Konkurrenz um Kaugummis mit Kick

Koffein aus der Kaugummipackung: Zwei Zürcher Startups mischen mit Energie zum Kauen den Markt auf. Die Idee: Wachmacher zum Kauen statt zum Schlucken – und das ganz ohne Zuckerflut oder schwappenden Kaffee. Doch der Weg in die Regale der Grossverteiler ist zäher als das Produkt selbst.

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Die drei Schüler der Kantonsschule Hottingen erfanden 2022 den Koffeinkaugummi Chew Up.

Wer braucht noch Kaffee, wenn man Energie kauen kann? Diese Frage stellten sich gleich zwei Gruppen Jugendlicher im Kanton Zürich – und entwickelten unabhängig voneinander koffeinhaltige Kaugummis. Das Resultat: Joltz aus Uster und Chew Up aus Zürich-Hottingen – zwei Startups, ein gemeinsames Ziel: den ultimativen Energieboost für unterwegs.

Der eine mit Guarana, der andere mit Matcha: Beide Produkte setzen auf eine natürliche Koffeinquelle, die sanft, aber langanhaltend wirken soll. Joltz entstand 2023 als Projekt an der Kantonsschule Uster, Chew Up bereits ein Jahr zuvor im Rahmen des YES-Programms (Young Enterprise Switzerland).

«Genau wegen des Gesundheits-Hypes dachten wir, dass es eine gute Zeit ist. Weil wir Alternativen zu Kaffee und Süssgetränken anbieten.»

Ennio Kubli, Co-Gründer Chew Up

Aus Lernumgebung wurde Ernst: Vier Kantonsschüler aus Uster wollten ihre Idee in die Realität umsetzen und gründeten im Zuge des Projekts das Startup Joltz (www.joltz.ch). Die Geschäftsidee: Die vier Jungs, heute sind sie zwischen 17 und 18 Jahren alt, wollten einen Kaugummi als Energiebooster entwickeln. Der Kaugummi, der dann daraus entstand, beinhaltet Koffein in Form von Guarana.In Obersaxen entwickelten sie zunächst eine Woche lang im Rahmen eines Sommercamps das Konzept fürs Produkt (die Produktentwicklung würde weitere acht Monate dauern). «Wir wollten eine Koffein-Alternative herstellen, weil wir Energydrinks als ungesunde Option und Kaffee nicht praktisch fanden. Die Vision: ein gesünderer und praktischer Energizer», sagt Dennis Straube, Chief Product Officer (CPO) beim Startup Joltz. So realisierten die Jugendlichen die Idee des Koffeinkaugummis.

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Die vier Jungs von Joltz, einem Koffein-Kaugummi-Startup, das an der Kantonsschule Uster 2023 seinen Anfang nahm.

Szenenwechsel. Auch das Start-up Chew Up (www.chewup.ch) begann schon ein Jahr davor als Projekt im Rahmen desselben Freifachs, koordiniert von Young Enterprise Switzerland (YES), bei dem ein eigenes Mini-Unternehmen gegründet werden sollte – allerdings nur als Simulation für ein Jahr. Gecoacht von Lehrern, stellten sich drei Kantonsschüler die Frage: Was könnte uns einen Energieboost im Schulalltag liefern? «Kaugummi kann man immer bei sich tragen. Über Umwegekamen wir so auf die Idee eines Koffein-Kaugummis», sagt Leon Bossard, Mitgründer von Chew Up.

