Ärger über Urheberrechtsgebühren

Wer Musik ausserhalb des privaten Rahmens nutzt, benötigt eine entsprechende Lizenz und wird automatisch Kunde der SUISA. Ein Gartenbauer aus Effretikon wollte die Rechnung wegen fix eingebauter Autoradios nicht zahlen – und forderte die SUISA heraus.

Bild zvg

Solche Kleber liess Gartenbauunternehmer Roland Steinmann herstellen – dennoch muss er Gebühren zahlen.

Das Vorgehen bei der Erhebung von Urheberrechtsgebühren ist manchmal ein undurchsichtiger Dschungel. Grundsätzlich gilt aus Sicht von Arbeitgebern: Wenn jemand Musik hört und andere Mitarbeitende in den Musikgenuss kommen, werden Gebühren fällig. Und zwar fürs Unternehmen.

Ein Gartenbauunternehmen aus Effretikon meldete sich kürzlich beim KGV mit einer Rechnung für Urheberrecht: Die SUISA, welche schweizweit die Urheberrechte von Musikschaffenden und Verlegern vertritt, stellte ihm eine saftige Rechnung fürs Jahr 2021 über Fr. 482.55 aus. Stein des Anstosses waren aber in diesem Fall insbesondere die Gebühren für fest eingebaute Autoradios in Firmenfahrzeugen. Der Unternehmer Roland Steinmann von «Die Gartenprofis» meinte nach einem Anruf bei der SUISA resigniert: «Wenn wir die Autoradios ausbauen und die Werkstatt das schriftlich bestätigt, müssen wir die Rechnung nicht bezahlen, hiess es seitens der SUISA.» Dumm nur, dass bei seinen Transportern die Autoradios fest installiert sind. Daher schlug Steinmann vor, die Radios mit eigens dafür angefertigten Klebern abzudecken. Besonders an einem Punkt stiess sich Steinmann: an der Frage nach der Beschallung Dritter, im Fachjargon «Wahrnehmbarmachung», und ob diese im Firmenauto gegeben ist: «Als Gartenbauer transportieren wir keinen Kunden – warum muss ich dann trotzdem zahlen?» Bald fand er heraus, dass die Antwort darauf gar nicht so einfach ist.

«Als Gartenbauer transportieren wir keine Kunden – warum muss ich dann trotzdem für die Nutzung von fest eingebauten Autoradios zahlen?»

Roland Steinmann, Geschäftsführer «Die Gartenprofis», Effretikon

Zwar wurde bereits mit dem Systemwechsel von der Bundes-Inkassostelle Billag zur SERAFE AG die Rechnung für die Urheberrechte via SUISA ab 2019 herausgelöst. Doch erst die fürs Jahr 2021 ausgestellte Rechnung brachte für den Chef des kleinen Gartenpflege-Betriebs das Fass zum Überlaufen: Steinmann intervenierte nach besagter Rückmeldung durch die SUISA abermals und beanstandete die Rechnung zum «Aufführungsrecht» mit vier Positionen (wovon je zwei die Audio-Nutzung und die audio-visuelle Nutzung betrafen).

Unter Vorbehalt einer späteren, klärenden Rechtssprechung zum Thema Audio-Nutzung wurde ihm der Rechnungsbetrag der SUISA mehr als halbiert: Die audiovisuelle Nutzung wurde gestrichen, neu betrug die gestutzte Rechnung Fr. 227.20. Auch das scheint ihm aber viel Geld zu sein.

Steinmanns Ehrgeiz war geweckt: Er meldete sich sogar bei der SUISA selber als Mitglied an und gab sich als Künstler aus – nicht ohne Grund, schliesslich produziert er selber auch Videos und Musik. Die Lizenz, um Geld für Urheberrechte zu beziehen, wird alle 5 Jahre neu verteilt und die entsprechenden Gebühren von den Nutzern – Verbänden, welche die Künstler und Verlage vertreten – bestimmt.

Er hofft nun, dass weitere Unternehmen die Gebühren bekämpfen. Und dass es zu Präzedenzfällen kommt. Im Diskussionsforum des «Beobachters» zum Thema machte er seinem Ärger Luft: «Es wird verlangt, dass wir die Autoradios ausbauen müssen, damit die Rechnung gelöscht wird. (…) Für mich ist es einfach unlogisch, dass die SUISA mehrfach kassiert: beim Gerätekauf, bei den Tonträgern, beim Radiosender, bei uns Privatpersonen über SERAFE, und bei uns Kleinunternehmern (natürlich auch bei Grossfirmen, Schulen, Haftanstalten usw.).»

Tantiemen für jeden Song

Die SUISA (von SUISse Auteurs) ist eine sogenannte Verwertungsgesellschaft und vertritt als Genossenschaft in der Schweiz die Künstler im Musikbereich in Sachen Nutzungsrechte und Entschädigungen. Sie wird vom Institut für geistiges Eigentum (IGE) beaufsichtigt. Grundsätzlich besteht die Aufgabe der SUISA darin, bei den Audio-Medien (Radio, TV), bei Veranstaltern, Orchestern und Plattenfirmen (zum Beispiel bei Compilation-CDs) Geld für die Verwendung oder Aufführung von Musik zu verlangen. Diese sogenannten Tantiemen werden dann aufs Konto der Musikschaffenden überwiesen respektive an diejenigen, welche die Besitzrechte an den Songs haben – die sogenannten Urheber. Einen Teil davon erhalten die Verleger – also das Label, das den Song herausgibt.

