«Zürich ist wie ein Bootcamp für Bürgerliche»

Susanne Brunner scheut keinen Konflikt und schuf sich mit ihrem Widerstand gegen ein Sprachdiktat nicht nur Freunde. Doch sie blieb sich treu und wurde 2023 in den Kantonsrat gewählt. Die Präsidentin des Gewerbevereins Seefeld integrierte diesen wieder in die Dachverbände KGV und GVZ. Nun tritt sie im Seefeld ab und blickt zurück.

Bild Mark Gasser

Kampf gegen Windmühlen: Susanne Brunner an der Bellerivestrasse.

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Kampf gegen Windmühlen: Susanne Brunner an der Bellerivestrasse.

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Kampf gegen Windmühlen: Susanne Brunner an der Bellerivestrasse.

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Kampf gegen Windmühlen: Susanne Brunner an der Bellerivestrasse.

Susanne Brunner meidet keine Konfrontation. Im Gegenteil: Die Kommunikationsexpertin mit dem breiten Ostschweizer Dialekt schwang sich in den letzten Jahren mit ihren Vorstössen in der links geprägten Stadt Zürich unverhofft zur Galionsfigur des Widerstands gegen ideologisch geprägte Gender-Sprachdiktate auf – ein Aufregerthema von links bis rechts. Fürs Gewerbe kämpfte sie mit gleicher Leidenschaft, doch dies sorgte medial für weit weniger Echo. Gerade Mobilitätsfragen und verkehrspolitische Entscheide der Stadt bewegten viele Mitglieder des Gewerbevereins Seefeld, den sie seit 2013 präsidiert und den sie geprägt hat, existenziell.

Unter ihrem Präsidium ist der Gewerbeverein nach zwischenzeitlichem Austritt wieder den Dachverbänden KGV und GVZ beigetreten. Diese stellten die «Feuerwehr» dar, die bereit stehe, wenn man sie brauche. «Diese erst aufzubauen, wenn es schon brennt, wäre zu spät.» Mit gebündelter Kraft könne man mehr bewirken als isoliert für ein Anliegen kämpfen zu müssen. «Und das hat sich seit dem Wiedereintritt schon bewährt.»

Umkämpfte Bellerivestrasse

Nun gibt Susanne Brunner das Präsidium ab. In einem Café an der Bellerivestrasse, eines der wichtigsten Einfallstore in die Stadt, blickt sie aus dem Fenster. Mit dem zuletzt geplanten Pilot, der von August 2023 bis April 2024 hier geplant war, wollte die Stadt Erkenntnisse für eine langfristige bauliche Umgestaltung der Bellerivestrasse gewinnen – so die offizielle Begründung. «Wir konnten da im Verbund mit anderen Gewerbeverbänden und Parteien eine Petition erfolgreich einreichen», sagt Brunner. Das Resultat ist bekannt: Der Kanton intervenierte und pfiff die Stadt zurück.

Für die Schlagkraft, um das Experiment letztlich zu verhindern, sorgten mitunter die beteiligten Dachverbände. Und geteiltes Leid verbindet: Der Gewerbeverein Seefeld führt, wie auch andere Sektionen der Stadt, einen ewigen Kampf David gegen Goliath: Gewerbeinteressen würden im Stadtrat «nicht ernsthaft und nicht sorgfältig» angeschaut und grosszügig übersehen.

Daher freut man sich an Teilerfolgen. Ein Beispiel einer erfolgreichen Intervention waren Beschwerden gegen die Verkehrsführung an der Rad-Weltmeisterschaft in Zürich im September 2024. Dank der juristischen Unterstützung durch den städtischen Gewerbeverband GVZ und die Betroffenheit mehrerer Spitäler wurden die ursprünglichen Pläne eines zweiwöchigen Quasi-Lockdowns gelockert. «Die Planung zeigte für mich exemplarisch den Tunnelblick des Stadtrats zugunsten des Velos. Bei der Rad-WM wurde das Gewerbe schlichtweg vergessen.»

Eine weitere Erfolgsmeldung während der Ära Brunner: Durch eine Interpellation im Stadtrat konnte unter anderem mit den betroffenen Quartieren 2014 verhindert werden, dass die Post die Postfachanlage 8032 in Zürich-Riesbach auf Ende 2015 schloss. Mit vereinten Kräften konnten Gewerbe, Politik und Anwohnerschaft einen Teil der Postfachanlage retten. Weiter konnte Susanne Brunner 2022 mit einem Vorstoss im Gemeinderat die Kündigung der Mietverträge zweier Läden im Theater am Hechtplatz aufschieben.

