Zwischen Bewahrung und Belastung

Während die Denkmalpflege kulturelle Identität schützen will, kritisieren die Eigentümer und Handwerker die teuren Auflagen und eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten.

Bild zvg

Das RIegelhaus gehört zu den denkmalgeschützen Gebäuden.

Ist es sinnvoll, ein Gebäude bis zur Fassade hin auszuhöhlen, dahinter aber moderne Wohnungen oder Büros zu bauen, nur um den Schein zu wahren? Pflegen wir alte Gebäude und Fassaden, weil wir uns in den kalten Betonschluchten der modernen Architektur nicht wohlfühlen? Sollte ein Stadtbild nicht vorwärts blickend die Strömungen der Gegenwart, die Wohnformen der Moderne aufnehmen, statt rückwärtsgerichtet mittelalterliche Gebäude zu hegen und pflegen?

Vergangenheit prägt die Städte

Die diplomatische Antwort darauf ist wohl die: Es ist eine Frage des Standpunktes und wie man sich ein Stadt- oder Landschaftsbild vorstellt. Und der Generationen. Die Denkmalpflege und der Heimatschutz, der sich um gefällige Ortsbilder kümmert, spielten eine wichtige Rolle in der Erhaltung kultureller Identität, ist die Meinung und der Antrieb der Befürwortenden. Historische Gebäude und Stätten seien Zeugnisse der Vergangenheit und prägten das Bild unserer Städte und Landschaften. So nimmt man in Kauf, dass Projekte verzögert werden, sich die Baukosten erhöhen und Hausbesitzer die Aussenansicht ihres Hauses nicht mitbestimmen dürfen. Oder moderne Isolierfenster verhindert oder die zusätzliche Dämmung der Fassade – das treibt den Energieverbrauch in die Höhe, die die Eigentümer oder die Mieterinnen und Mieter zu tragen haben.

Denkmalqualität wird teuer

Wer also umbauen will und das Pech hat, dass sein Wohn- oder Gewerbehaus, der Garten dazu oder ein stattlicher Baum von den Behörden, dass «Denkmalqualität» erhält, der wird sich wohl schlaflose Nächte einhandeln. Denkmalschutz und private Eigentümer vertragen sich meist nicht – die Beziehung ist oft toxisch, kann sehr teuer werden und bis zur Enteignung führen. Der Interessenausgleich kippt vorwiegend auf die Seite der Denkmalschützer, die öffentliches Interesse reklamieren und die Erhaltung des Denkmals. Da werden rein wirtschaftliche Interessen der Inhaber schnell mal abgeschmettert.

«Mischt sich der
Denkmalschutz
ein, explodieren
auch die
Baukosten.»

Maximilian Müller
Leiter Baumanagement
Hauseigentümerverband Zürich

«Grundsätzlich werden viel zu viele Objekte ins DenkmalschutzInventar aufgenommen», findet auch Maximilian Müller, Leiter Baumanagement des Zürcher Haus-eigentümerverbandes. Man habe das Gefühl, dass bald die halbe Stadt Zürich unter Denkmalschutz stehe – das sei mit dem neuen und modernen Wohnverhalten gar nicht mehr vereinbar. Und er bedauert auch, dass dadurch dringend nötige energetische Sanierungen verhindert werden. «Mischt sich der Denkmalschutz ein, explodieren auch die Planungs-kosten», ergänzt er, die nicht etwa der fordernde Staat bezahlt, sondern der Eigentümer.

Riesiger Planungsaufwand

Lukas Kühberger, Spartenleiter Renesco Bautenschutz beim Bauunternehmen Marti AG, bestätigt diesen Eindruck. «Der Aufwand ist tatsächlich enorm hoch, wenn der Denkmalschutz involviert ist», sagt er. Vor allem sei der Planungsaufwand riesig, auch weil von einem Tag auf den anderen alles wieder auf den Kopf gestellt würde und wieder neue Forderungen umgesetzt werden müssten. Das mache auch die Personalplanung schwierig, weil man sich aus diesen Gründen nicht auf den abgemachten Baustart verlassen könne. Und auch Remo Altorfer, Architekt HTL und Inhaber der Umbau Zürich in Volketswil, findet, dass die Experten des Denkmalschutzes mit Augenklappen in ihrer eigenen Welt lebten und manchmal den Bezug zur Praxis verlören. «Manchmal ärgere ich mich schon darüber, wenn ein 140 Jahre alter Balken verhindert, eine Küche im Dachgeschoss zu vergrössern, weil dadurch der Durchgang ins Esszimmer nicht möglich ist», sagt er.

Schutzvertrag

Seiner Erfahrung nach sei der beste und konfliktfreiste Weg, zusammen mit dem Denkmalschutz den Schutzvertrag auszuarbeiten, falls dieser noch nicht bestehe. So könne man auch die Sicht der Planer und der Eigentümer einbringen. Dann sei von Anfang an klar, was möglich sei und was nicht und damit auch die Planungssicherheit gewährleistet. Die Gestaltungsfreiheiten sind also stark eingeschränkt und damit auch der Raum für Innovationen. So ist es bei denkmalgeschützten Immobilien für Investorinnen und Investoren viel schwieriger, einen Mehrwert zu schaffen. Gerade wenn die Liegenschaft kommerziell genutzt wird, zum Beispiel als Hotel oder Restaurant, schränken die starren Vorgaben den Handlungsspielraum von Unternehmerinnen und Unternehmern stark ein.

Pingelige Anwendung

Besonders dann, wenn auf Details beharrt wird, die eigentlich für die Gesamtansicht unbedeutend sind. Die Vertiefung für die Fussmatte am Eingang des Reihenhauses beispielsweise, die Badezimmerfliesen oder eben ein historischer Balken im Dachgeschoss. Vermutlich kennt fast jede Schweizerin und jeder Schweizer zumindest jemanden, der solche Geschichten über die vermeintliche Willkür des Heimatschutzes aus erster Hand erzählen kann. Dabei haben die grösseren Städte eigentlich ganz andere Probleme – in der Gegenwart und in die Zukunft gerichtet. Sie müssen die Innenverdichtung ökologisch und sozialverträglich gestalten und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Und das ist oft mit den Anforderungen und Wünschen der Denkmalschützer oft nicht vereinbar.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down