Wetterprognosen: Wissenschaft oder Show?

An der Generalversammlung des KGV in Stammheim gab SRF-Meteo-Redaktionsleiter Thomas Bucheli spannende Einblicke in die Welt der Wettervorhersagen. Dabei wurde rasch klar: Wetter ist weit mehr als Gefühlssache – es ist harte Wissenschaft. Auch Kantonsratspräsident Jürg Sulser wurde nach seinem Präsidialjahr verdankt.

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Thomas Bucheli zeigte unterhaltsam auf, wie das Wetter zustande kommt. Moderne Prognosen basieren heute auf komplexen Modellen und riesiger Rechenleistung.

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Neu kommt Christian Nussbaumer für Boris Blaser in den KGV-Vorstand.

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Der volle Saal des Landgasthof Schwert in Oberstammheim.

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Der abtretende Kantonsratspräsident Jürg Sulser (2.v.r.) und Bezirkspräsident Urs Berger (r.).

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KGV-Präsident Werner Scherrer verdankt Kantonsratspräsident und KGV-Ausschussmitglied Jürg Sulser nach seinem Präsidialjahr.

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KGV-Präsident Werner Scherrer mit SRF-Meteo-Mann Thomas Bucheli.

Vor 10 Jahren hatte der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich (KGV) letztmals im Bezirk Andelfingen, damals in Henggart, Station gemacht. Nun war es am 22. Mai wieder so weit: Die 171. Generalversammlung fand mit rund 180 Gästen aus Gewerbevereinen, Politik und Wirtschaft im Landgasthof Schwert im idyllischen Stammertal statt. Dazu richtete Urs Berger, Gewerbevertreter des Bezirks Andelfingen, einige Worte an die Gäste: «Ich vertrete knapp 500 Firmen aus dem Zürcher Weinland. Diese sind in fünf Gewerbevereinen organisiert. Bei uns leben 2 Prozent der Einwohner des Kantons Zürich. Wir zählen aber 3 Prozent der KGV-Mitglieder. Wenigstens sind wir da vorne dabei.» Jedem Einzelnen stünden 5000 Quadratmeter Land zur Verfügung, etwa 25-mal so viel wie einem Stadtzürcher – was goldene Zeiten verspreche mit Blick auf die Bodenpreise. Besonders stolz sei er auf alle Betriebe, die dem grassierenden Einkaufstourismus standhalten könnten. «Pragmatisch und innovativ – das steht bei uns hoch im Kurs.»

Dank heimeliger Dörfer, Thur, Rhein und schöner Landschaften gelte die Region als Naherholungsgebiet der Stadt Winterthur und des Raums Zürich. Das zeige: «Im Schatten wachsen die schönsten Blumen.» Ferner würden die regionalen Hügel entdeckt für Windräder und die Region zur Ablagerung von CO2 aus den Städten. «Wir können uns also nicht über mangelnde Wertschätzung beklagen.»

SRF-Meteorologe gibt Einblick

Gastredner Thomas Bucheli, der ein 15-köpfiges Redaktionsteam bei SRF Meteo leitet, nahm die Gäste mit auf eine Reise durch die komplexen Mechanismen der Wettervorhersage. Schon Captain Fitzroy, der mit Darwin unterwegs war, wusste: Der Mensch unterschätzt, was er nicht versteht – beim Wetter ist das nicht anders. Viele sähen Wetterprognosen eher als Unterhaltungsshow denn als Wissenschaft, so Bucheli.

Wetter sei nichts anderes als sichtbar gemachte, umgesetzte Energie, die von der Sonne auf die Erde geschickt werde. Anschaulich erklärte Bucheli die Dynamik der Atmosphäre: Selbst bei ähnlicher Grosswetterlage beeinflussen lokale Faktoren wie Topografie, Untergrund oder Windscherung den Verlauf. So sei jede Wetterlage ein Einzelfall, sei regional und lokal.

Die modernen Prognosen basieren heute auf komplexen Modellen und gigantischer Rechenleistung. Ein globales, dreidimensionales Gitternetz wird über die Erde gelegt – je feiner das Netz, desto präziser die Prognose. Supercomputer leisten dabei enorme Arbeit: Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW) berechnet mit komplexen mathematischen Modellen das Wetter auf unserem Globus voraus. Bucheli führte eine aktualisierte Karte von Warm- und Kaltluft über Oberstammheim vor – welche auch den vorübergehenden Regenschauer erklärte. «Wir sind im Einflussbereich eines Kaltlufteinbruchs. Das ist ein ganz normaler Vorgang in der Atmosphäre.» Es sei der Versuch des Systems Atmosphäre, das energetische Ungleichgewicht auszugleichen.

