Aufregung rund ums Brot
Der Brotpreis ist das Gesprächsthema der Stunde und seit Wochen im Fokus der Medien. Statt zu jammern, setzen die Kleinbetriebe auf Kreativität, Qualität und Kundenerlebnis, um gegen die grossen Detailhändlern zu bestehen.
18. Dezember 2025
«Das allerbeste Brot bei der freundlichsten Verkäuferin in der schönsten Bäckerei»: Die Philosophie von René Schweizer, Bäckerei Voland.
Seit Aldi den Brotpreis auf 99 Rappen gesenkt hat, überschlagen sich die Schlagzeilen, meist negative. Aber steht die ganze Branche tatsächlich am Abgrund, gebeutelt von Energiekrise, Rohstoffknappheit, Preisdruck der Grossverteiler und Fachkräftemangel? Peter Lyner, Präsident des Zürcher Bäcker-Confiseur-MeisterVerbandes und Inhaber der gleichnamigen Bäckerei in Winterthur in vierter Generation, winkt ab. Er versteht die Aufregung nicht: «Unsere Kundinnen und Kunden kaufen ihr Brot nicht bei Aldi.» Statt über Dumpingpreise zu lamentieren, sollten Bäckereien sich auf ihre eigenen Stärken konzentrieren. Lyner ist überzeugt: Mit einer durchdachten Strategie kann jede Bäckerei – ob Kleinbetrieb oder Grossbetrieb – auch heute noch erfolgreich und rentabel arbeiten. Entscheidend seien Kreativität, eigene Ideen und Alleinstellungsmerkmale.
Dumpingpreise bedrohen Löhne
Einfach nur absurd, findet es dagegen Martin Mayer, Inhaber der Ustermer Bäckerei Vuaillat, ein Brot für 99 Rappen zu verkaufen. Diese Preistreiberei sorge dafür, dass man den Mitarbeitenden in der Backstube keine anständigen Löhne zahlen könne. «Eigentlich müssten sie, wie andere Handwerker auch, 6000 bis 7000 Franken verdienen. Doch durch die Dumpingpreise der Grossverteiler lässt sich der wahre Wert unserer Arbeit kaum durchsetzen.» Gleichzeitig zeigt Martin Mayer auf, wie man mit guten Ideen und gezielter Expansion in einem hart umkämpften Markt bestehen kann. Er hat dafür gesorgt, dass Sauerteigbrote in der ganzen Schweiz bekannt wurden. Und mit seinem Sauerteighotel, in dem Bakterienkulturen von Kunden und Kundinnen während ihrer Abwesenheit gehegt und gepflegt werden, ist er sogar über die Landesgrenzen hinaus berühmt geworden.
Emotionen als Strategie
«Der Kunde muss das Gefühl haben, dass er gerade das allerbeste Brot bei der freundlichsten Verkäuferin in der schönsten Bäckerei weit und breit gekauft hat», sagt René Schweizer, Inhaber der Bäckerei Voland mit 13 Filialen im Zürcher Oberland. Das ist für ihn auch die richtige Strategie, um sich gegenüber den Discountern und Grossverteilern abzugrenzen. Kann heute eine kleine Dorfbäckerei überhaupt noch überleben? Für Schweizer ist das ebenfalls nicht eine Frage der Grösse, sondern der Strategie. Brot müsse mit Emotionen und als Erlebnis verkauft werden. Zudem sei die Qualität wichtig und die Breite des Sortiments. Das Bäckereigewerbe beschäftige 36000 Personen und bilde 1000 Lernende aus, das müsse man den Konsumenten auch bewusst machen. Diese Verantwortung könne man nicht wahrnehmen, wenn man das Brot für 99 Rappen verscherble.
Wertschätzung fürs Handwerk
«Es hat auch mit der Wertschätzung gegenüber dem Produkt zu tun», meint Egzon Shalja von Alberts Backstube in Uster. er. Dass man Brot, ein wichtiges Grundnahrungsmittel, einfach so verscherbelt, sei fast schon respektlos. So gesehen ist es tatsächlich ein Affront gegen alle Mitarbeitenden in den Bäckereien, die Nacht für Nacht frisches Brot herstellen. Und das soll dann auch noch unter den Gestehungskosten verkauft werden? Die Strategie des Familienunternehmens, das von ihm, seinem Bruder und Vater geführt wird, ist eine einfache: Mit überdurchschnittlicher Qualität Stammkunden gewinnen. Man müsse die Kundinnen und Kunden mit guten Produkten überzeugen und sich so durch Mund-zu-MundPropaganda eine Stammkundschaft aufbauen. «Uns ist auch ein freundschaftliches Verhältnis wichtig – alle sollen sich bei uns wohlfühlen. Das unterscheidet uns von der Anonymität der Grossverteiler. Vor allem samstags und sonntags kommen viele Familien zu uns, um sich zum Zmorge etwas Besonderes zu gönnen», sagt er. So werde der Einkauf zum Erlebnis.
Tradition verpflichtet
Dass den deutschen Discountern und auch den grossen Schweizer Detailhändlern die Geschichte und Tradition des Brotes egal ist, kann nachvollzogen werden. Hier geht es um Marktanteile und nicht um Sentimentalitäten und Bewahrung des Handwerks. So ist es an den alteingesessenen Bäckereien, die jahrtausendalte Tradition aufrechtzuerhalten. Das älteste bekannte Brot oder die Überreste davon stammt aus dem Jahr 3530 v. Chr. und wurde in Twann am Bielersee gefunden.
«Unsere Kundinnen und Kunden
Peter Lyner
kaufen ihr Brot
nicht baei Aldi.»
Präsident Zürcher
Bäcker-Confiseur Meister Verband
Im frühen Mittelalter waren vor allem Klöster für die Brotproduktion zuständig. Der Backofen des Klosters St. Gallen etwa konnte gleichzeitig 1’000 Laibe Brot backen. Neben der grossen Menge beeindruckte auch die Vielfalt: gesäuertes und ungesäuertes Brot aus verschiedenen Getreidesorten, oft unterschiedlich geformt. Mit dem Wachstum der Städte übernahmen professionelle Bäcker die Produktion, gründeten Zünfte und etablierten strenge Vorschriften für Qualität und Sicherheit. Diese lange Tradition zeigt, wie stark Brot immer schon mit Handwerk, Wissen und Sorgfalt verbunden war – Werte, die auch heute noch in den kleinen und mittleren Bäckereien gepflegt werden.
Gerold Brütsch-Prévôt
Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft
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