Jedes Mal, wenn also ein Song am Radio oder auf einem Live-Konzert gespielt wird, erhält der oder die Urheberin dafür eine Entschädigung. Wer wie viel erhält, ist im sogenannten Verteilungsreglement (seit 1.1.2023 neu) festgelegt. Demnach wird etwa die Höhe beziehungsweise der Faktor nach Dauer eines Beitrags, nach Medium, Format und «Verteilungsklasse» gewichtet: So gehören etwa Jodelchöre nicht in dieselbe Klasse wie Blasmusiken, Tambourengruppen oder kirchliche Aufführungen.

In diesen Wochen erhalten daher viele Unternehmen Rechnungen oder die Aufforderung, sich bei der SUISA anzumelden. Das Geld aus dem sogenannten Gemeinsamen Tarif 3a (GT 3a), das die SUISA erhebt, geht in einen Topf und wird an die Musikschaffenden und Komponisten zurückverteilt. Der GT 3a betrifft «Hintergrundmusik» aller Art – nicht nur im Radio, sondern auch in der Telefonschlaufe, in der Werkstatt, im Auto etc. oder in Fernsehsendungen wie z. B. Fussballspielen oder Serien. Überall dort, wo Musik abgespielt wird und es sich dabei nicht um einen privaten Rahmen handelt, wird man abgabepflichtig. Betroffen sind unter den KMU vor allem Geschäfte wie Friseursalons, Geschäfte des Detailhandels, aber auch Restaurants, Hotelräume, Spitäler, Ferienwohnungen oder das Schaustellergewerbe und vieles mehr.

«Eine Firma hat in der Regel immer eine öffentliche Nutzung, ausser beispielsweise wenn ein Treuhänder bei sich zu Hause im Rahmen seiner Einzelfirma im Privathaushalt Musik hört», erklärt Dieter Kläy, zuständig für Wirtschaftsrecht beim Schweizerischen Gewerbeverband (sgv). «Bei den Firmen wird aber nur schon mit der Empfangsmöglichkeit eines Radios im Auto, das aufs Geschäft eingelöst ist, die SUISA-Abgabe zu bezahlen sein.»

Der Tarif GT3a ist immer wieder mal Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen gewesen. 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht die Höhe des aktuell geltenden GT 3a geschützt.

«Wahrnehmbarmachen»

Irritierend ist beim Thema Autoradios in Geschäftsfahrzeugen, dass sogar gemäss einem Bundesratsbericht als Antwort auf ein Postulat aus dem Jahr 2021 hier die neue GT  3a unklar ist und folglich Interpretationsspielraum zulässt. Einzig beim Europäischen Gerichtshof wurde in einer ähnlichen Frage unlängst ein wegweisendes Gerichtsurteil gefällt – zugunsten der Fahrzeugbesitzer. Während dieses hier nicht gilt, könnten aber Schweizer Gerichte gemäss dem Bericht «eine urheberrechtliche Vergütungspflicht bei Autoradios ebenfalls verneinen», befand der Bundesrat – zumal die Rechtslage vergleichbar sei. Und der sgv bezeichnete im besagten Bundesratsbericht die «Abgabepflicht für Autoradios» als «wesensfremd». Das Musikhören im Auto stelle keinen Gebrauch von Inhalten in der Öffentlichkeit dar und auch ein Unterschied zur Nutzniessung im privaten Haushalt sei nicht ersichtlich. Nur: Bislang kam es in der Schweiz noch zu keinem Urteil, das zur abschliessenden Klärung dieser Frage geführt hätte – ebensowenig wie zur Frage etwa des «Musikhörens in Gemeinschaftsbüros».

Mit Blick auf die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einem Wahrnehmbarmachen durch das Unternehmen selbst und einem erlaubten Privatgebrauch schlägt der Bericht vor, die gesetzliche Terminologie des Wahrnehmbarmachens durch einen klareren, im Alltag verständlicheren Begriff zu ersetzen. Das Wahrnehmbarmachen müsse über die blosse Empfangsmöglichkeit hinausgehen.
Und auf ein solches Urteil hofft Roland Steinmann insgeheim. «Die SUISA hat einen Auftrag, dieser besteht jedoch nicht nur aus einkassieren. Der Bundesratsbericht sollte doch ein wenig beachtet werden», findet er.

«Nur schon mit der Empfangsmöglichkeit eines Radios im Auto, das aufs Geschäft eingelöst ist, ist die SUISA-Abgabe zu bezahlen.»

Dieter Kläy, Ressortleiter Wirtschaftsrecht sgv

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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Dieter Kläy (sgv) nimmt zu Roland Steinmanns Vorbehalten wie folgt Stellung:
• Die Auskunft von SUISA ist korrekt. Wenn das Auto auf die Firma eingelöst ist und sich das Radio nicht ausbauen lässt (was bei vielen Fahrzeugen der Fall ist), lässt sich die Gebühr nicht umgehen. Ausnahme: Das private Einlösen der Fahrzeuge.
• Setzen die Mitarbeiter private Geräte auf der Baustelle oder in der Firma (Werkstatt) ein, ist die Abgabe ebenso geschuldet. Arbeitgeber haben aber die Möglichkeit, den Musikkonsum am Arbeitsplatz zu verbieten.
• Der sgv war Verhandlungspartner für den GT 3a. Zum GT 3a gibt es mehrere Bundesgerichtsentscheide, die in der Regel die Verwertungsgesellschaft stützten: Unter anderem scheiterte die Hotelbranche, statt der gebührenpflichtigen «Wahrnehmbarmachung» von Werken in den Hotelzimmern diese als «Weitersendung» auszulegen. Auch eine Parlamentarische Initiative im Nationalrat aus dem Jahr 2016 «Keine Vergütung für die Verwendung in privaten Räumlichkeiten von Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen» scheiterte mit dem Nein des Ständerats 2022.

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