Dennoch bleiben Unsicherheiten: Messfehler, ungenaue Ausgangsdaten oder lokale Verschiebungen von Wolken können Pro-gnosen beeinträchtigen. Deshalb arbeiten Meteorologen mit verschiedenen Modellrechnungen und Wahrscheinlichkeiten. Um die Fehlerquote zu reduzieren bzw. mit den Unsicherheiten zu arbeiten, versuche man bei Prognosen, den Ausgangszustand mehrmals zu modellieren und zu modifizieren, um eine durchschnittliche Entwicklung zu berechnen. Mit der Qualität der Wetterprognosen auch die Erwartungen gewachsen: Heute seien die Prognosen – auch dank internationaler Zusammenarbeit – für den vierten Tag gleich genau wie vor 30 Jahren für den ersten. Doch wachse die Unsicherheit mit der Bandbreite der möglichen Entwicklungen. Deshalb riet Bucheli, keinen Wetter-Apps Glauben zu schenken, die Prognosen für mehr als 10 Tage machten.

Trotz aller Fortschritte bleibt das Wetter ein sensibles Thema. Bucheli berichtete von Rückmeldungen aus dem Publikum – von ehrlichem Interesse über Frust bis zu unrealistischen Erwartungen. Die emotionale Dimension sei nicht zu unterschätzen. Auch darum hätten traditionelle Wetterpropheten wie jene aus dem Muota-thal weiterhin ihren Platz – als «emotionale Ergänzung». Bucheli meinte, er sei dort selbst Passivmitglied. Sein Fazit: Die Qualität der Prognosen ist dank internationaler Zusammenarbeit stetig gestiegen – was auch die Erwartungen erhöht. Wetter ist sichtbare, bewegte Energie – und seine Vorhersage beruht auf drei zentralen Pfeilern: Sie ist ein faszinierendes Zusammenspiel aus Wissenschaft, Technik und Kommunikation. Ganz im Sinn des amerikanischen Wissenschafters John von Neumann, der einst sinngemäss sagte: «Die Meteorologie behandelt das zweitkomplexeste System – gleich nach dem menschlichen Gehirn.»

KGV-Generalversammlung

Peter Ustinov sagte einmal: «Politische Prognosen sind wie Wettervorhersagen: Alle halten sich daran, nur das Wetter nicht». KGV-Präsident Werner Scherrer hatte die letzte Abstimmung auch anders prognostiziert, denn er bilanzierte zur Steuervorlage-Abstimmung vom 18. Mai ernüchtert: «Wir haben auf die Schnauze bekommen.» Mit der Niederlage der «Allianz für einen starken Standort Zürich» seien Wirtschaftsanliegen wiederholt abgelehnt worden – genauso die Senkung der Unternehmenssteuern um 1 Prozent. Grund sei unter anderem die tiefe Stimmbeteiligung von 35 Prozent. «Viele unserer Leute sind nicht an die Urne», konstatierte er.

Positiv erfreut war Scherrer hingegen darüber, dass viele Vorstände von Gewerbevereinen zuletzt eine massive Verjüngung erfahren haben. Langjährige Gewerblerinnen und Gewerbler müssten von den jüngeren Generationen mit geänderten Ansprüchen, Interessen und Wünschen gefordert werden. «Die denken anders als wir.» Und das sei gut so.

KGV-Geschäftsführer Thomas Hess stellte die Jahresrechnung 2024 und das Budget 2025 vor. Der Mitgliederbestand und damit auch die Mitgliedereinnahmen des KGV sind leicht rückläufig, ebenso der Inseratemarkt, auf den die Verbandszeitung «Zürcher Wirtschaft» angewiesen ist. Immerhin sieht es bei den Sponsoringbeiträgen erneut besser als im Vorjahr aus. Dank zusätzlicher Einsparungen resultierte 2024 ein Gewinn von 97 000 Franken. Beim Budget 2025 wurde der Aufwand leicht erhöht. Dennoch wird ein leichter Ertragsüberschuss erwartet.

Der Treuhandexperte Boris Blaser verlässt nach langjährigem Engagement den erweiterten KGV-Vorstand und wurde verdankt. So kam es zur Ersatzwahl: Christian Nussbaumer, Präsident Treuhand Suisse, Sektion Zürich und Mitinhaber der Aeberli Treuhand AG, wurde als Vertreter seines Berufsverbands in den Vorstand gewählt.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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