert Möderndorfer. Jaun-Li meint, es hätten Interessenten wohl wegen Post-Corona-Bedenken abgesagt, andere behalten sich vor, im November mit derselben Organisation an die China International Import-Expo in Shanghai zu reisen.

China rollt den Teppich aus

Die kleine dreiköpfige Delegation wird deshalb allerdings nicht mit weniger Erwartungen empfangen – und mit bis zu sechs offiziellen Treffen pro Tag sowie einer fast absurden Zahl von Unternehmens- und Regierungsvertretern. Kurzum: Sie wird nach chinesischer Willkommenskultur grosszügig hofiert. Die Reise führt uns ab Tag eins mit modernsten Hochgeschwindigkeitszügen und jeweils über 300 Stundenkilometern nach Chongqing, Zhenjiang, Wuxi, Shanghai, Handan, Xian, Beijing, Shenzhen, Dongguan und Hongkong.

«Die Behörden sind sehr kompetitiv beim Ansiedeln von Überseefirmen

Jojoe Xu, Generalsekretärin der Handelskammer im Südwesten Chinas.

Die erste Etappe führt uns nach Chongqing in die grösste chinesische Metropole im Südwesten Chinas mit über 30 Millionen Einwohnern. Im aufstrebenden nördlichen Stadtteil wurde von der Chongqing Fenshare Holding 2018 der SinoSwiss Technopark (SSTP) mit Tochterunternehmen gebaut. Auslöser war der Partnervertrag zwischen Chongqing und der Partnerstadt Zürich. Von der Schweizer Handelskammer erhielt der Technopark 2019 gar die Auszeichnung «Best Chinese Investor». Ein Inkubationswettbewerb des SSTP zeichnet ausserdem seit 2018 Schweizer Firmen aus, um die 20 Sieger in China möglichen Investoren vorzustellen.

Auf dem Festland Chinas ist die Schweizer Handelskammer mit vier regionalen Büros präsent. Raphael Zumsteg-Yuan ist hier Projektleiter und gleichzeitig Präsident der SwissCham Southwest, der schweizerisch-chinesischen Handelskammer im Südwesten, welche 2023 offiziell gegründet wurde. Er empfängt die kleine KMU-Delegation im Technopark mit modern eingerichteten Büros und Arbeitsplätzen. Gerade der Norden von Chongqing erlebt einen Boom und weise die besten Schulen und Spitäler auf. Durch Subventionen oder andere Incentives der Lokalregierungen könnten hier steuerliche Vorteile von bis zu 15 Prozent winken. «Die Behörden sind sehr kompetitiv beim Ansiedeln von Überseefirmen», sagt Jojoe Xu, Generalsekretärin der Handelskammer im Südwesten.

Bild Mark Gasser

Die Skyline der 30-Millionen-Stadt Chongqing am grossen Jangtse-Fluss.

Bild Mark Gasser

Raphael Zumsteg-Yuan, der auch Präsident der Handelskammer im Südwesten Chinas ist (rechts), empfängt die kleine KMU-Delegation im SinoSwiss Technopark mit modern eingerichteten Büros und Arbeitsplätzen.

Bild Mark Gasser

Im aufstrebenden nördlichen Stadtteil wurde von der Chongqing Fenshare Holding 2018 der SinoSwiss Technopark (SSTP) mit Tochterunternehmen gebaut. Hier ist er inklusive geplanter Erweiterungen im Kleinformat zu sehen.

Der anhaltende Bedarf nach Bürofläche zeigt: Unternehmen in China seien etwas konservativer im Hinblick auf Homeoffice. Doch wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen geht, kann es sehr schnell gehen. Beweise für den chinesischen Bauboom – gerade in Entwicklungszonen – sucht man nicht lange: Wohnblöcke und Gewerbebauten sind in hoher Dichte mit Baukränen umstellt. Und was den «Lao Wei» (Ausländer) überraschen mag: Kaum eine Hauptstrasse ist alt, geschweige denn reparaturbedürftig, das gilt auch für die modernen Autos auf Chinas Strassen.

Fuss in der Schweiz

Seit 2013 hält die Chongqing Fenshare Holding auch einen Fuss in der Schweiz. Zu deren Zukunftsprojekten gehört auch ein Innovation Center, das in Rapperswil SG gebaut werden soll. Insbesondere lokale Startups sollen hier gefördert werden. Pläne und Landkauf stiessen in der Presse vorerst auf Kritik, doch nun kommt Schwung in die Sache: Die Baueingabe sei bereits eingereicht worden.

