Auf Spurensuche nach dem «Kitt» im Team

Von digitalen Abenteuern bis zu Übernachtungen unter freiem Himmel – Unternehmen suchen neue Wege, ihre Teams zusammenzuführen. Ein Trend zeigt sich dabei besonders deutlich: Die Rückkehr in die Natur.

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Tom Huber bei einem seiner Outdoor-Events mit Gruppen.

Teambuilding ist längst mehr als ein gemeinsames Abendessen oder eine Runde Bowling. Wer heute nach einem passenden Format für sein Unternehmen sucht, kann zwischen Drohnenrennen in der Halle, Escape Games mit Augmented Reality, ein Wochenende im Wald oder gar Bierbrauseminaren wählen. Einige setzen auf Sport als teambildenden Faktor: sei es der Firmenlauf, die Velotour oder die Yoga-Session im Betrieb: Gemeinsames Schwitzen fördert Kommunikation, Vertrauen, Motivation.

Teambuilding hat viele Gesichter. Besonders die Natur rückt dabei zunehmend in den Fokus – so zumindest die Beobachtung von Tom Huber, Gründer von Tom Outdoor in Thalwil. Trotz der Vielfalt der Angebote zieht es viele Firmen hinaus in den Wald – zu Lagerfeuer, Kochtopf und Improvisation.

Natur: Gegenpol zu Büroalltag

«Die Natur lehrt uns auch, wie wir uns selbst und andere führen», sagt Huber. Seine Angebote reichen von Outdoor-Mentorings über Workshops bis hin zu mehrtägigen Naturcamps. Besonders beliebt: die Feuerküche, bei der Teams einen Ofen aus Steinen errichten und Mahlzeiten zubereiten. Jeder trägt seinen Teil bei – sei es beim Bauen, Kochen oder Gestalten des Lagerplatzes.

Die gemeinsame Zeit draussen, das Übernachten unter Sternen oder Planen (Tarp) und das Improvisieren mit einfachsten Mitteln lockt die Teilnehmenden aus ihrer Komfortzone. «Plötzlich schleppen sie Holzstämme an, bauen mit der Axt etwas und vergessen alles um sich herum», beschreibt Huber. Gerade für Menschen, deren Arbeitsalltag stark getaktet ist, sei das ein befreiendes Erlebnis. Bei seinen Programmen bauen die Teilnehmenden beispielsweise einen Ofen aus Steinen, kochen mit selbst gesammelten Kräutern oder richten ein Nachtlager unter freiem Himmel ein. «Allein schon das gemeinsame Vorbereiten und Kochen wirkt sich positiv auf die Gruppe aus», betont Huber. Das klingt zunächst nach Abenteuerromantik, ist für viele aber ein ungewohntes Terrain. «Ein grosser Teil hat noch nie draussen geschlafen. Und wir nutzen keine Zelte», erklärt Huber.

«Ein grosser Teil der Teilnehmer hat noch nie draussen geschlafen. Und wir nutzen keine Zelte.»

Tom Huber, Inhaber Tom Outdoor

Unternehmen berichten von nachhaltigen Effekten: Teams entdecken verborgene Fähigkeiten einzelner Mitarbeitenden, Hierarchien treten in den Hintergrund, und das Miteinander verändert sich spürbar. Besonders KMU schätzten diese Form des «Timeouts», bei dem sie ohne Druck und mit viel Achtsamkeit neue Erfahrungen sammeln. Von seinen Buchungen für Gruppenevents seien rund 60–70 Prozent Firmen, «und es werden mehr». Ferner werden Wald-Events auch von Familien oder Freundesgruppen gebucht, eher selten von Vereinen. Zwei Drittel aller Gruppen buchten wiederum explizit das Walderlebnis mit Übernachtung.

Huber beobachtet, dass gerade die Kombination aus Natur und Kulinarik derzeit stark im Trend liegt. «Schlangenbrot und Bratwurst – das ist passé», sagt er. Stattdessen entdecken Teams Wildkräuter im Wald, kochen auf Steinöfen und erfahren so Genuss auf einer neuen Ebene.

Die Zukunft des Teambuildings?

Für Unternehmen geht es beim Teambuilding nicht nur um Spass, sondern auch um Kommunikation, Motivation und die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen. Während technische Formate wie Drone Racing oder Outdoor Escape Games den spielerischen Wettbewerb fördern, setzen Natur-Events stärker auf Achtsamkeit und Verantwortung. «Viele Teilnehmende sind dankbar, die Natur mit allen Facetten zu erleben und geerdet in den Alltag zurückzukehren», sagt Tom Huber. Er selber sei von der Natur inspiriert worden, nach diversen Führungsaufgaben und aktuell ergänzend zu seinem Job als Geschäftsführer einer Firma für Nebenartikel in der Schuh- und Sportbranche, umzusatteln.

