Parkplatz-Poker in Zürich
Wie der Zürcher Gemeinderat das Gewerbe an die Wand fährt – und das Gewerbe trotzdem Ja sagen muss: Das Parlament koppelt die Gewerbeparkkarte an eine umstrittene Änderung der Parkkartenverordnung für Anwohner.
19. August 2025 Nicole Barandun
Nicht nur im Kreis 1 – hier die Schreinerei von Peter Epting – wird das Parkieren fürs Gewerbe immer schwieriger.
Zürich ist eine Stadt voller Leben, Wirtschaftskraft und Innovation. Doch hinter den Kulissen kämpfen gerade die kleinen und mittelgrossen Gewerbebetriebe um angemessene Rahmenbedingungen. Eines der grössten Ärgernisse bei der täglichen Arbeit: fehlende Parkplätze. Handwerker, Installateure, Lieferanten – sie alle brauchen Platz, um ihre Fahrzeuge während der Arbeit legal parkieren zu können. Langer Suchverkehr ist störend und verteuert die Arbeit. Regelmässiges Falschparkieren und Bussen weiterverrechnen kann auf Dauer auch keine Lösung sein.
Seit Jahren beobachten wir mit wachsender Sorge, wie die Anzahl von Parkplätzen in der Stadt Zürich stetig schrumpft. In fast allen Quartieren, werden Parkplätze abgebaut und damit zu einem knappen Gut. Der Ausbau von Veloinfrastruktur und Fussgängerzonen ist zwar wichtig – und wird von uns grundsätzlich unterstützt –, doch dies darf nicht zulasten der beruflichen Mobilität gehen. Fast jeder Vorwand ist heute gut genug, um einen Parkplatz abzubauen: Hitzeminderung, Grünflächen, Abstellplätze für Züri-Velos, die kaum jemand benützt… An die Handwerker, die ihr Fahrzeug benötigen, denkt niemand. Das Lastenvelo ist entgegen der Überzeugung der Stadtregierung halt nicht die Lösung für alles. Nein, es braucht Alternativen, die alle Bedürfnisse berücksichtigen.
Endlich liegt eine solche Lösung auf dem Tisch: die erweiterte Gewerbeparkkarte. Diese Karte wäre ein echter Fortschritt. Sie ermöglicht es Handwerkern und Gewerbetreibenden, ihre Fahrzeuge in ihren Einsatzgebieten einfacher zu parkieren und so effizienter zu arbeiten. Eine pragmatische, zielgerichtete Antwort auf ein drängendes Problem.
Doch leider macht es der Gemeinderat unnötig kompliziert. Statt die Gewerbeparkkarte als eigenständige, unmissverständliche Verbesserung zugunsten des Gewerbes einzuführen, koppelt er sie an eine umstrittene Änderung der Parkkartenverordnung für Anwohner – mit zwei brisanten Effekten: Erstens steigt der Preis für die blaue Anwohnerparkkarte massiv. Zweitens wird das sogenannte Bieler Modell eingeführt, das die bisherige Praxis grundlegend verändert und auf heftigen Widerstand bei Anwohnenden stösst.
Unterstützung mit Vorbehalt
Diese Verknüpfung gefährdet die ganze Vorlage und damit den dringend notwendigen Fortschritt. Für viele Gewerbetreibende ist die erweiterte Gewerbeparkkarte ein Hoffnungsschimmer, der nun von der unrühmlichen «Blauen-Karte-Reform» getrübt wird. Ein echtes Trauerspiel.
Trotz allem Verständnis für die Bedürfnisse der Anwohner und trotz aller Kritik am Anwohnerkartenteil sage ich als Präsidentin des Gewerbeverbands der Stadt Zürich ganz klar: Wir unterstützen die Vorlage. Denn ohne diese Vorlage bekommen wir keine Gewerbeparkkarte. Das wäre ein fatales Signal ans Gewerbe und an unsere Handwerker. Wir können es uns nicht leisten, diese Chance zu verpassen.
Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Es ist politisches Kalkül, wenn man zwei völlig unterschiedliche Anliegen verknüpft, um dem unbeliebten Teil mehr Chancen einzuräumen, aber damit gleich das ganze Paket gefährdet. Dieses Vorgehen ist schlicht unfair gegenüber dem Gewerbe, aber auch gegenüber den betroffenen Anwohnern.
Zürich braucht pragmatische Lösungen für echte Probleme. Unsere Gewerblerinnen sind keine Verhandlungsmasse im Spiel der politischen Interessen. Sie brauchen Unterstützung – nicht neue Hindernisse. Kurz: Wir sagen Ja zur Vorlage, weil wir die Gewerbeparkkarte brauchen. Gleichzeitig appellieren wir an den Gemeinderat, solche Verknüpfungen künftig zu vermeiden und stattdessen an den Problemen orientierte, nachvollziehbare Lösungen zu schaffen.
Zürich verdient mehr – und unser Gewerbe ebenso.
Nicole Barandun
Nationalrätin Die Mitte
Vizepräsidentin KGV und
Präsidentin Gewerbeverband
Stadt Zürich GVZ
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