Durch Zufall stiessen die drei Schüler auf Matcha (Grünteepulver), das einen lang anhaltenden Koffein-Effekt versprach. Echtes Koffein biete zwar einen starken Energieboost, aber die Wirkung sinke auch schnell wieder, meint Bossard. Matcha gilt als anre-gend und konzentrationsfördernd. Ganz neu ist die Idee koffeinhaltiger Kaugummis nicht. Mit 5 Gum von Wrigley’s wurden um 2010herum während des Hypes um «Call of Duty» bereits Kaugummis für Gamer hergestellt. Obwohl die Verkaufszahlen des Trend-Kaugummi 5 Gum inzwischen abgestürzt waren, fanden die drei: Die Zeit war reif für einen neuen Kaugummis mit Aufputschwirkung. «Wegen des Gesundheits-Hypes dachten wir, dass es jetzt eine bessere Zeit für ein solches Produkt wäre», sagt Ennio Kubli von Chew Up. «Weil wir Alternativen zu Kaffee und Süssgetränken anbieten.»

Co-Gründer Leon Bossard hatte zu Hause schon Grünteepulver auf Lager. «Wir recherchierten und probierten es einfach aus», so Bossard. Mit einem Produzenten aus Italien wurden die Möglichkeiten analysiert: «Wir verarbeiten nun im Produkt das Maximum an Koffein, das möglich ist. Wenn man zu viel verwenden würde, dann würde der Kaugummi schlicht auseinanderfallen.» Im Moment ist der einzige Geschmack Pfefferminze. Der sei gemäss einer eigenen Umfrage der beliebteste Kaugummi.

Das grosse Ziel der drei Jungunternehmer von Chew Up: Sie möchten gern in den Detailhandel kommen. Doch Coop oder Migros seien noch weit entfernt.
Immerhin: Sie wurden 2023 zur Startup-Sendung «Die Höhle der Löwen» eingeladen – als jüngste Gründer überhaupt. Die TV-Präsenz der Mitbewerber von Chew Up sorgte auch für einige Verwirrung im Umfeld der Joltz-Gründer: «Viele meinten zu uns, wir wären ja in der «Höhle der Löwen» erschienen», so Dennis Straube von Joltz. Immerhin half ein Artikel in «20 Minuten» vor rund fünf Monaten, das eigene Produkt zu positionieren und bekannt zu machen. Trotz der Verwechslungen könnten die beiden sogar gegenseitig von etwas Gratiswerbung profitieren, ist Straube überzeugt, «zumal so überhaupt einmal die Idee eines Energie-Kaugummis in den Köpfen ist».

Die Höhle, die Welle, der Shop

Chew Up landete mit einem Auftritt in «der Höhle der Löwen» medial einen Volltreffer – auch ohne Deal. Seither boomt der Onlineverkauf: Brack.ch listet das Produkt, auch Unis und zwei Banken führen es in Kiosken und Mensen. Joltz hingegen fokussiert sich auf B2B: Den Kaugummi über die eigene Webseite zu vertreiben (Business-to-Customer, B2C), erwies sich bei Joltz als schwierig. So verkaufen sie ihr Produkt aktuell als «Dr. Andres Energy Gum» in der Dr. Andres Apotheke.

Nach vielen Versuchen mit Social Media (Instagram, TikTok, Youtube) und Experimenten mit organischem Marketing fiel die Bilanz ernüchternd aus: «Sehr viel Zeit ging für wenig Output drauf», so Straube. Die Erkenntnis: Kaugummi ist ein Produkt, das man impulsiv «on the go» kaufe. «Daher gab es wenige, die das auf der Website kauften.» Jetzt stehen sie kurz vor dem Launch bei einem grossen Detailhändler. Damit die Marketingbemühungen in den Sommerferien nicht verpuffen, wurde dieser auf Anfang September angesetzt.

Regale, Risiken, Rückschläge

Beide Startups träumen vom Sprung in die Regale von Migros und Coop. Doch das ist leichter gesagt als gekaut: «Wer zu unbekannt ist, landet zuhinterst im Regal – wenn überhaupt», sagt Chew-Up-Mitgründer Leon Bos-sard. Auch die Produktion in der Schweiz scheitert derzeit an zu hohen Einstiegshürden.

