Bargeldlos am Weihnachtsmarkt

Das Weihnachtserlebnis am Hauptbahnhof mit Glühwein, Raclette, Knoblibrot und China-Kitsch hätte neu cashless sein sollen. Ausgerechnet dort, wo das analoge Erlebnis der Düfte der feinen Spezialitäten, der Haptik von Souvenirs und des persönlichen Gesprächs wegen dominieren, war geplant, Bargeld nicht mehr zu akzeptieren – und zwar nicht aus Nächstenliebe: Der «Polarzauber», wie der Markt hier heisst, wurde für viele wegen der Verbannung des Bargelds bar jeden Zaubers. Alle Stände sollten nur noch Kartenzahlungen und Twint akzeptieren. Wer trotzdem Bargeld annehmen sollte, dem drohte eine Busse von bis zu 500 Franken.

«Jetzt werden neuerdings Weihnachtsmärkte zu Helfershelfern von ausländischen Anbietern der Zahlungsabwicklungen», ärgert sich KGV-Präsident Werner Scherrer. Damit meint er allen voran Worldline aus Frankreich, dem Zahlungsdienstleister, der die Akzeptanz von Visa und Mastercard-Karten ermöglicht und auch bei Twint-Terminals mitprofitiert – nebst den Banken. Händler zahlen eine Gebühr pro Transaktion, die je nach Betrag und Kartenart variiert.

Auch die Märkte am Bellevue und in der Europaallee in Zürich oder am Teuchelweiherplatz in Winterthur halten die Kunden dazu an, nicht mit Bargeld zu bezahlen – allerdings ohne Zwang. Die Veranstalter verteidigten jeweils ihre Geldpolitik mit immer ähnlichen Argumenten: Es gehe um die Sicherheit, indem Standbetreiber mit grossen Bargeldmengen nicht ausgeraubt werden könnten, um die Geschwindigkeit und Effizienz. Und seit Corona natürlich der Klassiker: Das Bezahlen ohne Bargeld ist viel hygienischer.

Diese Begründungen zweifeln viele Gewerbetreibende an. Vielmehr würden so ihre Einnahmen kontrolliert, da sie unter Generalverdacht auf Steuerhinterziehung stünden. Am Ende müssen sie nämlich Belege präsentieren und 12 Prozent ihres Bruttoumsatzes abgeben – wenn der Betrag höher als die Standmiete ist. Für die Marktfahrer ist die Diskussion um korrekt deklarierte Umsätze letztlich grotesk: Schliesslich brechen die Umsätze gerade wegen der Cashless-Regel ein.
In der Folge kam der Aufschrei etwas spät – doch diesmal mit politischer Forderung. Der Verein Schweiz-macher.ch hat nämlich eine Beschwerde gegen den rein digitalen Zahlungsverkehr eingereicht. Der Verein steht auch hinter der Bargeldinitiative, über die im März abgestimmt wird. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und stellt ihr einen direkten Gegenvorschlag gegenüber. Eine Bargeldannahmepflicht sei «nicht notwendig», schrieb er bereits 2022 in einem Bericht ans Parlament.

Der Widerstand hat gewirkt: die Veranstalter des «Polarzaubers» haben nun kommuniziert, dass Bargeld am Markt, der heute öffnet, nun doch erlaubt sein wird. Man habe zahlreiche Nachrichten von Bürgern erhalten, die sich besorgt über die neue Bezahlmethode gezeigt hätten.

Trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack – und der Verdacht: Wenn es so weitergeht, sind Christbäume und der Samichlaus bald auch nur noch in Haushalten mit Twint oder Kreditkarte zu sehen.

Wadenbeisser

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