Vor allem mit dem Naturprodukt Bier fördern Markus Reutimann, seine Frau und seine beiden Söhne im Zürcher Weinland Teambuilding: Reutimann, Geschäftsleiter der Stammheimer Hopfentropfen GmbH, bietet schon seit 27 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Bierbrauseminare und -führungen, viele Hopfenprodukte und auch eine «Bier-Olympiade» sowie einen Hopfenlehrpfad auf der eigenen Plantage an. Diesen Herbst wird das Ehepaar das Unternehmen in die Hände der beiden Söhne übergeben – nach Jahrzehnten voller feuchtfröhlicher Anlässe und innovativer Hopfen-Neuschöpfungen, darunter auch Hopfen-Schnupftabak, Hopfen-Seife oder Events wie ein Bierfestival mit «Bierbauch-Wettbewerb».

Alkohol: Treibstoff fürs Team?

Ein Mythos hält sich hartnäckig im Teambuilding-Universum: Das gemeinsame Trinken verbindet. Wenn also einer weiss, was es mit dem Bier und dem Teambuilding auf sich hat, dann Markus Reutimann. Doch für ihn steht nicht der Alkohol im Vordergrund, wenn es ums Verbindende Element auf dem Hof geht.

Bier sei ein gutes Medium, um Menschen zusammenzubringen – es sei gesund, natürlich hergestellt, süffig und Durst löschend. Und der Alkohol – je nach Sichtweise der Minuspunkt – sorge für Geselligkeit. Fördert Alkohol also allgemein den Teamgeist? Oder entsteht da nicht vielmehr ein gewisser Gruppendruck? «Bei jeder Gruppe ist einer, zwei dabei, die generell keinen Alkohol trinken», so Reutimann. «Heute ist das aber nicht mehr verpönt.»
Er erinnert sich an die Anfangszeiten des Erlebnishofs, als Unternehmen sich eher schwer taten mit Lockerungen im Umgang. «Als wir gestartet sind vor 27 Jahren, hatten wir Chefs, die ihren Vornamen sagten, aber ab dem nächsten Tag wieder mit Herr Meier angesprochen werden wollten. Heute sind zu 99 Prozent alle per Du.» Frei von solchen hierarchischen Fesseln seien die Gruppen offener und besser durchmischt. So hätten sie eher die Chance, den Teamgedanken zu fördern. Oft schweisse auch ein gemeinsames Ergebnis am Schluss zusammen – etwa ein Produkt wie selbst gebrautes Bier.

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Spass und Teamspirit: Bei der Bierolympiade in Stammheim.

Ein Alleinstellungsmerkmal der Hopfenfarm mit Erlebnisbrauerei und Brauseminaren: Die Bier-Teamwettkämpfe. «Bei unserer Bierolympiade werden die Gruppen gezielt querbeet gemischt. So kommen Leute unterschiedlicher Abteilungen miteinander ins Gespräch – und das finden sie immer super.» Der Wettkampf umfasst relativ einfache Spiele, die zum Hof passen: Etwa Holzski laufen in der Gruppe, wobei Bier transportiert werden muss. «Die Spiele sollten immer einen Bezug haben zum Ort, an dem man sich befindet», so Reutimann. 80 Prozent der Gruppen auf dem Hof – darunter viele Firmenteams – buchten daher eine Aktivität mit dem Ziel des Teambildungs. Seien dies ein Brau-Seminar oder gemeinsame Spiele.

Kundenanlässe mit Erfolgsquote

Doch nicht nur der Kitt für die Zusammenarbeit werde gestärkt – manchmal gehe es auch ums Geschäftliche. Eine grosse Uhrenfirma besuche jedes Jahr den Hof mit Kunden. Die Resonanz sei gemäss der Firma hoch: Kunden blühten richtig auf. «Sie kaufen am nächsten Tag viel eher eine Uhr, als wenn man sie einfach hinsetzt und ihnen etwas zu essen anbietet», so Reutimann. «Und vor allem schwärmen sie noch Jahre davon.»

«Bei unserer Bierolympiade werden die Gruppen gezielt querbeet gemischt. So kommen Leute unterschiedlicher Abteilungen miteinander ins Gespräch – und das finden sie immer super.»

Markus Reutimann, Geschäftsführer Stammheimer Hopfentropfen GmbH

Immer wieder kämen Deals am Zapfhahnen zustande, sagt Reutimann: «Die Quote ist natürlich nicht messbar. Aber wenn potenzielle Kunden an einen Anlass eingeladen werden, und sie unterhalten sind und sich amüsieren, sind sie eher bereit, zuzusagen.» Eine Grossbank führe beispielsweise regelmässig einen Seminaranlass für Unternehmen im Nachfolgeprozess durch. «Überhaupt kommen Banken gern mit ihren Kunden zu uns für ein längeres Essen und vertiefte Gespräche.»

Häufig seien die Gruppen zwar aus der Banken- oder Versicherungsbranche, oft kämen aber auch kleine KMU, und logischerweise viele Vereine: Vom Turnverein über die Fasnachtsclique. Alkoholexzesse wie vereinzelt bei Poltergruppen im Frühling, die «sich manchmal beim Trinken übertrumpfen wollen», seien selten – bei Firmen sowieso.