Vom Kaugummibusiness zu leben, sei momentan nicht realistisch. «All unsere Gewinne fliessen zurück ins Unternehmen, um es zu skalieren», sagt Bossard. Obwohl im Zwischenjahr nach dem Gymnasium die Jungs ihr Startup sozusagen vollberuflich betreiben, werden danach zwei der Mitgründer mit dem Studium beginnen und Leon Bossard wird ein zweijähriges Praktikum absolvieren. Trotzdem soll das Unternehmen weiterwachsen – so der Plan. Da die Gründer noch andere Produkte lancieren möchten, ist das Startup seit zwei Jahren als ENERGETIC INNOVATIONS GmbH im Handelsregister eingetragen. «So sind wir besser abgesichert, statt selber haften zu müssen», sagt Bossard.

Grosse schweizweite Detailhändler zu beliefern, sei schwierig. Der beste Platz für Kaugummis sei an der Kasse. «Aber dort sind meistens die grossen Marken», so Ljam Oehninger von Chew Up. Auch bei Coop sei man vorstellig geworden. «Da wurden wir nicht aufgenommen, weil wir zu unbekannt sind. Aber wenn wir nicht ins Sortiment aufgenommen werden, ist es schwierig, bekannt zu werden», sagt Oehninger.

Kaugummigeschmack entwickeln

Wie geht man vor bei der Entwicklung eines neuen Kaugummis? Grundsätzlich gehe es darum, dem Produkt den eigenen Stempel durch Rezeptur und Design aufzudrücken, erklärt Straube. «Nach jeder Anpassung bestellen wir dann Samples.» Unter Freunden und Verwandten wird dann Feedback eingeholt. Der Kaugummi von Joltz habe meh-rere Wirksubstanzen, darunter 80 mg Guarana und 5 mg Grüntee-Extrakt sowie Vitamine.

Auf die erste Rezeptur mit Cassis-Minze-Geschmack erhielten sie viel Feedback: So wurde kritisiert, der Kaugummi sei wegen des natürlichen Geschmacks des Koffeins Guarana bitter. «Die Leute waren noch nicht so zufrieden mit dem Produkt», sagt Straube. In der Folge wurde ein intensiverer Minze-Geschmack lanciert, der die Bitterkeit überdeckt.

«Wir profitieren beide, wenn wir den Koffein- und Energymarkt aufmischen.»

Dennis Straube, CPO Joltz

Die beiden Startups lassen den Kaugummi «traditionell» beim selben Produzenten (Indaco) herstellen. Dass er nicht natürlich abbaubar ist, habe das Team von Joltz zunächst gestört. «Wir wollten zunächst die Kaugummis selber herstellen mit natürlicher Kaumasse», so Straube. «Das hat leider nicht geklappt, weil die Gratismuster des Rohstoffs Chicle aus Mexiko nie angekommen sind – wir wurden vermutlich gescammt.»

Die vier bestellten dann mit eigenem Erspartem sowie Beiträgen aus ihrem Umfeld und ohne externe Geldgeber (Bootstrapping) je eine Palette (20 000 Packungen à 10 Stück) mit Kaugummis mit Cassis-Geschmack und eine mit Peppermint in Italien.

Auch Chew Up suchte nach möglichen Alternativen zum herkömmlichen Kauprodukt. «Wir testeten auch einen Baumharzkaugummi aus Österreich», so Ennio Kubli von Chew Up. Der sei aber nicht gut mit Koffein kombinierbar. «Und er verlor sehr schnell den Geschmack. Der von Chew Up hingegen hält den Geschmack über eine halbe Stunde lang.»

Geschmacklich und inhaltlich unterscheiden sich die Kaugummis wesentlich, versichern beide Startups. Diese Koexistenz eines ähnlichen Produkts im gleichen Kanton müsse aber nicht hinderlich sein für den Absatz, findet Straube. «Wir profitieren beide, wenn wir den Koffein- und Energymarkt aufmischen.»

«Wer zu unbekannt ist, landet zuhinterst im Regal – wenn überhaupt.»

Leon Bossard, Co-Gründer Chew Up

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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