Als ewigen Kampf gegen Windmühlen sieht Brunner den schleichenden Abbau von Parkplätzen. «Daraus resultiert ein Dominoeffekt: Der Druck auf die verbleibenden Parkplätze wird immer grösser.» Auch da komme dem Gewerbeverein die Mitgliedschaft im GVZ zugute. Oft verpufften allerdings die Einsprachen angesichts der rotgrün gefärbten Verkehrspolitik. «Ich habe daher langfristig Angst um die vielen Läden und die Vielfalt hier im Seefeldquartier.» Auffällig: Die Stadt sei in vielen Fällen gegen übergeordnetes Recht am Prozessieren, etwa bei der Rosengartenstrasse, bei der Bellerivestrasse, bei Tempo 30 an der Seestrasse oder beim kommunalen Mindestlohn.

Mobilität sei die Lebensader der Gewerbebetriebe, auch der Gastronomie – diese werde einem ideologisch getriebenen «Umerziehungsprogramm» geopfert. Wem der Zugang zu einem Geschäft erschwert werde, der werde sich anders orientieren – und nicht mit dem Velo einkaufen gehen, denn «eine Umerziehung der Leute funktioniert nicht».

Frischer Wind willkommen

Amtsmüde oder uninspiriert, um gegen solche Projekte zu kämpfen oder das Gewerbe weiterhin zu vertreten, ist sie nicht. Nein, die 2023 zum zweiten Mal in den Kantonsrat gewählte SVP-Politikerin (von 2008 bis 2011 war sie bereits für die CVP und später die SVP im Rat) habe einfach nach elf Jahren als Präsidentin anderen Platz machen wollen – und sich auf ihre beiden Unternehmen, in denen sie sich auf politische Kommunikation, politische Beratung und Lobbying fokussiert, sowie ihre parteipolitische Tätigkeit konzentrieren wollen. In neuer Rolle wird Susanne Brunner nun bei der SVP der Stadt Zürich als frisch gewählte Co-Präsidentin neben Ueli Bamert aber weiter mit alten «Baustellen» in der Stadt beschäftigt sein.

Um die Vereinsführung muss sie sich derweil keine Sorgen machen: Ihr Nachfolger Michael Heeb sei ein «junges, zupackendes» Vorstandsmitglied. «Ich finde es wichtig, dass neue, tatkräf-tige Mitglieder Verantwortung übernehmen – es ist Zeichen für die Vitalität eines Vereins.»

Wo verlaufen Gender-Fronten?

Viele kennen Susanne Brunner aber aus einem ganz anderen Kontext: ihrem Widerstand gegen die staatlich verordnete Gender-Schreibweise. Ob ihre Interventionen in der Gender-Debatte mit dem letzten Coup, der Initiative «Tschüss Genderstern», ihr letztlich zur Wahl in den Kantonsrat verholfen haben, mag sie nicht zu beurteilen. Dass das Thema nicht nur medial für Aufsehen sorgte, sondern bei den Menschen unter den Nägeln brennt, wenn die Stadt ihnen eine Gender-Sprachregelung diktiert, belegten aber nicht nur Statistiken, sondern ihre eigene Erfahrung. «Als ich in der Stadt Unterschriften für die Initiative sammelte, bin ich einerseits zwar stark angefeindet und mit wüsten Schimpfwörtern eingedeckt worden. Auf der anderen Seite haben sich noch nie so viele Leute bei mir bedankt wie bei diesem Thema.»

Konkret soll mit der Initiative in der Zürcher Gemeindeordnung festgehalten werden, dass die Stadt eine «klare, verständliche und lesbare Sprache» verwendet und in ihren Dokumenten auf Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichtet.
Hat das Stahlbad links-grün dominierter städtischer Politik Susanne Brunner abgehärtet, robuster gemacht? «Die Stadt Zürich ist für bürgerliche Politiker sicher wie ein Bootcamp. Und natürlich kämpfe ich gern da für meine Überzeugungen, wo ich sehe, dass etwas falsch läuft.»

Ihr vermehrt politisches Engagement mit dem Wechsel vom Gemeinde- in den Kantonsrat sei kein Bruch mit ihrem Engagement fürs Gewerbe. So ist sie im GVZ weiterhin im Vorstand und macht auch im Kanton Gewerbepolitik. Gleichzeitig erinnert die Vollblutpolitikerin auch gerne an unpolitische Highlights ihrer Präsidialzeit: Die vielen Anlässe mit den Mitgliedern, darunter Generalversammlungen, Gewerbeapéros oder das traditionelle Fischessen im August, seien da zu nennen. «Ich sehe viel Engagement, und der Gewerbegeist, der lebt.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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