Wie verknorzt wir mit Technik hantieren – siehe 5G

Nicht nur der Bundespräsident gefällt sich im Widerspruch: Alain Berset mag Hightech-Gadgets – und kämpft gegen 5G. Auch in meiner Wohngemeinde hängen 12 000 Einwohner am Handy – eine Antenne jedoch im Quartier? Um Gottes willen, wir sind doch nicht lebensmüde. So wird unser Verhältnis zur Technik schlitzohrig. Wir wollen Fortschritt, aber ohne Dreck. Feuer, bitte ohne Rauch. Technik, der Hebel allen Fortschritts, war von Beginn weg zwiespältig. Schon das Rad – wie rasch geraten wir unter die Räder?

In welchen Miseren aber lägen wir ohne Technik? Wer brachte die Medizin im 19. Jahrhundert voran? Humanistische Ärzte? Physiker. Sie erfanden das technisch verbesserte Mikroskop. Bis dahin kamen Viren und Bakterien gar nicht in den Blick. Erst die Technik ermöglichte eine Behandlung der Infektionskrankheiten, die zuvor Millionen Menschen dahingerafft hatten.

Heute hantieren wir am intelligenten Kochherd und steuern einen Hochleistungscomputer über die Strasse. Dennoch können Bundesräte weiter punkten, wenn sie öffentlich bekennen, in Mathe eine Null gewesen zu sein. Soll wohl irgendwie nach höherem Menschen tönen: zu geistvoll, um mit Zahlen herumzumachen, eher was mit Sprache oder gar am Klavier. Mal abgesehen davon, dass hier das stümperhafte Missverständnis fortlebt, Mathematik sei Rechnen (Mathematik beginnt mit der Abneigung gegen die Schafsgeduld beim Rechnen, siehe Carl Friedrich Gauss): In welcher Welt leben wir denn? Ist denn nicht klar, dass in allem, womit und wovon wir heute leben, Mathematik drin steckt und Technik dran? In Mobilität, Hedge Funds, Energie, Demoskopie, ICT-Zauber. Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist Mathematik und Informatik. Da wir mit all dem leben – wäre es nicht schlau, wir würden es auch ein bisschen durchschauen?

Statt dessen fallen wir (mit Alain Berset) auf Schauergeschichten herein, die über 5G kursieren. «Studien» behaupten, Handynutzer erkrankten häufiger an Hirntumor. Also Handy-Muffel seltener? Da es die kaum noch gibt, befragte man einfach Hirntumorkranke zu ihrer Handynutzung. Entsprechend hinken die Schlüsse. Wären die Studien solid, müssten Hirntumore sprunghaft zugenommen haben. Haben sie aber nicht, nicht die Spur.

Was ist denn dran an der verteufelten «Hintergrundstrahlung»? Handys kommunizieren über Photonen. Die bringen Moleküle zum Schwingen. Dabei entsteht Wärme. Wie im Mikrowellenherd, nur dass dort eine höllische Hitze von 1000 Watt entsteht. Handys nutzen Photonen mit ganz anderen Wellenlängen, da liegt die Strahlung weit unter 100 Watt, eine Wärme, die noch jeder Hitzkopf glatt abführt. Prekär wird Strahlung erst, wo Photonen Molekülbindungen aufbrechen. Passiert erst in ganz anderen Dimensionen.

Klar befremden Techniken, die uns lenken, uns heimlich mitspielen. Doch wenn wir sie eh nutzen, könnten wir wenigstens verstehen wollen, was uns lenkt.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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