Wenn KI Haare schneidet und Brot backt
Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in Branchen, in denen sie lange nicht denkbar war – vom Coiffeursalon über die Bäckerei bis hin zur Baustelle und zur Landwirtschaft. Doch wie weit ist diese Entwicklung tatsächlich fortgeschritten? Wir fragten bei verschiedenen Branchen nach.
21. Februar 2025 Anna Birkenmeier
KI wird in Bäckereien noch kaum genutzt, aber mit Interesse beobachtet.
Wird es bald zur Realität, dass uns Roboter die Haare waschen und schneiden – wie es bereits in Japan getestet wird? Sandra Bossi vom Verband Coiffure Suisse winkt ab: «Theoretisch könnte es möglich sein, dass standardisierte Maschinenhaarschnitte irgendwann von Robotern übernommen würden. Doch das Coiffeurhandwerk ist weit mehr als nur ein mechanischer Vorgang – es ist eine kreative und stark serviceorientierte Branche.» Dennoch hält KI auch hier Einzug, etwa durch digitale Beratungstools, die Gesichtszüge und Haarstruktur analysieren, um individuelle Frisur- und Farbempfehlungen zu geben. «Augmented Reality ermöglicht es, verschiedene Looks virtuell auszuprobieren, bevor zur Schere gegriffen wird», erklärt Bossi.
«Bei uns ist KI kein grosses Thema.
Mauro Pera
Der Coiffeurberuf lebt von
Kreativität, Erfahrung und Empathie –
das kann KI nicht ersetzen.»
Coiffeur
Auch Terminbuchungssysteme setzen zunehmend auf KI, um Abläufe zu optimieren. «KI kann uns in vielen Bereichen unterstützen – von der Terminvergabe über die Produktbestellung bis hin zu personalisierten Pflegeempfehlungen. Das Handwerk eines Coiffeurs ersetzen wird sie aber nie können», ist Bossi überzeugt. Ähnlich sieht es Mauro Pera, Inhaber mehrerer Coiffeursalons in Zürich: «Bei uns ist KI kein grosses Thema. Der Coiffeurberuf lebt von Kreativität, Erfahrung und Empathie – das kann KI nicht ersetzen.» Allerdings sieht er Potenzial in der Administration: «KI könnte helfen, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, und uns mehr Zeit für die eigentliche Arbeit mit den Kunden zu lassen.»
KI auf dem Bau
In der Baubranche ist der Fachkräftemangel ein drängendes Problem. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) rechnet bis 2040 mit einem Defizit von rund 5600 Fachkräften. Eine Antwort darauf könnte die Automatisierung sein. «KI wird den Bausektor nachhaltig prägen – nicht als Ersatz für Arbeitskräfte, sondern als Unterstützung, um Effizienz zu steigern und Prozesse zu optimieren», sagt Mario Sülz vom SBV. Schon heute übernehmen KIgesteuerte Roboter repetitive Arbeiten. In den USA werden modulare Bauroboter eingesetzt, die mit Sensortechnologie Bauteile erkennen und selbstständig platzieren. Die Penn State University entwickelt KI-gesteuerte Baumaschinen und unbemannte Fahrzeuge, die nicht nur Prozesse effizienter gestalten, sondern auch die Sicherheit auf Baustellen erhöhen sollen.
«KI wird den Bausektor nachhaltig prägen – nicht als Ersatz für Arbeitskräfte, sondern als Unterstützung, um Effizienz zu steigern und Prozesse zu optimieren»
Mario Sülz
Auch in der Praxis ist der Automatisierungstrend spürbar: Das US-Unternehmen Canvas hat einen Roboter entwickelt, der Trockenbauarbeiten nahezu so präzise erledigt wie erfahrene Fachkräfte. In Zukunft könnten Bauroboter beim Betonieren, Mauerlegen und bei Abbrucharbeiten helfen, sodass sich Bauarbeiter verstärkt auf komplexe Aufgaben konzentrieren könnten. Doch KI bleibt nicht nur auf der Baustelle, sondern erleichtert auch Verwaltungsprozesse. Tools automatisieren die Erfassung von Lieferscheinen, während andere Programme Bauverträge prüfen oder Sprachnachrichten für anderssprachige Teams übersetzen. Trotz dieser Fortschritte gibt es auch Herausforderungen. «Wichtig ist, dass Unternehmen in Weiterbildung und Umschulungen investieren, um bestehende Mitarbeitende auf
die neuen Technologien vorzubereiten», betont Sülz.
KI in der Backstube
Künstliche Intelligenz könnte auch in der Bäckerei eine Rolle spielen. Doch bisher zeigt sich die Branche zurückhaltend. Eine Umfrage der Zürcher Wirtschaft unter Zürcher Bäckereien ergab, dass KI in den meisten Betrieben bislang kaum genutzt wird. «Nein, wir brauchen keine KI in unserem Betrieb», sagt Lotti Honegger von der Volkornbäckerei Oetwil am See. Angela Roffi-Berner von der Bäckerei Walter Buchmann zeigt sich offen: «Aktuell nutzen wir in unserem Betrieb noch keine KI. Wir beobachten jedoch die Entwicklungen mit Interesse und prüfen, inwiefern KI zukünftig für unsere Prozesse von Nutzen sein könnte.»
Effizienz und Qualität
Patrick Zbinden, Fachmann für Kulinarik und KI-Pionier, sieht grosses Potenzial in der Technologie: «Moderne Öfen passen den Backprozess automatisch an, um Energie zu sparen und eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten.» Auch werde KI zunehmend in Backstuben eingesetzt, um Zutaten effizienter zu nutzen, Food Waste zu minimieren und Bestellungen präziser zu planen. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Qualitätskontrolle: KI-gestützte Kameras erkennen Unregelmässigkeiten in Backwaren und sortieren fehlerhafte Produkte frühzeitig aus. So kann der Produktionsprozess optimiert und Lebensmittelverschwendung reduziert werden.
Kreative Unterstützung?
Neben der Effizienzsteigerung könnte KI sogar kreative Prozesse beeinflussen. «Mit den richtigen Prompts lassen sich neue Rezepturen entwickeln oder bestehende Produkte verfeinern», sagt Zbinden. Zudem helfen datenbasierte Analysen, das Angebot besser an die Nachfrage anzupassen und Überschüsse zu vermeiden. Ob beim Coiffeur, auf der Baustelle oder in der Backstube – KI kann Prozesse optimieren und neue Möglichkeiten schaffen. Doch letztlich bleibt sie ein Werkzeug, das menschliche Kreativität, Erfahrung und Handwerkskunst ergänzt, aber nicht ersetzt.
Anna Birkenmeier
Redaktion Zürcher Wirtschaft
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