Unter anderem ist auch Schindler, der Schweizer Aufzugshersteller, 2022 mit Wartungsspezialisten im Gewerbepark mit einer Bürofläche von 190 000 Quadratmetern eingezogen. In der zweiten Bauphase, die nun läuft, entstehen auch ein Service Center mit Büros für Visa Center, ein Konferenzzentrum und eine Lifestyle-Shopping-Mall mit Museen und Galerien. «Ziel ist es, zu einem Ökosystem zu werden mit Arbeitsfläche sowie Wohn- und Vergnügungsfläche», sagt Projektleiter Raphael Zum-steg-Yuan. Solche Entwicklungszonen zur Bündelung wirtschaftlicher Aktivitäten gibt es auf städtischer, aber auch auf der Ebene der Provinz bzw. Region. Sie stehen teilweise untereinander im Wettbewerb. Zusätzlich gibt es – analog zur Schweiz – zoll- und steuerfreie Zonen.

Zweite Destination unserer Reise ist Zhenjiang in der Provinz Jiangsu. Pan Dachun, Abteilungsleiter vom Zentralkomitee in der «New Working Area», einer Entwicklungszone in Zhenjiang, verrät, dass rund 15 Schweizer Firmen im Wirtschaftsraum Zhenjiang angesiedelt sind, die grösste davon ist Clariant. Er lässt sich interessiert und trotz sprachlicher Hürden bei einem formellen Abendessen in Albert Möderndorfers Idee einweihen, Wasser aus Kärnten dank chinesischer Beteiligung nach China zu verkaufen.

Bild Mark Gasser

Rund 15 Schweizer Firmen sind im Wirtschaftsraum Zhenjiang angesiedelt. Im Museum des Sino-Swiss Zhenjiang Ecological Industrial Park» erklärt Jason Zhong von der lokalen Wirtschaftsförderung Ausrichtung und Vorzüge des 2014 eröffneten Industrieparks mit Schweizer DNA.

Bild Mark Gasser

Xiaoyang Jaun-Li (Swiss China Center) und Bauunternehmer Albert Möderndorfer im Gespräch mit Wirtschaftsförderern in Zhenjiang.

Bild Mark Gasser

Jason Zhong von der lokalen Wirtschaftsförderung erklärt Ausrichtung und Vorzüge des 2014 eröffneten «Sino-Swiss Zhenjiang Ecological Industrial Park» mit Schweizer DNA.

Bild Mark Gasser

In der Zhenjiang New Area will man vermehrt auf innovative, umweltfreundliche, emissionsarme und intelligente Technologien setzen – so auch im darin domizilierten «Sino-Swiss Zhenjiang Ecological Industrial Park».

Bild Mark Gasser

Charmanter Empfang beim Besuch im Museum des Innovationsparks.

Die Entwicklungszone enthält den «Sino-Swiss Zhenjiang Ecological Industrial Park» inklusive eines Museums mit vielen Fakten über die neuere Entwicklung der Region. Dessen Leiter Jason Zhong von der lokalen Wirtschaftsförderung meint zum Wasserprojekt nach dem Gehörten, dass es in China im High-End-Segment für europäisches Quellwasser einen Markt gebe. Pan Dachun ergänzt, dass die chinesische Regierung selber, welcher die «New Working Area» gehört, nicht in den Wassermarkt investieren werde. Aber er könne gewisse Partner vermitteln, die wiederum Standorte zur Distribution anbieten könnten.

Die chinesischen Vertreter wollen wissen, ob das Abfüllen auch in China möglich wäre, was Möderndorfer verneint: «Das geht nicht. Alles, was nach Übersee geht, muss in Flaschen abgefüllt werden.» Er sei daher auch auf der Suche nach einem Zentrallager für Container mit den fertig abgefüllten Flaschen. Die Containerzahl pro Jahr hat er bereits hochgerechnet: Es wären im Schnitt rund 35000. Aber das hänge von der Abfüllmenge und der Flaschengrösse ab.

So werden an diesem an Ansprachen und regionalen Spezialitäten reichen Abend viele Ideen gewälzt und Fragen aufgeworfen. Unter anderem, ob mit einem Sirup das Wasser zu Süssgetränk verarbeitet werden könnte. Am nächsten Tag wird mit einem Händler auch das europäische Trinkwasserangebot – Perrier, Evian und Co. – in lokalen Detailhandelsketten begutachtet.

Gleichwohl merkt der Kärntner Bauunternehmer und Wasserquellen-Mitbesitzer Möderndorfer schon bei den ersten Terminen: Die chinesische Wirtschaft hat eine Vorliebe für erneuerbare Energien, IT, aber auch Pharma, MedTech und den Gesundheits- sowie Lifestyle-Bereich. Wasser aus neuer, bislang unbekannter Quelle gehört da nicht dazu. Noch nicht. Möderndorfer realisiert auch, dass neue Bestimmungen Investitionen im Ausland erschweren und der streng regulierte Import einen Produktionsschritt wie die «Veredelung» der Wasserflaschen durch Etikettierung vor Ort nahelegen. Denn wenn in China Arbeitsplätze über Joint Ventures geschaffen werden, stehen die Türen weit offen.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Anzeige