Teambuilding auf Tech-Basis

Manche Teams suchen die Rückkehr zum Ursprünglichen, andere den digitalen Kick. Eine Variante, mit Technologie und Augmented Reality den Teamgedanken zu stärken, sind die Outdoor Escape Games: Es kombiniert GPS-Geocoaching, Escape Game und Augmented Reality. In Horgen kann man in einer Halle im Team den Nervenkitzel des «Drone Racings» unter Anleitung erfahrener Piloten erleben. Die Teambuilding-Idee dahinter: Wenn sich die Teams die Drohnen gegenseitig um die Ohren jagen, ist auch die Gruppendynamik entfacht.

In verschiedenen Räumen bietet auch die WeAreVR in Rümlang so etwas wie Teambuilding auf Tech-Basis: Bei verschiedenen Games können etwa die Zombie-Invasion gestoppt werden, ein tödliches Virus ausgerottet (Patient Zero), eine antike Maya-Welt erlebt oder im Shooter-Game-Stil Gegenspieler im 3D-Raum gejagt werden.

Ob man in der Horizontale liegend auf dem Vogelflugsimulator Birdly als «Wingsuit Racer» oder als überdimensioniertes Insekt die Landschaft von oben erkundet, als Flugsaurier in die Dinosaurierwelt oder als Meeresschildkröte in die Verschmutzung im Unterwasser-Ökosystem eintaucht – stets tritt man mit oder gegen jemanden an.

Doch versprechen feuerspeiende Drachen, epische Weltraumschlachten und futuristische Rennwagen letztlich den besseren «Kitt», um als Team zusammenzuwachsen? Ja, findet Dominique Perret, Betriebsleiter von We-AreVR in Rümlang. «Virtuelle Realität eröffnet immersive Welten, in denen Zusammenarbeit, Kommunikation und Problemlösung entscheidend für den Erfolg sind», sagt Perret. Im Gegensatz zu klassischen Teamevents, die oft nur für Spass und lockere Interaktion sorgen, gehe es bei VR darum, «Teamgeist, Entscheidungsfindung unter Zeitdruck oder Stressbewältigung ganz konkret zu trainieren».

Ein typischer VR-Event dauert zwischen 30 und 90 Minuten und kombiniert Einführung, Session und Feedbackrunde. Besonders beliebt seien grossflächige Formate wie Infinity VR: «Auf 200 Quadratmetern bewegen sich die Teilnehmenden frei im Raum, lösen gemeinsam Rätsel und Escape-Szenarien – Aufgaben, die nur im Team lösbar sind.»

Die Nachfrage zieht sich laut Perret durch alle Branchen und Altersgruppen: «Startups nutzen VR, um ihre agile Kultur erlebbar zu machen. Traditionsunternehmen wiederum wollen ihren Mitarbeitenden moderne, aussergewöhnliche Erlebnisse bieten. Und selbst Skeptiker, die anfangs sagen ‹Das ist sicher zu technisch für mich›, sind nach wenigen Minuten begeistert. Oft sind gerade sie es, die hinterher am meisten staunen.»

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In Rümlang kann man in hyperrealistische Welten eintauchen.

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In Rümlang kann man in hyperrealistische Welten eintauchen.

Fast jede Gruppe erlebe dabei einen gemeinsamen Aha-Moment: «Wenn die virtuelle Umgebung so real wirkt, dass man spontan lacht oder ruft: ‹Das fühlt sich echt an!› – dann entsteht ein starkes Wir-Gefühl.»

Für Perret ist das Besondere an VR, dass Teams darin oft neue Dynamiken entwickeln: «Rollenverteilungen verändern sich, Hemmungen fallen weg, und Menschen entfalten ungeahnte Stärken. Genau das macht VR zu einer zeitgemässen Ergänzung zu Natur- oder Kulinarik-Events – innovativ, nachhaltig und überraschend verbindend.»

Digital, Natur oder Kultur?

Für Tom Huber von Tom Outdoor steht trotzdem fest: «Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben. Aber die Natur war schon immer da. Sie fordert alle Sinne – und das kann kein digitales Angebot ersetzen.» Wer lernen wolle, Verantwortung zu übernehmen, mit Unsicherheit umzugehen und Kommunikation neu zu erleben, werde den Wald auch nicht so schnell gegen den Seminarraum eintauschen.
Die Zukunft des Teambuildings dürfte daher vielfältig bleiben: mit Drohnen und 3D-Welten, Kochkursen und Brauseminaren, Wald-Exkursen und Wanderungen für Abenteurer und solche, die der Bürowelt entfliehen wollen und Entschleunigung suchen. Letztlich bleibt die Frage ungelöst, ob nun ein Lagerfeuer, das gemeinsame Bierbrauen, der Adrenalinkick beim Abseilen vom Turm oder die gemeinsame Eroberung digitaler Welten mehr zusammenschweisst.

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